Roadmap Solarthermie
Der Fahrplan für die Solarärme: Zielführend oder die Road To Nowhere
Es ist ein halbes Jahr her, seit der Bundesverband Solar (BSW) den Entwurf eines „Fahrplans Solarwärme“ auf verschiedenen Veranstaltungen sowie auch in der Sonnenergie 1-2012 vorgestellt hatte. Wegen interner Differenzen wurde diese Roadmap ST, wie das Vorhaben auch genannt wird, noch nicht verabschiedet. Ursprünglich war vorgesehen, diesen Fahrplan, welcher der kränkelnden Solarthermiebranche eine neue Perspektive weisen soll, Anfang 2012 der Öffentlichkeit vorzustellen. Geschehen ist dies bis heute nicht.
Stattdessen haben die EEG-Kürzungsorgien die Solargemeinde in Atem gehalten. Die ST scheint zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten zu sein, offenbar auch beim BSW. Fragt man nach den Perspektiven für die ST, muss man sich nach wie vor auf die Fassung vom Dezember 2011 beziehen, die in Kooperation mit der Unternehmensberatung Technomar GmbH, der Beratungsgesellschaft co2online und dem Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik (ITW) der Uni Stuttgart erarbeitet wurde.
Noch kein Licht am Horizont
Die Geschäftsjahre 2009 und 2010 waren für die Solarthermie enttäuschend. 2011 war zwar etwas besser, aber von einer Trendwende kann man nicht sprechen. Um so dringlicher scheint eine Bestandsaufnahme und Zielbestimmung für die Branche. An der desaströsen Förderpolitk der Regierung hat die Energiewende nichts geändert. Die steuerliche Abschreibung ist irgendwo zwischen Bundestag und Bundesrat auf der Strecke geblieben. Die Fördertöpfe, die jetzt nicht mehr über den Bundeshaushalt, sondern über den Klimafond laufen, scheinen ins Land Liliput zu driften. Dem aufmerksamen Betrachter der Szenerie dürfte aber auch nicht entgangen sein, dass die angekündigte Roadmap, die in der AG Solarwärme des BSW noch immer ihre Runden dreht, irgendwie ins Bild passt. Ankündigungen, wenngleich mit ungewissem Ausgang. Aber könnte die Linie dieses Entwurfs vielleicht doch helfen, die missliche Lage aufzulösen?
Problem erkannt?
Um dieser Frage näher zu kommen, hilft ein Blick auf den Entwurf des „Fahrplan Solarwärme“. Wischt man die Sprüche von der Erfolgsgeschichte einer etablierten Technologie beiseite, bleibt die Tatsache, dass nur jeder vierte Investor in Sachen Haustechnik sich für Erneuerbare Energien entscheidet. Also nicht mal unbedingt für Solarthermie. Mit der behaupteten Wettbewerbsfähigkeit ist es also nicht so weit her. Die Schuld wird der Förderpolitik der Bundesregierung zugewiesen. Das ist schon länger eine BSW-Position. Angesichts einer Umfrage von co2online wird eingeräumt, dass 83 Prozent der potenziellen Investoren an der Wirtschaftlichkeit solarthermischer Anlagen zweifelten. Durch Kostensenkungen müsse man die Amortisationszeiten deutlich senken, lautet eine der Botschaften des Papiers. Dies gelte vor allem für das „etablierte Marktsegment“ der Ein- und Zweifamilienhäuser (EZFH). Hier müsse man zudem die solaren Deckungsgrade verbessern. Bei den Speichern müsse man durch F & E zu Fortschritten kommen. In diesem Zusammenhang ist immer wieder von thermochemischen Speichern die Rede, auf sie setzt man Hoffnungen.
