Verluste durch Einstrahlungsüberhöhungen?
Analyse meteorologischer Eingangsgrößen für Solaranlagen in hoch aufgelösten Datensätzen: Bei der Systemauslegung von Photovoltaikanlagen müssen die Komponenten wie Wechselrichter und PV-Generator, unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten sowie Betriebsparameter, so gewählt werden, dass sie optimal zu einander passen. Spezielle Wettersituationen wie fluktuierende Einstrahlung, verursacht durch Wolkenwechsel, werden meist nicht berücksichtigt.
Bei dem Ausbau Erneuerbarer Energien ist wie für jeden Bereich, auch für die Photovoltaik eine stetige Weiterentwicklung der Systemkomponenten wichtig. Jede dieser Komponenten wird innerhalb einer Anlage, eines Systems verbaut. Eine ausgezeichnete Komponentenfunktionalität nutzt aber nichts wenn die Integration in das System unzureichend ist. Die dazu notwendige optimale Systemauslegung kann nach energetischen oder betriebswirtschaftlichen Kriterien erfolgen. PV-Module sind dabei so zu einem Generator zu verschalten, dass die Betriebsbereiche der Systemkomponenten PV-Generator und Wechselrichter nach Festlegung der Kriterien optimal zueinander passen. Die Suche nach der Variante mit dem höchsten Ertrag oder der betriebswirtschaftlich sinnvollsten Lösung geschieht auf Basis standortspezifischer Wetterprofile und den Gegebenheiten vor Ort. Charakteristische Betriebsbereiche und Betriebssituationen müssen berücksichtigt werden. So wird häufig davon ausgegangen, dass im mitteleuropäischen Raum die PV-Generatorleistung nicht über der bei Standardtestbedingungen (STC) liegt. Ferner wird davon ausgegangen, dass an unbewölkten Tagen mit strahlend blauem Himmel, die größten Leistungswerte zu erzielen sind. Das dem nicht so ist konnte bereits durch die systematische Analyse der 1997 fertiggestellten und damals weltweit größten Aufdachanlage (1 MWp, München, Deutschland) festgestellt werden. So wurden häufig deutliche und wiederholt auftretende Einstrahlungsüberhöhungen (Irradiance Enhancement, IE) identifiziert. Hierbei handelt es sich um Werte der Strahlungsleistung, die in ihrer Größe über denen bei klarer Atmosphäre, also wolkenfreiem Himmel liegen. Diese Analysen wurden durch eine sehr hohe zeitliche Auflösung dieser Messdaten (Sekundenmesswerte) möglich.. In diesem Artikel wird dieser identifizierte Irradiation Enhancement Effekt und dessen meteorologischer Hintergrund erläutert. Außerdem werden Aussagen über die Häufigkeit des Auftretens und dessen Jahresverlauf gemacht. Der Irradiation Enhancement Effekt hat Einfluss auf PV-Systemverhalten. Eine zu kleine Bemessung des Wechselrichters führt zu Leistungseinbußen. Denn um den maximalen energetischen Ertrag zu erzielen müssen die Wechselrichter ausreichend groß dimensioniert werden. Da moderne Wechselrichter auch im Teillastbereich hohe Wirkungsgrade haben, ist eine Überdimensionierung der Wechselrichterleistung gegenüber der PV-Generatorleistung aus energetischer Sicht sinnvoll argumentierbar.
Meteorologischer Hintergrund
Einstrahlungsüberhöhungen sind Ereignisse, bei denen die Werte der Strahlungsdichte über den zugehörigen theoretisch berechneten Leistungswerten bei klarer Atmosphäre, also dem sogenannten Clear-Sky-Tag liegen. Diese Einstrahlungsspitzen, liegen in ihrer Größenordnung teilweise sogar über der Solarkonstante und sind in der Meteorologie in bestimmten Spektralbereichen bekannt und dort auch ergründet worden.
Verursacht werden die erhöhten Globalstrahlungswerte im Wesentlichen durch Reflexion an Kumuluswolken (Haufen-, Quell- oder Schäfchenwolken). Sie bilden sich manchmal in Reihen (Wolkenbahnen) parallel zur Windrichtung. Kumuluswolken erscheinen als isolierte und durchweg dichte Wolken, die in der Vertikalen blumenkohlartige Formen annehmen. Die Untergrenze verläuft relativ glatt und fast horizontal am Kondensationsniveau entlang. Durch den Eigenschatten ist die Wolkenbasis leicht abgedunkelt. Die von der Sonne beschienenen Wolkenteile leuchten meist sehr weiß durch Strahlungsreflexionen. Kumuluswolken gehören zur Familie der tiefen Wolken und befinden sich zumeist im Bereich bis 2 km Höhe. Dort können sie eine Verweilzeit von bis zu 30 min aufweisen, sich in unter 10 Minuten bilden und genauso schnell verschwinden. Da die Wolken häufig in ihrer Höhe unter der 0°C Grenze liegen, bestehen sie meist aus Wassertröpfchen. Dadurch heben sich die Ränder scharf gegen den Hintergrund ab. Die Konturen der Wolke führen somit zu Strahlungsreflektionen und damit zu den genannten Einstrahlungsüberhöhungen.
