Solares Bauen in Smart Cities
Die Revolution des nachhaltigen urbanen Lebens soll in klimaneutralen und intelligenten Städten stattfinden: Weil zukünftig 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben werden, wird deren Umweltfreundlichkeit und Effizienz immer wichtiger. Verdichtete Städte und Megacities erzeugen auch Megaprobleme: Unersättlich verbrauchen sie Energie, Rohstoffe und Fläche, zudem produzieren sie Schadstoffe, Abwasserströme, Müllberge und überlastete Verkehrssysteme. Auch in Deutschland konzentriert sich der Energie- und Ressourcenverbrauch auf den urbanen Raum. 2011 lebten rund 75 Prozent der deutschen Bevölkerung in Städten.
Diesen Megaproblemen wird mit wirksamen, sogenannten „intelligenten“ umwelttechnologischen Stadtplanungs- und Sanierungslösungen und dem Neubau ganzer nachhaltiger Retortenstädte begegnet. Dabei ist die Definition, was unter einer „smarten“ oder „intelligenten“ Stadt zu verstehen ist noch gar nicht einheitlich gelöst. Deshalb werden häufig Begriffe wie die „klimaneutrale“, „CO2-neutrale“ oder schlicht „nachhaltige“ Stadt verwendet. Allen gemeinsam ist das Ziel, umweltbewusstes Leben und Arbeiten in Städten möglich zu machen. Solare Strahlungsenergie für die Strom- und Wärmeproduktion wird dabei für Gebäude, Kraftwerke und im Verkehrssektor verwendet, und ist interessant und effektiv für Neubau und Sanierung.
In Deutschland steht die Thematik Verdichtung von Städten, energetische Vernetzung und Optimierung der Infrastruktur für die umweltfreundlichere Nutzung von Städten im Vordergrund. In anderen Ländern, die über mehr Fläche verfügen und einen höheren Zulauf in Städte verzeichnen, ist es der Neubau ganzer Städte, wie z.B. in Japan, China und den Arabischen Emiraten. Prominentestes Beispiel ist Masdar-City, 15 Kilometer von Dubai entfernt. Das Milliarden Dollar Projekt soll 50.000 Menschen und 1.500 Firmen ein klimaneutrales Leben und Arbeiten ermöglichen. Wegweisend ist auch das japanische Panasonic-Projekt Fujisawa SST (Fujisawa Sustainable City), eine 3.000 Einwohner-Retortenstadt. Beide Projekte sollen der Welt, vor allem jedoch den Technologieanbietern Erkenntnisse über nachhaltiges urbanes Leben auf neuestem technologischen Stand bieten. Denn diese transformieren sich zu Energiemanagement-Systemanbieter. Panasonic will das bereits bis zum hundertjährigen Firmenjubiläum 2018 geschafft haben.
Betrachtet man diese Ziele, mutet die zögerliche Vorgehensweise der Bundesregierung aber auch der deutschen Technologieführer „verschlafen“ an. Nach vereinzelten Leuchtturmprojekten und Modellregionen in Deutschland startete die Bundesregierung nun Ende März den „Aktionsplan für die Hightech-Strategie 2020“, der die Weichen für die Umsetzung von insgesamt zehn Zukunftsprojekten stellt.