Auch wenn man dieses Potential ausschöpfe, werde dies den Fortbestand der Branche nicht sichern können. Das ist eine fundamentale These, deren Gewicht man erst mal verdauen muss. Dies gelte auch dann, wenn man die so bezeichneten „Entwicklungssegmente“ – der Mehrfamilienhäuser (MFH), der Nahwärme und der Nichtwohnbauten – einbeziehe. Vor allem im MFH-Bereich winken die Autoren des Papiers ab. Dies sei und bleibe ein Segment für Spezialisten und für kundenspezifische Lösungen, vor allem im Bestand. Mehr als acht Prozent Solarisierung bis 2030 sei, selbst bei einer Reduzierung der Amortisationszeiten auf 7–8 Jahre, nicht zu erwarten. Auch beim MFH-Neubau erwartet man höchstens 50 Prozent. Die Nah- und Fernwärme berge ebenfalls keine „signifikanten Absatzvolumina“.
Hoffnung Prozesswärme
Um der Branche eine Zukunft zu sichern, so der Entwurf, bedürfe es der Erschließung eines neuen Segments. Dieses bestehe in der industriellen Prozesswärme bis 100°C und in der industriellen Kälte- und Klimatechnik. Dafür müsse man neue Entwicklungen vorantreiben und Ressourcen einsetzen, z.B. bei für Prozesswärme optimierten Speicherlösungen. Es gibt in diesem Entwurf einer Roadmap eine klare Orientierung auf die Prozesswärme. Ohne diese keine Zukunft für die Branche, so die These. Industrielle Prozesswärme müsse bis 2030 zum wichtigsten Geschäftsfeld werden. Sie sei dann gewichtiger als die traditionellen Segmente und bedeutsamer für Umsatz und Rendite. Mit ihr werde auch ein Exportanteil von 40 bis 50 Prozent erreichbar, so die „Vision“ des Fahrplans. Nachvollziehbare Belege für die Behauptung vom Untergang ohne das neue Marktsegment der industriellen Prozesswärme werden nicht dargelegt. Man kann es glauben oder bleiben lassen. Über den Ursprung dieser Theorie wird allerdings noch zu sprechen sein.
Hoffnung Energiepreise
Wie man sich diese wundersame Rettung vorstellen könne, wird in drei Szenarien verpackt: den „Status Quo“, die „Forcierte Expansion“ und den „Durchbruch“. Wer dahinter unterschiedliche Lernkurven vermuten würde, liegt allerdings falsch. „Forcierte Expansion“ und „Durchbruch“ unterscheiden sich genau genommen in unterschiedlichen Annahmen über die Steigerung der fossilen Energiepreise. Natürlich müssten im Gegensatz zum Status Quo in den beiden anderen Szenarien Kostensenkungspotenziale ausgenutzt und neue technische Möglichkeiten und Materialien eingesetzt werden. Vor allem bestehe ein wesentlicher Unterschied im Einsatz von Marketing und Kommunikation. Dies solle forciert werden. Überleben als Frage der Kommunikation. Für das etablierte Segment der EZFH müsste im Zeitraum 2014 bis 2023 zudem eine verstärkte Förderung durchgesetzt werden. Das ist schon mehr als Kommunikation. „Proaktive Gestaltung des Strukturwandels zur Optimierung der Paket- und Systemlösungen und zur Realisierung von Skaleneffekten“, nennt dies das Papier. Werde der Schwerpunkt auf die „neuen Segmente“ gelegt, werde dies bis 2030 zum Tragen kommen. Von „Durchbruch“ spricht der Entwurf der Roadmap allerdings nur im Zusammenhang mit einer fossilen Energiepreissteigerung von jährlich 11 Prozent oder externen Preisschocks.
Es fällt dabei allerdings auf, dass eine Lücke zwischen 2030 und dem elenden Heute bleibt. Der Einstieg in die industrielle Prozesswärme benötige eine Vorlaufzeit von rund fünf Jahren. Wie die zu überstehen sei, ist unklar. Da bleibt es wohl bei den Aktivitäten des Status Quo? Denn an eine Entwicklung des MFH-Bereichs, vor allem hin zu Standardlösungen, glaubt der Entwurf ja nicht. Warum? Ist halt so.
