Solare Prozesswärme im Fahrradrahmenbau
Bam-Bi: Nachhaltige Verarbeitungvon Bambusstangen für den Fahrradrahmenbau
Die Initiative „Bam-Bi“, bestehend aus vier Fahrradenthusiasten aus Freiburg, hat es sich zum Ziel gesetzt, Fahrräder nachhaltig herzustellen.
Vor dem Hintergrund der Energiewende soll gezeigt werden, dass es möglich ist, hochwertige und anspruchsvolle Produkte aus regionalen, nachwachsenden Materialien zu produzieren. Die Energie für die Prozesse in der Herstellung soll aus erneuerbaren Quellen stammen, unter anderem mit einer solarthermischen Prozesswärmeanlage.
Dass dies im Prinzip funktionieren kann, wurde an einem Prototyp gezeigt. Der Fahrradrahmen wurde aus regional und ökologisch angebautem Bambus hergestellt. Getrocknet und getempert wurde der Bambus in einem Ofen, der von Vakuumröhrenluftkollektoren solar beheizt wird. Die Verbindungen des Rahmens bestehen aus naturfaserverstärktem Kunststoff (NFK).
Derzeit werden in experimenteller Arbeit am Beispiel Fahrrad Möglichkeiten aufgezeigt, mit Energie und Rohstoffen nachhaltig umzugehen. Mittelfristig sollen die gefunden Lösungen in kommerziell konkurrenzfähige Verfahren umgesetzt werden, um einen Beitrag zur Energie- und Rohstoffwende leisten zu können.
Solaranlage für Bambusfahrräder
„Bam-Bi“ betreibt in Bötzingen am Kaiserstuhl unweit von Freiburg eine solarthermische Vakuumröhrenkollektoranlage, um Bambus zu trocknen und zu tempern. Die Trocknung von Bambus und das Tempern der Bambusstangen bei hohen Temperaturen ist notwendig, um den Bambus zu Rahmenteile verarbeiten zu können. Zu diesem Zweck wurde ein spezieller Ofen konstruiert, der von seinen Dimensionen her in der Lage ist, Stangen für den Fahrradrahmenbau aufzunehmen. Durch einen speziellen Einströmkanal wird eine hinreichende Homogenität der Luftströmung und der Temperaturverteilung erreicht.
Beheizt wird der Ofen von 24 m2
Vakuumröhrenluftkollektoren (Bruttofläche). Der Kollektor verbindet das Wärmetransportmedium Luft mit Vakuumröhren, mit denen sehr hohe Betriebstemperaturen erzielt werden können. Die Anlage bietet die Möglichkeit in einem offenen Kreis bei Temperaturen von 70 bis 140 °C Material zu trocknen, um so die Feuchte aus dem Bambus auszutreiben Der Kollektorkreis kann geschlossen werden, um Material bei 180 °C zu tempern.
Über einen im Kreis integrierten Wärmetauscher kann Überschusswärme an einen externen Speicher übergeben werden. Der Ofen und der Kollektor sind mit Temperaturfühlern ausgestattet. Der Prozess kann durch
- die Drehzahl des Ventilators
- eine Klappe, über die Frischluft angesaugt wird
- einen elektrischen Nachheizer
über einen weiten Temperaturbereich geregelt werden.
Hoher Nutzungsgrad durch Prozesswärme
Der Vorteil von solarthermischen Anlagen, die in industrielle Prozesse integriert werden, ist, dass bei geeigneter Auslegung ein hoher Nutzungsgrad der solar bereitgestellten Wärme und damit ein wirtschaftlicher Betrieb erreicht werden kann.
Hierfür ist wichtig, dass das Kollektorfeld so zu dem entsprechenden Prozess dimensioniert wird, dass der größte Teil der Sonnenwärme abgenommen werden kann. Der Prozess sollte nach Möglichkeit regelmäßigen bzw. täglichen Wärmebedarf aufweisen. Dadurch kann, wann immer solare Wärme bereitgestellt wird, diese eingespeist werden. Wenn die Solaranlage für den wirtschaftlich optimalen Fall, also eine 100 prozentige Deckung im Sommer ausgelegt ist, wird im Winter der Deckungsgrad naturgemäß geringer ausfallen.
Das bedeutet, dass die Solaranlage einen Teil des gesamten Wärmebedarfs bereitstellt und somit in der Regel nur als Zusatzheizung fungiert und im Sommer viel und im Winter wenig einspeist. Der andere Teil der Wärme muss aus einer weiteren Quelle zugeführt werden. Je nach Prozess kann somit nur bedingt ein hoher solarer Deckungsgrad erzielt werden. In der Regel sind die beiden Parameter „Nutzungsgrad“ (= Wirtschaftlichkeit) und „Deckungsgrad“ (= Nachhaltigkeit) gegenläufig und es wird häufig ein Kompromiss zu Gunsten der Kosten eingegangen.
