Die vernachlässigten Paragrafen
Haftung, Gewährleistung und Garantie bei Photovoltaikanlagen: Betreiber von Photovoltaikanlagen kennen ihre Verbraucherrechte oft nur mangelhaft. Welche Ansprüche sie aus Haftung, Gewährleistung und Garantien gegenüber Herstellern, Installateuren und Lieferanten haben, ist nur wenig bekannt. Wir geben einen kurzen Überblick über wichtige rechtliche Zusammenhänge und Ansprüche.
Nach Ansicht des Münchner Rechtsanwalts Ulrik Gollob wird das Thema Haftung in der Photovoltaik bislang vernachlässigt. Zu Unrecht, wie der in Waldkraiburg ansässige erfahrene Sachverständige Christian Keilholz bestätigt: „Man kann Photovoltaikanlagen vorschriftsmäßig bauen, aber ich habe noch keine gesehen,“ fasst er seine Erfahrung halb ironisch zusammen, dass ein Sachverständiger praktisch an jeder Anlage Mängel finden kann.
Dass es nicht bei viel mehr Photovoltaikanlagen zu Auseinandersetzungen zwischen Lieferant und Betreiber kommt, liegt deshalb offenbar daran, dass nur wenige Bauherren Mängel frühzeitig entdecken und beim Installateur reklamieren. Oft fallen sie dem Betreiber überhaupt nur dann auf, wenn die Anlage zu wenig Leistung oder Ertrag bringt oder wenn Mängel wie undichte Dächer oder verschmorte Kabel zu Folgeschäden fu?hren. Schlimmstenfalls kommt es zum Brand, wie Anfang April auf dem Dach einer Lagerhalle im Nordrhein-Westfälischen Goch.
Mangelfreie Anlagen
Zu einer nicht mangelfreien Anlage gehört schon die oft fehlende detaillierte technische Dokumentation, sagt die Rechtsanwältin Christina Bönning, die ebenfalls seit vielen Jahren PV-Betreiber berät und vertritt. Gerade die Betreiber kleiner und mittlerer Anlagen verlassen sich oft allzu gutgläubig auf die Kompetenz und Sorgfalt des Installateurs, die sie selbst im Detail meist gar nicht beurteilen können. Und für die Begutachtung durch einen Sachverständigen ist im Investitionsbudget in der Regel kein Spielraum.
Mangelfrei bedeutet, dass die Sache alle Eigenschaften aufweisen muss, die zwischen Käufer und Verkäufer vereinbart wurden. Nach dem neueren Kaufrecht können zu diesen Eigenschaften auch Werbeaussagen des Herstellers gehören und die Angaben in Datenblättern. Gerade bei Photovoltaikanlagen gehört dazu aber die Einhaltung einschlägiger technischer Normen und die sogenannten „anerkannten Regeln der Technik“, auf die sich insbesondere Gutachter und Richter in Streitfällen berufen.
Oft wissen die Bauherren noch nicht einmal um ihre Rechte. Bei Photovoltaikanlagen geht es um Fragen der Haftung, Gewährleistungen und Garantien. Gewährleistung ist die gesetzliche Frist für die verpflichtende Mangelfreiheit von Produkten. Dagegen sind Garantien freiwillige Zusicherungen von Produkteigenschaften durch den Hersteller nach dessen Bedingungen – soweit diese nicht gegen gesetzliche Vorgaben verstoßen, dazu später mehr. Manches ist gesetzlich geregelt, einiges lässt sich durch vertragliche Vereinbarung festlegen oder abändern.