Da Einstrahlungsüberhöhungen in ihrer Dauer im Sekunden- und Minutenbereich liegen, sind hochaufgelöste Messdaten die Voraussetzung um diesen Effekt zu analysieren. Durch eine geringere zeitliche Auflösung der Einstrahlungsmesswerte werden die Einstrahlungsüberhöhungen statistisch herausgemittelt. Dies führte dazu, dass der Effekt lange nicht entdeckt wurde, bzw. als unbedeutend angesehen war.
Der Irradiation Enhancement Effekt
Basis der folgenden Analysen sind Messdatensätze des Solarenergiefördervereins Bayern, der 1 MW-Anlage der Neuen Messe München und des Meteorologischen Instituts der Universität München. Betrachtet man die Globalstrahlungswerte GHor, aufgetragen über den zeitlichen Verlauf eines Tages, so bilden sich unterschiedliche Profile. Für einen unbewölkten Tag entsteht die typische gaußsche Glockenkurve mit ihrem Maximum zum höchsten Sonnenstand in der Mittagszeit. Der Maximalwert beträgt etwa 930 W/m2. Das Profil eines von Kumuluswolken gesäumten Tages (8. Juli 2009, in blau) unterscheidet sich hingegen deutlich im Verlauf von dem eines Clear Sky Tages. Neben vielen, vereinzelt auch längeren Einstrahlungsspitzen, wurde ein Anwachsen der Maximalwerte von 900 W/m2 um 8 Uhr, bis zu einem Maximum von 1.260 W/m2 aufgezeichnet. Durch die Wolkenbewegung und deren Schattenwurf kommt es im Wechsel zu Einstrahlungsüberhöhungen und Einstrahlungseinbrüchen auf dem Sensor.
Neben der Einstrahlungsstärke ist die Modultemperatur eine weitere wichtige Einflussgröße. Durch den hohen negativen Temperaturkoeffizient der Spannung und den geringen positiven Temperaturkoeffizient des Stroms, wird maßgeblich die Leistung eines Moduls beeinflusst. Demnach sollen die Sekundenmesswerte der Modul und Umgebungstemperatur für die zugehörigen Einstrahlungswerte in Bild 3 betrachtet werden. Für den Clear Sky Tag (27. Juli 2009) sind in hellrot die Umgebungstemperaturwerte dargestellt. Es entsteht ein Hystereseverlauf. Mit steigendem Sonnenstand erhöht sich die Strahlungsleistung, wodurch die Umgebungstemperatur kontinuierlich ansteigt. Durch das nun erhöhte Temperaturniveau sinkt die Umgebungstemperatur nun auf einem erhöhten Level mit fallenden Einstrahlungswerten. Über Nacht kühlt die Umgebungstemperatur wieder auf das Ausgangsniveau herunter. In Dunkelrot sind die Modultemperaturwerte dargestellt. Wegen der kontinuierlichen Bestrahlung erwärmen sich die Module auch mit dem Anstieg der Einstrahlung. Die Modultemperatur beträgt jedoch bis zu 64°C. Wegen der thermischen Masse der Module und der erhöhten Außentemperatur entsteht auch hier der Hystereseverlauf. Betrachtet man nun die Modultemperatur des Wolkentages vom 8. Juli 2009, so ist eine starke Streuung der Temperaturwerte zu erkennen. Dies ist auf den stetigen Wechsel von Bestrahlung und Verschattung der Module durch Wolkendurchzug zurückzuführen. Die Module können sich somit nicht so stark erhitzen wie bei einem Clear Sky Tag. Auch die Umgebungstemperatur bleibt relativ gering. Deutlich wird eine um bis zu dem Faktor 0,5 niedrigere Modultemperatur als an dem Tag mit Clear Sky Bedingungen. Durch die hohen Einstrahlungseinträge bei niedrigen Temperaturen können folglich deutlich höhere Leistungswerte der Module erreicht werden (bis zu 1,3 fache der angegebenen STC-Leistungswerte der Module).
Bild 4 zeigt einen typischen Tagesgang für einen exemplarischen Irradiance Enhancement Referenztag (30. Juli 2010) am Standort Braunschweig (Daten des DWD). Der IE-Effekt wird in seiner Wirkung auf den exemplarischen Tagesgang der Einstrahlungsdichte deutlich sichtbar. Gegenübergestellt wird der Tagesgang (rot) des mit dem Programm libRadtran gerechneten clear sky Tagesprofils. Die IE-Ereignisse sind in den hellblauen Kurvenanteilen über der roten Referenzkurve erkennbar. Der Tagesgang der Diffusstrahlung ist in dunkelblau dargestellt.
