Die Energiewende ist nichts für Otto Normalverbraucher
Es ging zunächst schleichend, mittlerweile ist es kein Geheimnis. Der einstige Branchenprimus Solarenergie ist nicht mehr en vogue, die Windkraft ist der neue Liebling der Legislative. Moderat begleitet durch Teile der Medien haben Verbände und Lobbyisten erfolgreich gearbeitet: Das EEG wurde passend gemacht. ARD-Energieexperte Jürgen Döschner formulierte deshalb auch süffisant: „die Einzigen, die profitieren, sind RWE, E.ON, Vattenfall und Co., denn deren Großkraftwerke – ob mit Atom, Kohle oder Gas betrieben – verloren mit jeder neuen Solaranlage an Wert“.
Ist die EEG-Umlage nur bei Photovoltaik zu teuer?Die beiden Energiewendehälse Rösler und Röttgen wollen nun verstärkt „die Netzanbindung von Offshore-Windparks voranbringen“. Gemeinsam mit Ministerien, Betreibern, Netzbetreibern, Zulieferern und der Bundesnetzagentur sollen etliche Hürden aus dem Weg geräumt werden, darunter auch offene Haftungsfragen. Da weder Netzbetreiber noch Investoren, oftmals auch Schwergewichte der Energiebranche, das unangenehme finanzielle Risiko tragen möchten, wurde nun vorgeschlagen, mögliche Kosten auf das Netznutzungsentgelt umzulegen oder eine Kompensation mit Hilfe der EEG-Vergütung vorzunehmen. Zum Verständnis: In der aktuellen Photovoltaik-Diskussion des EEG betonten die beiden derzeitigen Berliner Minister, dass die Verbraucher nicht weiter belastet werden können. Wenn nun große Energiekonzerne vor wirtschaftlichen Risiken stehen, gilt diese Aussage nicht mehr?
Kommt das CO2-frei-EEG?
Als diese Tage gemeldet wurde, dass deutsche Unternehmen ihren Atomausstieg mittlerweile auch auf die britische Insel ausgeweitet haben, grübelte vielleicht so mancher über die Gründe. Diese sind jedoch, wie nicht allzu schwer zu erraten, sowohl wirtschaftlicher als auch strategischer Natur. Wie ein E.on-Sprecher gegenüber der taz äußerte, wird man sich in England verstärkt auf Erneuerbare Energien konzentrieren, da sich solche Investitionen innerhalb kürzerer Zeit rechnen.
Da nützt es auch nichts, wenn in Großbritannien aktuell an einer abstrusen EEG-Version gebastelt wird. Danach sollen alle Kraftwerke, die wenig CO2 ausstoßen, einen staatlich garantierten Mindestpreis für ihren Strom erhalten – egal, ob es sich um Solarkraftwerke, Windräder oder eben Kernreaktoren handelt. Angetan von der Idee Atomkraftwerke künftig als emissionsarme Technologien einzustufen und somit deren Bau und auch der Verkauf von Atomstrom subventionieren zu lassen, haben Großbritannien, Frankreich, Polen und Tschechien gar ein Schreiben an Günther Oettinger geschickt. Die Erfolgsaussichten sind möglicherweise gar nicht so schlecht, gilt der Brüsseler Energiekommissar ja bekanntlich als ein Verfechter „technologieneutraler“ Lösungen. Es ist zu befürchten, dass dieses Ansinnen auch bei uns mit Interesse beobachtet wird. Will man im Wirtschaftministerium ohnehin schon seit langem das EEG abschaffen, die Einspeisetarife sollen beispielsweise durch ein Mengenmodell ersetzt werden. Dies lässt vor allem den Stromkonzernen mehr Spielraum, die Abnahmepflicht bzw. der Einspeisevorrang Erneuerbarer Energien war immer mehr zum Problem der Energieriesen geworden.
EE-Großkraftwerke retten alte Strukturen
Müssen künftig nur bestimmte Anteile des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen stammen bzw. bezogen werden, ist es wieder leichter, das alte Monopol der Stromversorgung zu zementieren. Am besten gelingt das mit großen Offshore-Windkraftanlagen. Deren Finanzierung ist schließlich nichts für Energiegenossenschaften, Bürgerbeteiligungen oder lokale Betreibermodelle. Es gilt, das EEG wieder zu Gunsten der Energieversorger umzubauen. Es müssen schließlich „die zentralen Versorgungsstrukturen des fossil-atomaren Zeitalters in die regenerative Energieversorgung hinüber gerettet werden“, wie Matthias Brake kürzlich in einem Artikel (Gigantismus und Horror vacui) bei Telepolis schrieb. Von kleinen, dezentralen Strukturen profitiert die Energiewirtschaft offensichtlich zu wenig. Eine grundlegende Umstrukturierung in den Unternehmen, ein Systemwandel oder gar Verschiebungen in der Wertschöpfungskette sind nicht gewünscht.
Wer ist die Energiewende-Lobby?
Seit Anfang dieses Jahres gibt es den Newsletter „Energiewende!“ des BMWi. Sich den Begriff Energiewende auf diese Weise nutzbar zu machen, ist eine clevere Idee. Es ist noch nicht sehr lange her, da galt es noch als verpönt, als Mitarbeiter eines Stadtwerks dieses Unwort zu benutzen. 1980 tauchte der Begriff erstmals in einer wissenschaftlichen Prognose des Öko-Instituts auf. Die damals geforderte vollständige Abkehr von Kernenergie und Energie aus Erdöl galt als revolutionär, dieses Szenario musste unter allen Umständen verhindert werden. Nachdem nun der Kampf verloren ist, macht man sich eben den Begriff zu eigen. Das hat den Vorteil, dass man weiterhin am Hebel sitzen darf. Die genaue Auslegung und Definition einer Energiewende und deren konkrete Umsetzung wird selbst vorgenommen. In der Praxis ist nicht die Energiewende das Ziel, sondern genau das Gegenteil, die Begrenzung des Wandels. Die Vereinnahmung des Begriffs Energiewende durch deren natürliche Gegenspieler sollte deshalb unbedingt verhindert werden.
Matthias Hüttmann