Gewährleistungsansprüche
Zunächst einmal hat der Kunde im Rahmen der Gewährleistung gesetzlichen Anspruch auf eine mangelfreie Sache. Ulrik Gollob: „Bei einem Mangel der Kaufsache spielt es keine Rolle, ob den Verkäufer am Entstehen des Mangels ein Verschulden trifft. Der Verkäufer kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Hersteller den Mangel verursacht habe. Der Verkäufer trägt das volle Beschaffungs- und Gewährleistungsrisiko.“
Bei Solarmodulen betrifft das beispielsweise auch die Leistung der einzelnen Solarmodule. Wenn von 20 Solarmodulen mit einer Nennleistung von 150 W plus/minus 5 Prozent die meisten Module am unteren Rand des Toleranzbereichs leisten, ist die Lieferung mangelhaft. Bei einem „Gattungskauf“ müssen die gelieferten Komponenten „mittlerer Art und Güte“ entsprechen. Auch hier ist zunächst einmal der Lieferant oder Installateur in der Pflicht.
Bei einem Mangel kann der Käufer wählen zwischen Nacherfüllung in Form von Nachlieferung oder Nachbesserung. Gelingt das innerhalb einer angemessenen, vom Kunden gesetzten Frist, nicht, kann der Käufer zwischen Ru?cktritt oder Preisminderung wählen. Im für den Installateur schlimmsten Fall könnte also ein Bauherr verlangen, die bereits montierte Solarstromanlage zurückzunehmen und den Kaufpreis zurückzuerstatten.
Schadenersatz
Anders verhält es sich mit dem Schadenersatz. Fu?hrt ein Mangel an der Solarstromanlage für den Betreiber zu einem Schaden außerhalb der Anlage, beispielsweise durch Ertragsausfall und einem daraus folgenden Verlust von Einspeisevergu?tung, so muss der Verkäufer dafu?r nur geradestehen, wenn er den Mangel verschuldet hat. Das wäre beispielsweise nicht der Fall, wenn ein Wechselrichter ausfällt. Dann muss der Lieferant zwar für ein funktionierendes Gerät sorgen, jedoch nicht grundsätzlich den Ertragsausfall ersetzen. Anders wäre das aber, wenn der Installateur Termine zusagt und nicht einhält.
Fu?hrt das mangelhafte Produkt aufgrund von Sicherheitsmängeln am Produkt selbst und nicht durch die Ausführungen des Installateurs zu einem Schaden am Eigentum des Betreibers, zum Beispiel indem es einen Brand auslöst oder Personen verletzt, so greift die Produkthaftung des Herstellers. Dafür ist dann weder eine Vertragsbeziehung zwischen dem Geschädigten und dem Hersteller noch dessen Verschulden notwendig.
Unterschiedliche Ansichten auch unter Juristen gibt es immer noch und immer wieder über die Gewährleistungsdauer bei Photovoltaikanlagen. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sieht dafür zwei verschiedene Varianten vor: Beim Kaufvertrag zwei Jahre und beim Werkvertrag fünf Jahre, wobei die Frist beim Werkvertrag mit der Abnahme beginnt, während beim Kaufvertrag eine formelle Abnahme nicht notwendig ist. Die Übergabe erfolgt mit dem Abschluss der Installation.
Kaufvertrag oder Werkvertrag
Ulrik Gollob ist davon überzeugt, dass es sich bei den üblichen Photovoltaikanlagen auf Hausdächern um einen Kaufvertrag mit der Nebenleistung „Montage und Anschluss“ handelt, woraus eine Gewährleistungsdauer von zwei Jahren ab Fertigstellung folgt. Die Berliner Rechtsanwältin Muna Reichelt geht dagegen grundsätzlich von einem Werkvertrag aus, wobei sie wohl vor allem größere Freiflächenanlagen im Blick hat. Die Folge wären fünf Jahre Gewährleistungsdauer für den Erbauer der Anlage. Christina Bönning sieht es pragmatisch: „Ein Anwalt, der einen Kunden vertritt, wird versuchen, auf Werkvertrag zu argumentieren – wer dagegen den Installateur vertritt, in Richtung Kaufvertrag“.