Jahresprofil der IE-Ereignisse
Wie häufig treten diese Einstrahlungsüberhöhungen nun auf und von welcher Dauer sind IE-Ereignisse? Mit Bild 5 wird für den Standort Dresden und das Jahr 2009 exemplarisch dargestellt zu welchen Tages- und Jahreszeiten sowie mit welchen Globalstrahlungswerten die Überhöhungen auftreten. Das Bild zeigt zunächst die mit libRadtran berechneten Isolinien der Globalstrahlungsleistung der Clear Sky Tagesgänge für Dresden im Jahresverlauf. Die x-Achse stellt den Zeitverlauf eines Kalenderjahres in Tagen dar. Die y-Achse indiziert hingegen die Zeit eines Tages in Minuten. Die größten Einstrahlungswerte treten in den Sommermonaten zur Mittagszeit auf. Sie liegen an einem Clear Sky Tag bei etwa 900 W/m2. Überlagert sind diese Isolinien nun mit den realen, gemessenen IE-Ereignissen des Standorts Dresden im Jahr 2009. Über die Farbskala werden den Messdaten dabei die jeweiligen Einstrahlungsstärken zugeordnet. Somit werden die IE-Ereignisse in ihrer Intensität, Dauer und Häufigkeit ersichtlich. Die Einstrahlungsüberhöhungen lassen sich sowohl über den ganzen Tages- als auch im gesamten Jahresverlauf nachweisen. Der Grafik ist auch zu entnehmen, dass überwiegend im Zeitraum zwischen Mitte April bis Ende August zu der Tageszeit zwischen 10 und 14 Uhr Einstrahlungswerte von über 900 W/m2 auftreten.
Quantifizierung von Einstrahlungsüberhöhungen in hoch aufgelösten DWD-Datensätzen
Der Deutsche Wetterdienst zeichnet deutschlandweit an verschiedenen Stationen im Bundesgebiet auch hoch aufgelöste energiemeteorologische Messdatensätze (Minutenmittelwerte) auf. Damit können bisherige IE-Untersuchungen flächendeckender durchgeführt werden (14 unterschiedliche Referenzstandorte).
Wie lassen sich Einstrahlungsüberhöhung quantifizieren? Bild 4 hilft bei der Darstellung der Vorgehensweise. Es werden jeweils zwei verschiedene Zahlenwerte verwendet. Sobald ein Einstrahlungsereignis dem IE-Effekt zugeordnet wird (Messwert liegt über dem gerechneten Clear Sky Wert, orange in Bild 4) wird sowohl dessen absoluter Wert verwendet (absolute value – AV), als auch der Differenzbetrag zum Clear Sky (above clear sky – AC). Integriert man diese zwei verschiedenen Zahlenwerte über ein Jahr hinweg jeweils auf, kann man die resultierenden zwei Energiesummen mit dem Jahresenergieeintrag für die DWD-Standorte vergleichen. Bild 6 zeigt die Rechenergebnisse für 2009 und 2010 an allen betrachteten DWD-Standorten (mit Stationskürzel auf der x-Achse). In dunkelblau sichtbar sind dabei jeweils die AV-Werte in Relation zum Jahresenergieeintrag. Die hellblauen Balken stehen für den prozentualen Anteil der AC-Werte am Jahresenergieeintrag. Sichtbar wird auch, dass Einstrahlungsüberhöhungen ein deutschlandweit, an allen untersuchten Stationen nachweisbarer Teil unseres Wettergeschehens sind.
Zusammenfassung und Ausblick
Einstrahlungsüberhöhungen sind Ereignisse bei denen die Strahlungsleistungen über dem zugehörigen theoretischen Wert des unbewölkten Tages liegen. Den additiven Energieeintrag erhält man durch die Reflexion an Kumuluswolken. Bei der Auslegung von PV-System sollten die Anlagenkomponenten, unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten sowie Betriebsparameter, so gewählt werden, dass sie auch Wettersituationen mit fluktuierender Strahlungsdichte berücksichtigen. PV-Module können unter IE-Bedingungen bis zu 30% mehr Leistung als unter Standardtestbedingungen erreichen.
Referenzen und Quellen
- Burger B., Rüther R., Inverter sizing of grid-connected photovoltaic systems in the light of local solar resource distribution characteristics and temperature, Solar Energy 80 (2006);
- Lovengreen C, Fuenzalida H, Videla L. On the spectral dependency of UV radiation enhancements due to clouds in Valdivia, Chile. Journal of Geophysical Research 2005;
- Solarenergieförderverein Bayern e.V., Messdatensätze der 1 MW PV-Anlage Neuen Messe München der Jahre 2001 bis 2011, www.sev-bayern.de;
- Meteorologisches Institut der Universität München, Messdatensätze der Jahre 2008 und 2009,www.meteo.physik.uni-muenchen.de
- Mayer, B. and Kylling, A., The libRadtran software package for radiative transfer calculations: Description and examples of use, journal acp, vol. 5, 2005
- Deutscher Wetterdienst, hoch aufgelöste meteorologische Messdatensätze und synoptische Meldungen für 16 Standorte im Bundesgebiet im Zeitraum 2007 bis 2010, www.dwd.de
Mike Zehner, Mario Moll und Moritz Czakalla