Dies ließe sich durch langfristige Planung und unter Einbeziehung eines gesamten Jahreszykluses optimieren.
Im konkreten Beispiel wird der Bambus im Herbst geerntet. Im Winter wird er luft(vor-)getrocknet und im Sommerhalbjahr wird im Solarofen Restfeuchte ausgetrieben und getempert. Für die im Winter anfallende Wärme, die nicht für den Prozess benötigt wird, ist ein Wärmeübertrager in den Heizkreis eines angrenzenden Wohnhauses integriert.
Die ausgeführte Bambustemperanlage mit Nutzungsschwerpunkt im Sommer in Kombination mit Raumwärmebereitstellung im Winter stellt also ein sehr positives Beispiel für den nachhaltigen und wirtschaftlichen Einsatz der Solarthermie mit sehr hohem solaren Nutzungs- und Deckungsgrad dar.
Erschließung weiterer Anwendungsfelder der Solarthermie mit Hilfe von Vakuumröhrenluftkollektoren
Wichtig für den oben beschriebenen Temperprozess ist, dass punktuell Lufttemperaturen von 180 °C im Ofen angefahren werden können. Der hier verwendete Luftkollektor bietet hierzu die technischen Möglichkeiten.
Vergleichbare Lufttemperaturen mit flüssigkeitsführenden Kollektoren bereitzustellen, würde einen erheblichen technischen Mehraufwand bedeuten. So verhält sich der Luftkollektor in Stillstandsphasen, in der die Anlage beispielsweise beladen oder entladen wird, vollkommen unproblematisch. Außerdem ist kein Frostschutz oder eine sekundäre verlustbehaftete Wärmeübertragung auf die Trocknungsluft notwendig, da diese direkt im Kollektor erwärmt wird.
Ideal geeignet ist der Kollektor für thermische Prozesse bei Temperaturen zwischen 90 und 120°C. In diesem Temperaturbereich arbeitet der Kollektor immer noch bei einem hohen Wirkungsgrad. Prozesse, bei denen heiße Luft direkt benötigt wird, sind geradezu prädestiniert. Im Folgenden sind einige weitere Anwendungsmöglichkeiten aufgeführt:
- Prozesslufttrocknung in der chemischen und pharmazeutischen Industrie
- Temperprozesse (z. B. Holz, Kunststoffteile)
- Trocknung (z. B. Lebensmittel, Holz, Lagerräume)
- alle herkömmlichen solaren Anwendungen die auf Grund eines hohen solaren Deckungsgrades oder/und einem diskontinuierlichen Produktionsprozess (Produktionspause am Wochenende) von der besonderen Stillstandssicherheit des Kollektors profitieren.
Die Vakuumröhrenluftkollektoren können somit einen Nachhaltigkeitsbaustein darstellen, um in industriellen Prozessen unabhängiger von fossilen Energieträgern zu werden.
Ausblick
Um den Trocknungsprozess weiter zu optimieren, soll in naher Zukunft ein Sorptionsspeicher in das System eingebunden werden. Tagsüber wird bei hohen Temperaturen das Sorptionsmaterial regeneriert und mit der Restwärme der Bambus bei moderaten Temperaturen entfeuchtet. Nachts wird die Trocknungsluft über den Sorptionsspeicher geführt. Der Trocknungsprozess läuft dann mit kalter Luft bei sehr geringer Luftfeuchtigkeit ab.
Diese Maßnahme soll zum einen die Trocknungszeit pro Tag erhöhen und zum anderen eine besonders schonende Trocknung für die Bambusstangen ermöglichen.
Zusammenfassung
Mit der Solarthermischen Vakuumröhren-Luftkollektoranlage kann ein Fertigungsprozess für die thermische Behandlung von Bambus wirtschaftlich und nachhaltig betrieben werden.
Mit dem ersten Prototypen eines Fahrrads mit Bambusrahmen wurde 2011 eine Teststrecke über 3.700 km von Freiburg nach Istanbul zurückgelegt. Das fertige Fahrrad besticht außer der ökologischen Komponente durch:
- Hohen Fahrkomfort, da der Bambus auf sehr angenehme Weise kleine Stöße durch Straßenunebenheiten dämpft.
- Die besondere Ästhetik durch die organische Form der Rohre und der Rohrverbindungen.
Es hat sich eindrucksvoll bestätigt, dass es möglich ist, einen komplexen Produktionsprozess wie den Bau eines Fahrradrahmens ohne Abstriche in der Funktionalität umzustellen auf nachwachsende Rohstoffe und Erneuerbare Energien.
Wolfgang Striewe