Welche gesetzlichen Regeln gelten, hängt oft davon ab, um welchen Vertragstyp es sich handelt, erklärt die Berliner Rechtsanwältin Muna Reichelt. „Es ist nicht entscheidend, ob und welche Bezeichnung, zum Beispiel „Werkvertrag oder Kaufvertrag“, er trägt, sondern welche Vereinbarungen inhaltlich getroffen werden. Die Vertragsart ist durch Auslegung des Vertragstextes und des Willens der Parteien zu bestimmen.“ Im Zweifelsfall und wenn sich die Vertragsparteien nicht einigen können, muss das ein Richter im Einzelfall entscheiden.
Der Jurist schaut nicht auf die Überschrift, er behandelt den Vertrag nicht wie er bezeichnet wurde. Vielmehr sieht er sich die Vereinbarung inhaltlich an und ermittelt anhand gesetzlicher Vorgaben und der Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen oder höchstrichterlichen Grundsatzurteilen worum es sich tatsächlich handelt.
Ein neues Urteil des Oberlandesgericht Bamberg könnte die Diskussion befeuern. Darin bewertete das Gericht den Bau einer Freiland-Photovoltaikanlage als Werkvertrag und sah eine Gewährleistungsdauer von fünf Jahren, da „selbst wenn lediglich die Module und nicht das Bauwerk als solches geliefert worden sei, die Module entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk – eine Freiland-Photovoltaikanlage – verwendet worden seien“.
Gollob sieht darin keinen Widerspruch zu seiner Rechtsauffassung bei Dachanlagen. In einem höchstrichterlichen Urteil des BGH wurde im Jahr 2004 entschieden, dass es sich bei der Installation einer Solarwärme-Anlage um einen Kaufvertrag handelt, mit der Begründung: „Für die rechtliche Einordnung des Vertragsverhältnisses als Kaufvertrag (mit Montageverpflichtung) oder als Werkvertrag (kommt es) darauf an, auf welcher der beiden Leistungen (…) der Schwerpunkt liegt.“ Die Anlagenteile waren Serienteile, eine spezielle Anpassung von Bauteilen an den Aufbauort fand nicht statt. Wäre die Anlage demontiert worden, hätten die Teile unverändert wieder verwendet werden können.
Würden die Bauteile Gebäudefunktion übernehmen, könnte das im Einzelfall von einem Gericht aber auch anders beurteilt werden. Beispiel: Dachintegrierte Solarmodule, die als wasserabfu?hrende Gebaudehu?lle montiert werden. Solange es dazu aber kein höchstrichterliches Musterurteil gibt, wird es auf die Sachlage und Argumentation im Einzelfall ankommen.
Werkvertrag nach VOB
Ein besonderer und im Privatbereich unüblicher Fall wäre eine Vertragsbeziehung auf der Basis der sogenannten VOB (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen). In solchen Fällen könnte eine Gewährleistungsdauer von vier Jahren vereinbart werden. „Die VOB gilt in ihrer Gesamtheit als ausgewogenes Regelwerk, welche gegenüber dem ansonsten anzuwenden BGB-Werkvertragsrecht für die Auftraggeberseite, wie auch für die Auftragnehmer, an dieser und jener Stelle Vorteile und Nachteile mit sich bringt“, meinen die Rechtsanwälte Kühn & Schreiber. 1)
Die VOB ist von ihrem Charakter her eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Deshalb ist sie nur bei ausdru?cklicher vertraglicher Vereinbarung bindend. Bei Privatkunden muss sogar ein vollständiges Exemplar der VOB ausgehändigt werden, sonst ist die fatale Rechtsfolge, dass der Lieferant einerseits an die ihn benachteiligenden Regelungen gebunden ist, er jedoch die ihn begünstigenden Regelungen nicht in Anspruch nehmen kann. Nach Einschätzung von Kühn & Schreiber sollten Auftragnehmer deshalb von sich aus ohne Not die VOB besser nicht in das Vertragsverhältnis einführen.
PV-Betreiber Verbraucher oder Unternehmer?
