Energiespielzeug fürs ganze Jahr
Ein Streifzug über die Nürnberger Spielwarenmesse 2010: Und es wird Sommer: Zeit für Solarspielzeug! Denn gerade wenn unser Zentralgestirn vom Himmel glüht, produzieren die blauen Zellen bekanntlich den meisten Strom. Warum also bis Weihnachten warten? Sonnig schenken bringt auch im übrigen Jahr Freude – und stärkt das Bewusstsein für Umwelt, Klima, Natur, Zukunft.
Die Nürnberger Spielwarenmesse: Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2010. Das Jahr, in dem sich Disneyfiguren von der Sonne (an-)treiben lassen. Und das im wahrsten Sinn des Wortes.
„Disney Solar Friends: Eine Kollektion süßer Figuren in exklusivem Disney-Design, die sich mit Sonnenenergie bewegen und tanzen“ hat IMC Toys ganz neu auf den (Welt-)Markt gebracht. Seit zwei Jahren hat der sechstgrößte spanische Spielzeugkonzern eine deutsche Niederlassung – und seit der diesjährigen Messe auch die Sonne im Gepäck. Ob Dumbo der Elefant, Aschenputtel, Schweewittchen oder Pu der Bär – zurzeit sind es zehn verschiedene Figuren aus dem Zeichentrickfilm: Sie alle holen sich die Energie aus einem gemeinsamen Solarladegerät, das wie eine kleine Hängematte aussieht. Gerade eine Minute soll die Stromfütterung dauern.
„Für Mädchen im Alter von fünf bis neun Jahren entworfen“ seien die Sonnenfreunde. Jede Figur beherrsche einen anderen Tanz: Alle „führen verschiedene Bewegungen aus, laufen vor- und rückwärts, bewegen den Kopf, die Arme, den Schwanz und vieles mehr“, behaupten die Macher von ICM Toys. Etwa 20 Euro soll das Starterset kosten – die Ladestation mit einer Figur. Die weiteren Püppies sind dann für unter zehn Euro das Stück zu haben. Am meisten imponiert hat dem Autor übrigens der Esel Igor.
Mit der Solarzelle im Gepäck haben sich die Spanier auch gleich um den Toy Award 2010, den Spielzeug-Innovationspreis in der neuen Kategorie „Ökologie + Umweltbewusstsein“ beworben. „Disney Solar Friends sind dank ihres ansprechenden Designs ideal zum Sammeln und schärfen gleichzeitig das Umweltbewusstsein“, hatte die Jury begründet, warum die Figürchen unter den Topp-Drei gelandet sind. Doch scheinen sie nicht ganz bis zum Ende ökologisch durchdacht: Eigentlich könnte man einfach tanzende Plastikpuppen dazu sagen, wenn auch sonnige. Wohl auch deshalb bekam ein anderer Hersteller diesen Toy Award.
Innovationspreis für ein Power-Haus
Es traf die Firma Kosmos-Franckh, und damit einen jener wenigen Hersteller, die sich seit Jahr(zehnt)en ernsthaft um Umwelt- und Solarspielzeug verdient machen. Wobei Lern-Spielzeug das passendere Wort ist: Die Stuttgarter bieten Experimentierkästen und Ähnliches an. Die Innovations-Auszeichnung gabs für das „GEOlino Power-House. Es greift das Top-Thema der letzten Jahre auf: Energieversorgung mit erneuerbaren Energien. Der Experimentierkasten vermittelt Kindern und Erwachsenen an einem anschaulichen Hausmodell, wie die Energieversorgung funktioniert und wie man diese natürlichen Quellen am besten nutzt. Ein Handbuch mit vielen Experimenten vermittelt spielerisch naturwissenschaftliche Basiskenntnisse – so spannend kann Physik sein“, steht in der Begründung der Toy-Award-Jury.
Auf den ersten Blick erinnert das Haus an eines aus Legosteinen. Doch es lohnt sich, genauer hinzusehen. Denn in diesem variablen Forscherhaus könne man „in 100 Versuchen im wichtigen Bereich erneuerbare Energien experimentieren. Mach mit bei diesem Forschungsprojekt!“, fordert Kosmos die Kinder ab 10 Jahre auf.
Elektrischer Strom aus Wind und Sonne kann erzeugt und damit die Hausbeleuchtung, ein Elektromotor, ja sogar ein Solarboot betrieben werden. Doch nicht nur Strom: „Nutze die Wärme der Sonne und schütze dein Haus vor Wärmeverlusten. Untersuche, wie Pflanzen auf Licht und Wasser reagieren. Baue für dein Haus eine Warmwasserheizung und eine Klimaanlage“, sind weitere Spiel- und Experimentiermöglichkeiten.