Hoffnung Direktvertrieb
Wenden wir uns der Frage zu, wie die Prozesswärme zur Rolle des Engels, der die Branche retten wird, kommen konnte. Die Antwort liegt im Zauberwörtchen „Direktvertrieb“. Solare Prozesswärme könne und solle im Direktvertrieb an die Industrie gebracht werden. Man spürt beim Lesen förmlich das Aufstöhnen über den dreistufigen Vertrieb in den traditionellen Segmenten. Natürlich könne man davon nicht los kommen, aber im zukünftigen Betätigungsfeld ließe sich das von Anfang an vermeiden. Endlich eine Chance von diesem mühseligen Geschäft weg zu kommen. Breit wird darauf eingegangen, dass die Herstellungskosten einer solarthermischen Anlage ca. ein Viertel des Endpreises ausmachten. Die anderen drei Viertel entfielen vor allem auf Fachgroßhandel und Handwerk. Das größte Kostensenkungspotenzial bestehe im Vermeiden oder Umgehen von Fachgroßhandel und Handwerk. Darüber ließe sich auch eine drastische Senkung der Amortisationszeiten in Richtung fünf Jahre erreichen.
Quo Vadis Solarthermie
Betrachtet man das Ergebnis von immerhin 160 Folienseiten, entsteht der Eindruck, hier hat sich jemand die Welt so zusammen geträumt, wie er sie gerne hätte. Die industrielle Prozesswärme erscheint wie ein unbestelltes Feld, das man nur in Besitz zu nehmen bräuchte. Dass auch hier Wettbewerb herrscht und zudem die Prozesswärme als Wärmequelle in Konkurrenz auch zur Solarwärme treten könnte, wird offenbar nicht in Erwägung gezogen.
Dieser Entwurf einer Roadmap bietet keine Bestandsaufnahme der Hintergründe und Fehler, die zur aktuellen Bredouille geführt haben. Kein Gedanke daran, dass die solarthermischen Anlagen angesichts neuer Brennwerttechniken noch nicht gut genug sein könnten, trotz galoppierender fossiler Brennstoffpreise. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die unterschiedliche Entwicklung der sogenannten Standardanlagen mit Kurzzeitspeicher und der großen solarthermischen Anlagen nicht einmal im Ansatz thematisiert wird. Verfolgen die einen nach wie vor die Speicherung von Brauchwasser als konzeptionellen Mittel- und Ausgangspunkt, beginnen die anderen sich davon zu lösen und sehen die Speicherung von Heizwärme im Zentrum des Geschehens. Die höheren Wirkungsgrade bei modernen solarthermischen Großanlagen und deren niedrigere Wärmegestehungskosten scheinen den Autoren der Roadmap bedeutungslos, deren technische und wirtschafte Dynamik und Potenzial, gerade auch im Zusammenhang mit Langzeit- und Saisonspeichern, bleiben unbemerkt. Keine Idee davon, dass die Situation der Solarwärmehersteller mit diesem Denkgebäude eher schlechter als besser zu werden verspricht.
Dieser Versuch einer Roadmap Solarwärme mag dem BSW nicht zur Ehre gereichen, es ist aber nicht zu erwarten, dass er das Handeln aller Branchenunternehmen bestimmt. Nach 1,6 Mio. verkaufter solarthermischer Anlagen, dürfte es genügend Hersteller geben, die einen lukrativen Markt in den verbleibenden 16,5 Mio. deutschen Wohngebäuden sehen. Und die überzeugt sind, dass mit leistungsfähigen und kostengünstigen Anlagen der Wettbewerb gegen die Fossilen doch noch gewonnen werden kann. Auch wenn von einigen liebgewordenen Lehrmeinungen Abschied genommen werden müsste.
Klaus Oberzig