Die Morgenstadt
Eines der zehn Projekte ist die „Morgenstadt“, ein Handlungsmodell für die „CO2-neutrale, energieeffiziente und klimaangepasste Stadt“, den der multidisziplinäre Expertenkreis der Fraunhofer Gesellschaft für das Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF entwickelte. Das Zukunftsbild „Morgenstadt“, ist eine Antwort auf den Klimawandel, mit der Handlungsanweisungen erarbeitet und erforscht werden und Schlüsseltechnologien flächendeckend verbreitet und synchronisiert werden. Eingebunden ist das alles in das Wissenschaftsjahr 2012 das im Zeichen der Nachhaltigen Städte steht. Bürger sollen in Interaktion mit Wissenschaftlern einbezogen werden. Den Ergebnissen dieser „ZukunftsWerkStadt“ folgt die Förderinitiative, mit der sich Städte ab 2020 CO2-neutral und energieeffizient entwickeln können. Auch ein ökologischer Mietspiegel ist enthalten, der Interessenten signalisiert, welche Wohnungen ökologisch effizient gestaltet sind und Eigentümern Sanierungspotenziale aufzeigt. Die energetische Vernetzung soll landesweit Wirklichkeit werden. Nahwärmeversorgung, Kraftwärmekopplung und Solarenergie sollen systematisch ausgedehnt werden. Plusenergiehäuser und ihre Vernetzung mit Mobilitätslösungen werden mit Smart Metering und intelligenter Datenvernetzung integriert2). Ziel ist der Um- und Ausbau vorhandener Strukturen im Sinne des urbanen Netzwerks unter Einbeziehung des Umlandes. Knapp zwanzig Forscher aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik unterstützen dieses Projekt. Orientiert am „Energiekonzept 2050“ der Fraunhofer Institute werden Möglichkeiten und Bedingungen der Transformation des aktuellen Energiekonzepts hin zum „100 Prozent-regenerativen Energiekonzept Deutschland“ bis zum Jahre 2050 aufgezeigt und umgesetzt. Hervorgehoben werden die für bestehende Städte hohen Energieeffizienzpotentiale.
Nachdem die Präsidenten der Wirtschaftsverbände im Frühjahr 2012 von der Regierung ein klares Projektmanagement für die Energiewende forderten, könnte die „Morgenstadt auf der Umsetzungsebene nun wesentliche Entwicklungen in Deutschland bewirken.
Speichertechnologie für regenerativ erzeugte Energie
Gerade die Weiterentwicklung der Speichermöglichkeiten für regenerativ erzeugte Energie vergrößern die Einsatzmöglichkeiten für Sonnen- und Windenergie in Städten und stärken die autarke Energieversorgung z.B. von Plus-Energie-Häusern. Das ist wesentlich, denn nicht nur die großen Lösungen werden die Zukunft bestimmen, betont Dr. Eric Maiser Leiter des Forum E-Motive Batterieproduktion VDMA. Seiner Meinung nach werde der Energiesektor eine Grasswurzelentwicklung, ähnlich dem Internet erleben. Diese neue Energielandschaft der Zukunft werde von vielen kleinen Strom- bzw. Energieproduzenten, kleinen Energiespeichern und kleinen Energieabnehmern geprägt sein. Deshalb sei es nicht nur wichtig Großkraftwerke zu bauen, sondern auch die kleinen und autarken Einzellösungen zu vernetzen. Die Stadtwerke hält er für sehr gute, regionale Kooperationspartner, denn die großen Energieanbieter seien diesbezüglich noch zu „träge“. Welche Speichertechnologie sich durchsetzten werde, könne man so nicht sagen, betont Meiser, er vermute, dass aufgrund der Vielfalt der Anwendungen ein Mix an Speicherlösungen notwendig sei. Es sei jedoch klar, dass beispielsweise die Lithium-Ionen Batterietechnologie hinsichtlich Ihrer Effizienz und Preisentwicklung verbessert werden müsse. Die Automatisierung der Produktion spiele dabei eine große Rolle. Eric Meiser erwartet sich davon eine Preisentwicklung ähnlich der Photovoltaik. Auf einem Zeitstrahl bis 2020 strebe man an, die Preise für ein Kilowatt von 500 Euro auf 250 Euro abzusenken. Die Wasserstoffspeicherlösungen und Druckgasspeicher-Lösungen seien, in Verbindung mit Brennstoffzellen wichtige Lösungen für den Speichertechnologie-Mix.