Aufwindkraftwerk – wenigstens als Modell in Sicht
Ein zweiter neuer Kosmos-Kasten heißt „Solarenergie – Wärme von der Sonne.“ Warum der Nachwuchs ab acht Jahren sich ab September 2010 – dann erscheint das Teil – ausgerechnet mit dem bis heute sehr umstrittenen Aufwindkraftwerk beschäftigen sollen, bleibt unklar. Doch es gibt darin weitere „funktionsfähige Modelle, die die Einsatzmöglichkeiten der Sonnenenergie zeigen: Wie ein Parabolspiegel beim Kochen helfen kann, wie Solarkollektoren – die wir auf den Hausdächern sehen – das Badewasser erhitzen oder wie man aus ungenießbarem salzigen Meerwasser mit Hilfe der Sonne sauberes Trinkwasser herstellen kann“, so das Versprechen der Kosmos-Leute: „Wir experimentieren mit den Wärmestrahlen unserer Sonne.“ Doch – wie bereits bemerkt – erst ab September. Dann aber nicht fix und fertig montiert, sondern zum selber Zusammenbauen: Der nächste Sommer kommt bestimmt.
Ein Teil aus dem kompletten Solarenergie-Kasten – den Solarkocher – gibt es dagegen bereits im Mai zu kaufen – für weniger als 10 Euro! „Mit einem ganz einfach selbst zusammengesteckten Parabolspiegel werden Sonnenstrahlen „eingefangen“ und konzentriert auf ein kleines Kochgefäß im Zentrum des Spiegels gelenkt. Mit Hilfe der Sonnenenergie kann, als ganz besonderes Highlight für Kinder, umweltschonend Schokolade verflüssigt werden. „Zusammen mit Früchten wird daraus ein perfektes Schokoladenfondue“, verspricht der Kastenerfinder.
Stirling – Classic oder Zukunft?
Die Stuttgarter haben sich auch noch an den „Stirling Motor Classic“ gewagt: Der kostet dann aber gleich um die 180 Euro; ein typisches Weihnachtsgeschenk und wohl auch deshalb erst im Herbst zu haben. Am Modell könne „dargestellt werden, wie mit Hilfe einer Wärmekraftmaschine elektrische Energie erzeugt und gespeichert werden kann. Innovative Fahrzeugkonzepte von heute und morgen werden erklärt und man erfährt, wo Stirlingmotoren überall eingesetzt werden.“ Aber kennt jemand außer der Stirlingheizung von Sunmachine ein praktisches Beispiel? Der „Stirling Motor Classic“ ist also Zukunft pur!
Zum Wort Zukunft passt Horizon. Die Firma mit Hauptsitzen in Singapur und Schanghai hat vor zwei Jahren gemeinsam mit Corgi International von Meister Colani ein kleines Fernlenkauto mit Brennstoffzellenantrieb namens H2GO gestalten lassen und davon sowie von H-2-Racer scheinbar einige 10.000 verkauft. Mit dem Erfolg im Hintergrund wagt sich das Unternehmen nun zum zweiten Mal an etwas Größeres: H-Cell 2.0 heißt das „Brennstoffzellen-Hybrid-System“, das ein Fahrzeug „einer neuen Leistungsebene fürs Hobby-Fernlenken“ antreibt. Die Lösung, Wasserstoff immer zur Verfügung zu haben, sollen die so genannten „Hydrostik“s sein. Kleine H2-Hydridspeicher, die mit Hilfe einer solarbetriebenen Elektrolyseeinheit in einer Stunde gefüllt werden – und im Austausch ins Auto gesteckt werden können. Immerhin 60?km/h soll der Renner ohne stromlinienförmiges Oberteil schnell sein.
RC-Renner mit Solar-Wasserstoffantrieb
Vor einigen Jahren wagte Horizon schon mal den Schnellfernsteuerauto-Versuch – und scheiterte damit; wohl vor allem des damals sehr hohen Preises wegen. Mal sehen, ob’s diesmal klappt: Jedenfalls stammt das Chassis und das ganze Fernsteuersystem von Tamiya und ist daher vertrauenswürdig auch für langgediente RC-Fetischisten. Der Preis liegt aber auch diesmal im hohen dreistelligen Bereich.
Eher die konservativere Solarspielzeugtour fährt seit Jahren die Sol-Expert Group aus Ravensburg. Einen sonnengetriebenen Ferrari und ein Kleinst-Auto hatten sie länger. In diesem Jahr war unter anderem ein Bus neu am Stand zu sehen – wenn auch erst als Handmuster. Doch bei der Schnelligkeit, in der die Württemberger Holzbausätze für Häuser mit Innenbeleuchtung, für Windmühlen, Landrover produzieren, wird wohl auch der Bus bald serienreif sein.
