Traue keinem Energiewendehals
Die gegenwärtig kursierenden Prognosen zur Entwicklung von Energiepreisen lassen sich nur schwer einschätzen, zu unterschiedlich sind die Ergebnisse der Experten. Wissenschaftler und Politiker orakeln scheinbar um die Wette. Das ganze erinnert mehr an transzendente Weissagung als an fundierte Wissenschaft. Dabei wäre es wichtig mehr Klarheit zu bekommen. Aber vielleicht ist da ja genau der Grund für die Unschärfe der Veröffentlichungen.
Alles wird teurer!
Die knapper und somit immer teurer werdenden Rohstoffe sind nach wie vor Grundlage unserer Energieversorgung. Passend zu dieser Erkenntnis kann man momentan, analog zur staatlich ausgerufenen Energiewende, forsche Töne vernehmen. Im Gegensatz zu früher, als Gedankenspiele zu künftigen Benzinpreisen so manche Parteienkrise verursachten, wird jetzt von den konträren politischen Kräften Angst geschürt, galoppierende Energiepreise scheinen unausweichlich. Allem voran wird die Energiewende als Preistreiber gebrandmarkt. Auch wenn die eigenen Statistiken anderes offenbaren, sollen vor allem die steigenden Abgaben für Sonne, Wind und Biomasse Schuld an den in die Höhe getriebenen Preisen sein. Interessant: Selbst das Haus Rösler (BMWi) bestätigt, dass sich der Strompreis innerhalb von nicht mal zehn Jahren mehr als verdoppelt hat, obwohl die Umlage für Erneuerbare Energien im gleichen Zeitraum nur um wenige Cent stieg 1).
Woran liegt das? Ist es die ausufernde Befreiung für immer mehr Unternehmen von EEG-Umlage und Netzentgelten oder sind es die satten Gewinne der großen Vier? Fußt alles gar auf die immer wieder gern verdrängten Konsequenzen endlicher Ressourcen? Seit Jahren wird z.B. darüber debattiert wann der Peak Oil kommen wird oder ob er bereits erreicht wurde. Der Ölpreis, so das oftmals geäußerte Argument, wird vor allem durch Hasardeure in die Höhe getrieben. Steuern, geldgierige Ölkonzerne und nicht zuletzt nimmersatte arabische Scheichs tun ihr Übriges. Dass es sich gerade mit knappen Gütern ausgezeichnet spekulieren kann, lässt man dabei gerne außen vor. Noch immer werden bei uns Strom und Wärme überwiegend aus fossilen Rohstoffen erzeugt – und die gehen zur Neige.Hans-Georg Babies von der wirtschaftsnahen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe äußerte erst vor kurzem: „Die Förderung von konventionellem Erdöl hat ein Maximum überschritten“. Das gleiche gilt natürlich auch für Erdgas.
Oder wird es doch günstiger?
Aber es könnte auch anders kommen: In so mancher Studie renommierter Institute ist zu lesen, dass wir den Ölpreis-Peak (nicht zu verwechseln mit Peak Oil) bereits hinter uns gelassen haben. Auch wenn man es nicht glauben mag, die Forschungsstelle für Energiewirtschaft rechnet in Ihrem Szenario Energiezukunft 2050 (Auftraggeber: EnBW, E.ON, RWE und Vattenfall) ab 2010 mit einem stetig fallenden Rohölpreis, im Jahr 2050 landet man bei 79 US$ pro Barrel Rohöl. Und es geht noch dreister: Die einflussreichen Unternehmensberater von McKinsey prognostizieren für 2020 gerademal 52 und 2030 gerade mal 59 US$. Das ist beruhigend, befreit es uns doch von vielen unbequemen Energiesparmaßnehmen. Vertraut man den Zahlen von McKinsey werden sich viele von diesen ohnehin nicht rechnen.
Am wenigsten traut man den Erneuerbaren zu, einen preisdämpfenden Einfluss zu haben. Daran ändert auch die bereits vor längerem von Seiten der Bundesnetzagentur veröffentlichte Meldung, dass deren steigende Anteil am Strom-Mix durch den Merit-Order Effekt eine dämpfende Wirkung auf die Großhandelspreise für Strom hat, nichts. Das liegt sicherlich auch daran, dass davon bislang nichts an die Verbraucher weitergereicht wurde, ganz im Gegenteil. Erneuerbare Energien, so die übliche Vorgehensweise, werden gerne als Grund für die jeweilige Preiserhöhung angeführt. Fast schon anachronistisch muten in dem Zusammenhang die Vorschläge von Eon-Vorstand Teyssen an, staatliche Zuschüsse für Geringverdiener einzuführen. Auch Umweltminister Altmaier hat eine Lösung parat: Wenn es nach ihm ginge, sollte jeder Bürger innerhalb von sechs Monaten eine fachkundige Energieberatung erhalten, denn „Wenn der Preis um drei Prozent steigt, bleibt die Rechnung die alte, wenn man gleichviel Strom einspart“.
Von Kampagnen und Medienmonotonie
Das eigentlich traurige an der Diskussion ist, dass in der Medienlandschaft überwiegend die gleichen Halbwahrheiten erscheinen. Ist es mangelnde Sorgfaltspflicht bei der Recherche oder einfach nur gut gemachte Kampagnenarbeit? Die Budgets für „Aufklärungsarbeit“ der nach wie vor gut situierten Energieversorger sind ganz offensichtlich reich bestückt. Das erklärt aber noch lange nicht, weshalb z.B. immer wieder unkritisch von den 4.000 Kilometer neue Stromtrassen die Rede ist. Noch ist dieser Wunsch der Stromnetzbetreiber keine unumstößliche Tatsache.
Der Prozess der Energiewende muss deshalb weiterhin kritisch verfolgt werden. Es wäre fahrlässig, würde sich die Politik zu sehr von den Interessen der Energiewirtschaft leiten lassen. Im Übrigen ist immer nur von der Stromwende die Rede, die wesentlich höheren Preissteigerungsraten hatten wir in den letzten Dekaden bei der Wärmenergieversorgung.
1) Bereits im Heft 1/2011 hatten wir auf diesen Umstand hingewiesen
Matthias Hüttmann