3 Jahre Energymap.info
Die Energiewende ist seit vielen Jahren in vollem Gang, doch wahre Transparenz über die Entwicklung gibt es auch heute noch nicht. geltende Gesetze werden faktisch nicht befolgt.
Im August 2009 gab es den ersten Datenimport in die EnergyMap. Das Projekt sollte regionalen Akteuren eine Möglichkeit bieten, die Erfolge der örtlichen Energiewende im Stromnetz mit Zahlen bewerten zu können. Gleichzeitig sollte die vom Gesetzgeber gewünschte Transparenz bei der Zusammensetzung der EEG-Umlage hergestellt werden, da ein im Gesetz vorgesehenes, öffentliches Anlagenregister immer noch nicht in greifbarer Nähe war.
Über diese politischen und auch über einige der technischen Hintergründe unserer Webseite www.energymap.info hatten wir bereits in der SONNENENERGIE 05-2009 ausführlich berichtet. Doch nun, nach annähernd drei Jahren, gilt es eine kleine Zwischenbilanz zu ziehen.
Transparenz wird immer wichtiger
Im Schnitt haben wir alle vier Monate eine Aktualisierung des Datenbestandes vorgenommen. Hierbei werden jedes Mal auf der Basis der jeweils aktuellen Meldedaten der vier Übertragungsnetzbetreiber, für rund 60.000 geographische Regionen gut 100 Millionen statistische Kennzahlen berechnet. Diese wiederum werden in Balkendiagrammen grafisch in mehreren Arten aufbereitet und gleichzeitig in von Computern lesbarer Form (CSV-Dateinen) zur weiteren Auswertung kostenlos im Internet bereitgestellt.
Die Grafiken 1 bis 4 basieren auf dem Datenbestand vom 23.5.2012 und zeigen die jeweilige Auswertung für die gesamte Bundesrepubilk Deutschland. Sie dienen hier als exemplarische Beispiele für die verfügbaren Auswertungen. In den Erläuterungen zu den unteren Grafiken haben wir auch gleich auf einige der sichtbaren Phänomene bzw. Probleme hingewiesen.
Die turbulenten Novellen des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) in den Jahren 2011 und 2012 haben gezeigt, dass der im Gesetz verankerte Anspruch auf Transparenz immer wichtiger wird.
Zum einen wird in den Regionen sehr intensiv über die Vor- und Nachteile einer Energiewende diskutiert. Doch erst seit der EnergyMap sind auch für kleine Regionen (Landkreise, Gemeinden) individuelle Statistiken verfügbar.
Auf der Ebene der großen Politik ist Transparenz auf der Basis „unverzüglicher EEG-Meldungen“ deshalb wichtig, weil sich die Erneuerbaren so erfreulich schnell entwickeln und damit aber auch die politische Debatte in immer kürzeren Zeitabschnitten auf die Tagesordnung kommt. Vor allem, wenn es bei Solarstromanlagen um die Frage der Kopplung der Vergütungszahlungen an den aktuellen Zubau geht, wird es immer wichtiger zu wissen, wie dieser Zubau wirklich aussieht. Probleme gibt es alleine vor diesem Hintergrund mehr als genug (siehe Kasten).
Zahlreiche Nutzer
Alle Daten auf denen die EnergyMap aufbaut, als auch die daraus abgeleiteten Kenndaten stehen zum kostenlosen Download für jeden Bürger dieser Welt zur Verfügung. Wir verstehen das Angebot der EnergyMap auch als unseren Beitrag zur globalen OpenData Bewegung, die für mehr Transparenz in der modernen Demokratie sorgen will.
Die Zugriffszahlen auf die EnergyMap steigen auf jeden Fall ständig an. Zu den Nutzern zählen …
- interessierte Bürgerinnen und Bürger, die sich z.B. in der Energiewendedebatte vor Ort einbringen.
- Unternehmer und Planer, die z.B. EE-freundliche Gemeinden für zukünftige Projekte suchen.
- engagierte Bürgermeister und Klimaschutzbeauftragte von Kommunen.
- Mitarbeiter von Behörden, die z.B. an Klimaschutzfahrplänen oder in der Regionalplanung mitwirken.
- Berater aus Landwirtschaftsämtern, die z.B. ein regionales Monitoring zum Zubau von Biogasanlagen oder zur Optimierung der Abwärmenutzung durchführen.
- Studenten und Angestellte von Forschungseinrichtungen, die z.B. regionale Wirtschaftseffekte der Energiewende untersuchen oder Netzausbaupläne simulieren.
Auch aus dem europäischen Ausland und selbst aus Übersee erreichen uns Anfragen. Dort will man den Erfolg der Erneuerbaren in Deutschland studieren.
Faktische Intransparenz
Die sinnvollen Anwendungen der EEG-Meldedaten reichen weit über die Nachvollziehbarkeit der historischen EEG-Zahlungen hinaus. Es geht auch um die Prognose und Planung der zukünftigen Schritte einer Energiewende. Doch die bestehende Intransparenz ist weiterhin ein ernst zu nehmendes Hemmnis. Zu den größten Probleme zählen wir derzeit:
- Anlagen werden nicht unverzüglich gemeldet. Der Versatz liegt nicht selten bei gut 6 Monaten und mehr.