Die hohe wirtschaftliche Bedeutung von Maßnahmen zur Energieeffizienzsteigerung im Gebäudebereich wird deutlich. Laut der „Energiekonzeption 2050“ der Fraunhofer Institute von 2010 wird der Weltenergiebedarf vor allem im Strombereich deutlich ansteigen. Photovoltaik und Solarthermie steuern ein wesentliches Energievolumen bei.
Die Weiterentwicklung der Speichertechnologie wird ganz wesentlich die flächendeckende Verwendung von Erneuerbaren Energien beeinflussen. Durch eine bidirektionale Kopplung von Gas und Stromnetz mit Anbindung an den Verbrauchssektor Mobilität bildet Methan einen indirekten Stromspeicher, wie die folgende Abbildung illustriert.
Die Integration der multiplen Energieproduzenten in ein solches Netz und die Weiterentwicklung der Speichertechnologie hinsichtlich der sinkenden Preisentwicklung, sind die eigentlichen Herausforderungen.
Neubau von Retortenstädten – Beispiele
Der Neubau einer brandneuen Retortenstadt unterscheidet sich wesentlich von der Umweltoptimierung einer bestehenden Stadt. Für beide Bereiche gilt: nachhaltiges Leben in Städten ist komplex und deshalb sind es auch die Lösungsansätze. Kulturelle und klimatische Einflüsse fließen ein. Der weltweite Stadtbestand soll von den Retorten-Stadt-Projekt-Erkenntnissen profitieren, weil dort sämtliche Technologien eingesetzt werden. Kritiker bemängeln den top-down-Ansatz von Retortenstädten wie Masdar oder Fujisawa TTS, weil die künftigen Bewohner nicht einbezogen werden. Lediglich werde eine nachhaltige Umgebung bereitgestellt. Verhaltensänderungen und Akzeptanz der Stadtbewohner seien jedoch eine wesentliche Grundvoraussetzung. Auch der Leiter „Sustainable Services“, Accenture, betont, dass „smarte Städte“ kein Absatzmarkt für neue Technologien seien, sondern, dass der Nutzen sämtlicher Maßnahmen für alle Betroffenen das Erfolgsmerkmal sei. Deshalb sei es wichtig auch in Informations- und Akzeptanzkampagnen zu investieren und für jede Region müsse definiert werden, was nachhaltiges Verhalten konkret ist. Das komme einem schieren Demokratisierungsprozess nahe, äußert der Experte Holst, sei aber langfristig lohnend.
Masdar-City, Arabische Emirate
Masdar City ist eine Sonderwirtschaftszone, die die Anwendung erneuerbarer Energien fördern soll. Die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien, kurz, IRENA, wird ihren Hauptsitz in Masdar einnehmen.
Die Stadt ist Mehrschichtig aufgebaut: Auf der unteren Ebene werden die Daten- und Energieströme gesteuert. Auf der Infrastrukturebene kommen die Fahrzeuge an, beliefern Geschäfte, transportieren die Menschen in fahrerlosen Vehikeln weiter. Die technologischen Lebensadern münden auf der eigentlichen oberen modernen Stadtebene. Bei der Gestaltung wurden kulturelle Besonderheiten mit High-Tech verbunden. Enge Gassen, gebogene Häuserfassaden und Überdachungen sorgen für Schatten, bei Temperaturen von rund 50°C. In der Stadt selbst sind nur Fußgänger unterwegs und eine quer durch Masdar verlaufende Schnellbahn. Laut dem verantwortlichen Architekt des Büros Norman Foster in London, das seit 2006 mit der Planung und dem Bau von Masdar betraut ist, ist man dennoch nie weiter als maximal 20 Minuten von einer Haltestelle entfernt. Gegebenenfalls würde man sich auf die untere Etage begeben und mit einem fahrerlosen elektrisch betriebenen Vehikel von A nach B fahren. E-Fahrräder