Für Verwirrung sorgt gelegentlich auch die steuerliche Einstufung von PV-Anlagen als Gewerbebetrieb. Zivilrechtlich bedeutet das aber nicht, dass der Betreiber nun kein Verbraucher mehr ist und Verbraucherrechte für ihn nicht mehr gelten würden. Muna Reichelt widerspricht dem: „Im rechtlichen Sinn bin ich Unternehmer erst dann, wenn ich handelsrechtlich wie ein Unternehmer auftreten muss, Geschäftsräume habe, bilanziere, usw.“ Auf die Betreiber kleiner und mittlerer Photovoltaikanlagen trifft das nicht zu, nach den Kriterien eines BGH-Urteils handelt es sich hierbei eher um eine „Vermögensverwaltung“. Ein PV-Betreiber, der steuerlich gesehen Gewerbetreibender ist, bleibt als Käufer also trotzdem Verbraucher. Das schränkt Anbietern die Möglichkeiten ein, bei vertraglichen Vereinbarungen von gesetzlichen Regelungen abzuweichen. Solche für Verbraucher nachteilige Vereinbarungen sind dann schlicht unwirksam.
Garantieversprechen
Während Anlagenbetreiber die Gewährleistung oft stiefmütterlich behandeln, lassen sie sich von den Garantieversprechen der Hersteller leichtfertig in Sicherheit wiegen. Dabei handelt es sich um freiwillige Erweiterungen der gesetzlichen Gewährleistung zu den Bedingungen des Garantiegebers. Auch dafür macht der Gesetzgeber Vorgaben. „Eine Garantieerklärung muss einfach und verständlich abgefasst sein. Sie muss den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben enthalten, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Name und Anschrift des Garantiegebers“, erklärt Ulrik Gollob. „Der Verbraucher kann verlangen, dass ihm die Garantieerklärung in Textform mitgeteilt wird.“
Die Garantie begründet ein Vertragsverhältnis zwischen dem Hersteller und dem Endkunden. Aus Dusseligkeit übernehmen manche Installateure durch ungeschickte Formulierungen in Angeboten und Rechnungen die Garantieversprechen der Hersteller selbst und müssen dann auch einstehen, wenn ihre Gewährleistungsfrist bereits abgelaufen ist, der Hersteller aber wegen Insolvenz nicht mehr greifbar, oder weil es sich um ein Unternehmen in Übersee handelt und die Garantie fu?r den deutschen Anlagenbetreiber rechtlich nicht durchsetzbar ist.
Wie wenig dem Anlagenbetreiber die Garantieversprechen bei Solarmodulen bringen, hatte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen im letzten Jahr untersucht. Bei jedem der 30 Hersteller fand sie in den Garantiebedingungen abmahnungswürdige Klauseln.
Verbraucherzentrale kritisiert Garantiebedingungen
Die Verbraucherschützer kritisierten vor allem die Nichtübernahme von Kosten im Garantiefall, die Erstattung lediglich des Restwertes von Modulen und das freie Ermessen des Herstellers über das Vorliegen eines Garantiefalls. Derzeit dürfte Bauherren aber vor allem beunruhigen, dass bei einer Insolvenz des Herstellers die Garantien in aller Regel verfallen.
Der neueste Clou sind deshalb Versicherungen der Garantie auch für den Insolvenzfall des Unternehmens, also eine Art „Garantie für die Garantie“. Die unklaren und für den Kunden wenig transparenten Bedingungen und zusätzlichen Einschränkungen lassen derzeit aber noch keine Einschätzung darüber zu, ob das dem Anlagenbetreiber mehr Sicherheit bringen wird.
Der trockene Kommentar eines Teilnehmers im photovoltaikforum.com fasst die Lage treffend zusammen: „Es ist wie es ist – der Betrieb einer PV-Anlage stellt ein unternehmerisches Risiko dar. Es bleibt immer ein Restrisiko, das nicht völlig ausgeschaltet werden kann. Deshalb ist die Rendite auch etwas höher als die Zinsen am Sparbuch.“ Oder sie müsste es zumindest sein.
Thomas Seltmann