- Es gibt keine vollständigen Bewegungsdaten. Dies verhindert nicht nur die gesetzlich geforderte Nachvollziehbarkeit der EEG-Umlage. Die fehlenden Vergütungsschlüssel machen auch die Erkennng der Anlagenklassen nahezu unmöglich (Biogas mit oder ohne Gaseinspeisung? etc. pp.).
- Keine genauen Angaben zum Tag der Inbetriebnahme. Damit sind zukünftige Degressionsschritte bei Vergütungen nicht nachvollziehbar bzw. vorhersagbar.
- Es werden (vermutlich überall) nur die Netzanschlusspunkte veröffentlicht, aber nicht die gesetzlich geforderten Anlagenstandorte. Damit ist oft keine genaue regionale Zuordnung möglich und vor allem keine Überprüfung der Meldedaten durchführbar.
Eine noch detailliertere Aufstellung der Probleme ist auf der Webseite der EnergyMap verfügbar, da diese mit jeder Aktualisierung dokumentiert werden.
Absurdistan
Eigentlich hätten wir erwartet, dass unsere Dokumentation der Intransparenz und der Missachtung von geltenden Gesetzen bei Bundes- und Landesregierungen als auch den zuständigen Behörden zu den notwendigen Schritten führen würde, um diese Missstände abzustellen. Zugegeben … wir waren da etwas naiv.
In den Ministerien ist man offenbar der Auffassung, dass die Daten „gut genug sind“. Ein Umweltminister erklärte uns z.B., dass er doch alle Daten hätte, die er braucht. Wer braucht da schon Gesetze?
Viele Mitarbeiter in den Universitäten sind über die Datenqualität genauso verwundert wie wir. Doch offiziell beschweren will sich niemand. Weil man von den Forschungsgeldern der Ministerien lebt? Wes’ Brot ich ess’, des’ Lied ich sing?
Anders als wir es erwartet hätten richteten sich die Beschwerden sogar eher gegen uns. So wurden wir z.B. eines Verstoßes gegen das „SI-Einheitengesetz“ bezichtigt. Ungerechtfertigt, wie das Berliner Landesamt für Mess- und Eichwesen bestätigte.
Auch die Verletzung des Datenschutzes wurde uns mehrfach vorgeworfen. Ungerechtfertigt, wie z.B. das bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht feststellte. Schliesslich setzen wir mit der EnergyMap doch nur eine gesetzliche Transparenzforderung in die Praxis um.
Dass aber auch Netzbetreiber reichlich Spaß haben, zeigt sich nicht nur daran, dass diese unzählige Anlagen mit mehr als 8.760 Betriebsstunden melden (mehr Stunden hat ein Jahr aber gar nicht). Auch der Umstand, dass es für den morgigen Tag an der Leipziger Strombörse für den PV-Strom wieder eine „exakte“ Einspeiseprognose im 15 Minuten Takt geben wird, ist lustig. Denn die wissen ja faktisch gar nicht, wie viele Anlagen morgen am Netz hängen … OK, plus minus 5 oder 10 Gigawatt.
Die haben Humor.
Wo sind die 7,5 Gigawatt?
Eines der zentralen Themen unserer EnergyMap ist die Überprüfung der offziellen Zubauzahlen.
Im Januar 2012 wurde von der Bundesnetzagentur für das Jahr 2011 ein Rekordzubau von 7,5 Gigawatt Solarstrom verkündet und prompt wurde die politische Debatte zur radikalen Bescheidung des PV-Marktes losgetreten. Doch weder die BNetzA noch unsere Bundestagsabgeordneten oder wir, die Bürger dieses Landes, können diese Zahl überprüfen, weil niemand wirklich „vor Ort“ bei den Anlagen war. Dennoch wurden die Angaben von der BNetzA im März noch Mal bestätigt.
Bei unserer Überprüfung dieser Prognose konnten wir jedoch keine Bestätigung für diesen Zubau finden. In den offiziellen Standortregistern der Netzbetreiber waren Ende Februar 2012 für das Jahr 2011 weniger als 4,0 Gigawatt durch Standorte nachgewiesen. Als Begründung wurde gerne die Arbeitsüberlastung bei den Netzbetreibern genannt. Diese waren offensichtlich nicht in der Lage die Meldungen der Handwerker schnell genug abzutippen.
Doch leider waren auch in den Meldungen der Netzbetreiber von Mitte Mai 2012 nur 5,2 Gigawatt real nachgewiesen. Weitere 0,5 GW laufen offiziell unter der Überschrift „Fiktiv“ oder „Dummy“. Diese Anlagen kann es vielleicht wirklich geben, aber niemand kann derzeit genau sagen wo.
Das Problem ist, dass selbst heute, ein halbes Jahr nach dem Ende von 2011, noch immer niemand den angeblichen Rekordzubau der PV nachprüfen kann.
Tomi Engel