Windräder mit Solarstromantrieb sind bei Sol-Expert schon lange im Programm. Frisch im Programm sind nun durchsichtige Megawatt-Mühlen. Die Herstellung kundenspezifischer Windkraftwerke – natürlich auch mit der gewünschten Beschriftung – macht die Modelle auch als Werbeträger für Energiefirmen interessant. Die Windindustrie hat den Aha-Effekt der Produkte eh schon begriffen.
Butterfly, my Butterfly
„Gold und Silber lieb ich sehr“ hätte in diesem Jahr das Motto auf dem Stand von Inpro Solar aus dem bayerisch-schwäbischen Eurasburg sein können. Denn die metallenen Flugzeuge und Hubschrauber mit den rasenden Rotoren glänzten nur so um die Wette – eben in Gold und Silber. Dazu setzt auch Inpro auf Solarhäuser; doch anders als Sol-Expert auf fertige Gebäude. Vom Bauernhof bis zur Kirche mit Innenbeleuchtung, dazu ein Häuschen mit Garten, in welchem sogar (mitgelieferter) Grassamen aufgeht. Passend dazu – aber auch für den Gummibaum: die automatische Sensor-Anzeige für austrocknende Zimmerpflanzen. Selbstverständlich solarbetrieben. Flatternde Schmetterlinge gibt’s auch neu bei Inpro: in verschiedensten Farben, sogar mit ihrem wissenschaftlichen Namen gekennzeichnet – von Danaus Plexippus bis Peleides Hyacintus.
Neue Schmetterlinge hatte auch Edu-Toys aus Hong Kong nach Nürnberg mitgebracht: „Solar Butterfly“ heißen die Teile, die ins Fenster geklebt das Haus mit Lichtspielen verzaubern sollen. Aber weil Edu die Abkürzung für Education – also Bildung – ist, mussten die Chinesen sich nach langer Zeit auch wieder einmal etwas tiefgründiger mit der Sonnenkraft beschäftigen. Das Ergebnis heißt „6 in 1 Solar Kit“; ein Baukasten mit blauen und weißen Teilen, aus denen sich – logisch! – sechs verschiedene Spielzeuge basteln lassen; vom Dreirad bis zum Kettenkarussell. Das würde sich gut im Garten eines Spielzeughauses anderer Hersteller machen.
Elektro-Vespa für die Kleinsten
Doch auch für die Gärten richtiger Residenzen gibt es inzwischen Energiespielzeug – wenn auch nicht sofort als solches erkennbar. So bieten inzwischen einige Hersteller E-Mobile an. Und zwar welche, die sind speziell für Kinder gemacht. Die Elektro-Motorräder, Stehroller oder Quads, die bei der US-Firma Razor zu haben sind, würden bei uns für die Straße und für Gehwege auch gar nicht erst zugelassen: Der Nachwuchs würde Hals- und Bein-Bruch riskieren im Verkehr. Denn sie sehen nicht nur so aus: Sie sind ganz schön schnell, die Teile! Doch fürs private Umfeld sind sie wohl geeignet. Und bei genauem Hinsehen haben sie sogar den Öko-Touch: Denn die Batterien lassen sich an einer 24-Volt-PV-Anlage aufladen.
Richtig süß dagegen ist die weiße Vespa mit rosa Verzierungen, die von Peg Perego – natürlich aus Italien! – angeboten wird: Gemacht für die Allerkleinsten, mit zwei Stützrädern – und mit einem 12-Volt-Batterie-Anschluss. Damit wartet der Kleinkind-Roller ja geradezu darauf, von einer Gartenhaus-Solarstromanlage versorgt zu werden. Denn das Solarmodul auf dem chinesischen Holzpuppenhaus liefert leider keinen Strom. Doch auch damit können sich schon die Jüngsten in der Freizeit an die theoretische und praktische Kraft der Sonne gewöhnen. Und zwar im Sommer des Jahres 2010.
Elektro-Trabbi zog die Massen an
Derweil war das Elektromobil, das anlässlich der Toy Fair 2010 die meisten Augen auf sich zog, ein anderes: Der Elektrotrabbi, offiziell als „Trabant nT“ firmierend. Der stand blinkend am Stand von Herpa aus Franken herum, und am vorletzten Tag fuhr er tatsächlich aus eigener Kraft aus der Halle. Zurück blieb eine 1:87-Replik, die der Kunststoffmodellautohersteller demnächst in die Läden bringen will. Aber ohne Strom-Antrieb, und schon gar nicht mit Sonnenkraft zu betanken. Und auch mit dem 1:1-E-Trabbi wird es wohl erst in fernerer Zukunft etwas auf Deutschlands Straßen unendlicher Weiten.
Heinz Wraneschitz