seien dort kein Thema, weil sich „bei 50 Grad keiner auf das Fahrrad setzt“, zudem sei das e-Bike ein in dieser Kultur völlig fremdes Fortbewegungsmittel. Das Gros an Energie für diese Stadt wird allerdings mit Solarfeldern vor den Toren Masdars produziert, da die Wärmeabstrahlung in der Stadt zu hoch wäre, wenn die Solarmodule auf den Dächern installiert wären. Vielmehr werden in der Stadt Windräder eingesetzt, die für eine angenehme Belüftung sorgen sollen. Die energetische Grundlast inklusive des Kühlbedarfs von Masdar wird mit solarer Sonnenstrahlung gedeckt. Hochvakuum-Solarthermie-Flachmodul-Felder von TVP Solar, ein interdisziplinäres Energieunternehmen in Dubai, sollen mit MT-Power-Modulen über 70% Wirkungsgrad bei der Konversion von Sonnenenergie in Kühlung bei einem 180°C-Betrieb für den Antrieb eines Doppeleffekt-Absorptionskühler erzielen. Die Module sammeln diffuses und direktes Licht und bieten mindestens 30% mehr Energieleistung als jeder andere konzentrierende Kollektor, so TVP. TVP erwartet nicht weniger als dass ihre Produkte die Solarbranche und die Technik der Erneuerbaren Energien revolutionieren werden. Ohne Subventionen rechne sich das in ausgewählten Ländern innerhalb von weniger als 6 Jahren so, Piero Abbate, CEO von TVP Solar. Dass das vermutlich funktionieren wird zeigen internationale Großprojekte des österreichischen Solarthermieherstellers S.O.L.I.D. in Singapur, den USA und Österreich. Deren Kunden sind die Betreiber von kommunalen Großgebäuden wie z.B. die Universität in Singapur, die die gesamte Kühlung der Gebäude solarthermisch abdeckt.
Fujisawa SST Japan – Urbaner Lebensstil mit maximaleffizientem Stromverbrauch
Der Elektronikkonzern Panasonic und der konzerneigene Fertighausanbieter PanaHome bauen in Fujisawa, südlich von Tokio, auf einem 19 Hektar großen, ehemaligen Firmengelände von Panasonic die vollelektronische, vollvernetzte adrette Fertighausstadt, Fujisawa Sustainable smart Town (Fujisawa SST) für 3.000 Bewohner. Den Stromverbrauch deckt die Stadt weitgehend mit solarer Strahlungsenergie, die gleich verbraucht, ins Netz eingespeist oder in massiven Lithium-Ionen-Akkus, ergänzt von Brennstoffzellen, gespeichert wird. Nachts und bei schlechtem Wetter wird damit aus Wasser und Sauerstoff sauberer Strom produziert. Die Prozesswärme liefert heißes Wasser. Die Informationsnetzwerke identifizieren die Lebensgewohnheiten der Bewohner und verbinden diese mit Klimadaten. Ressourcen werden entsprechend bereitgestellt und reguliert. Sowohl das Innenleben wie auch das Energiemanagementsystem, und e-Fahrräder stammen von Panasonic. Auch e-Autos und car-sharing-Angebote sind im Konzept enthalten. Der Einzug soll 2014 erfolgen.
Panasonic investiert hohe Summen. Konzernchef Fumio Othsubo betont, der Konzern wolle Experte in diesem Bereich werden. Fujisawa sei das Pilotprojekt für diese Transformation und liefere die notwendigen Erkenntnisse über den optimalen Einsatz solcher Technologien. Mit Fujisawa zeige Panasonic, was technologisch bereits möglich ist, kommentiert Michael Langbehn, Manager PR, CSR, Trade Marketing, Panasonic Deutschland in einem Interview. Das dort angewandte Prinzip vom Erzeugen, Speichern, Verwalten und Sparen von Energie mit Solar- und Brennstoffzellen wurde bereits seit 2009 im Panasonic „Eco Ideas“ Haus in Tokio getestet.
Elke Kuehnle