Monokultur oder Landschaftsnetzwerk
Kommunaler Klimaschutz und Regionale Klimaanpassung: Von der landwirtschaftlichen Monokultur zum energetischen Landschaftsnetzwerk: Plädoyer für den Schutz, die Entwicklung und die nachhaltige Nutzung einer vielfältigen Kulturlandschaft an der Mittelelbe und die energetische Nutzung von Biogenen Rest- und Wertstoffen (BioRW) aus dem Siedlungs- und Landschaftsraum für die Wärmeversorgung von Städten und Gemeinden.
Zum Zustand und seinen Auswirkungen
Bei allen positiven Wirkungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und seiner Novellierungen: Der Anbau der „Energiepflanzen“ Raps für die Biokraftstoff-Produktion und Mais für die Biogas- Erzeugung erfolgt inzwischen selbst im Biosphärenreservat Mittelelbe in großflächigen Monokulturen. Mit allen negativen Folgen für die Leistungsfähigkeit der Landschaft und das lokale Klima. Die unerfreulichen Auswirkungen flächendeckenden Maisanbaus auf den hier besonders sensiblen Landschaftshaushalt durch Einschränkung des Wasserrückhalts oder Auswaschung der Böden sind hinlänglich bekannt und angesichts eines (bereits infolge des Klimawandels) nachlassenden Wasserdargebots in der Vegetationszeit ökologisch wie ökonomisch durchaus ernst zu nehmen. Die Beeinträchtigung des vormals sehr abwechslungsreichen und nicht nur von Touristen in der Prignitz geschätzten Landschaftsbildes ist in diesem Zusammenhang vergleichsweise unerheblich.
Dabei werden sowohl Biokraftstoffe als auch der Biostrom aus heimischer Biomasse künftig eine eher untergeordnete Rolle in ihren energetischen Segmenten spielen: Selbst in rein landwirtschaftlich geprägten Räumen sind angesichts vorhersehbarer Konkurrenzen mit der Produktion von Nahrungsmitteln und nachwachsenden Rohstoffen die erforderlichen Flächen auf Dauer nicht verfügbar, von den Folgen ihrer monokulturellen Übernutzung einmal ganz abgesehen. Zur Deckung des energetischen Hauptpostens einer Region, dem winterlichen Wärmebedarf, tragen die Landwirtschaftsprodukte hingegen nur in seltenen Fällen überhaupt bei.
Die klassische Nassfermentation als die „Alleinstellungstechnologie“ zur Erzeugung von Biogas ist, bezogen auf den energetisch wirksamen Stoffdurchsatz und den ständigen Austrag der eigentlich „werktätigen“ Methanbakterien über die Gärreste, zudem ebenso hochgradig ineffizient wie die Prozessenergieverwertung: die bei der motorischen Stromproduktion anfallende Überschusswärme bleibt standortbedingt zumeist ungenutzt und wird als Beitrag zur Klimaerwärmung in die Atmosphäre „weggekühlt“. Zudem dürfte sie aufwendungsbedingt vermutlich auf Dauer durch das EEG subventioniert werden müssen.
Die neuerdings enorm forcierte Herstellung von Agrarmethan in Nassfermentations-Großanlagen und dessen konfektionierte Einspeisung in das Erdgasnetz verschärft das Problem monokultureller Flächeninanspruchnahme weiter, ohne dabei viel effizienter oder preiswerter sein zu können. Die großen Landwirtschaftsgebiete, insbesondere in Ostdeutschland, verkommen so mehr und mehr zu Rohstoffproduzenten für eine nicht nachhaltig verortete Energiewirtschaft und gefährden zugleich ihre wichtigsten Güter: die dauerhafte Leistungsfähigkeit der Fläche und des Wasserhaushaltes.
Der eigentliche Grund für das ungesunde Wachstum im Anbau landwirtschaftlicher Energieträger ist bekanntermaßen der aktuelle Verfall der Marktpreise für die heimischen Nahrungsgüter, sowohl aus der Pflanzen- als auch aus der Tierproduktion. Wesentlich bedingt durch die geringen, weil subventionierten Transportkosten für kostengünstigere Produkte herstellende Gegenden in aller Welt, die dabei selbst nicht selten Hunger leiden.
Absehbare Erfordernisse und Aussichten
Mit einiger Sicherheit ist dies jedoch kein Dauerzustand. Bei absehbar deutlich steigenden Transportaufwendungen infolge sich weiter verkappender Kraftstoffe sollte eine regional basierte Nahrungsgüterproduktion auch wieder wirtschaftlich werden können. Was dann allerdings zu nicht mehr auflösbaren Flächenkonkurrenzen führen dürfte, denn künftig wird auch noch ein Großteil der Grundstoffe der chemischen Industrie aus Produkten der Land- und Forstwirtschaft abzudecken sein.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt stellt sich die Frage, ob die großmaßstäbliche Erzeugung von Biokraftstoffen und Biogas und die damit verbundene Ausbeutung der Böden riesiger Areale überhaupt eine sinnvolle Entwicklung war, richtungssicher war sie allemal nicht. Beide haben wenn überhaupt nur eine bescheidene Zukunft: der Energieinhalt von Ackerpflanzen bezogen auf die auf der Anbaufläche z. B. mit PV-Modulen bereitstellbare Energie ist einfach viel zu gering.
Im Kraftfahrzeugbereich läuft mit einiger Wahrscheinlichkeit alles auf die deutlich effizientere und bei Verwendung regenerativen Stroms klimafreundliche Elektromobilität hinaus, noch bevor das Erdöl endgültig versiegt. Und die Stromerzeugung aus Wind- und Wasserkraft oder gebäudeintegrierten Solarzellen ist wesentlich ertragreicher als die Biogasproduktion. Davon abgesehen sind diese absehbar auch ganz ohne EEG marktfähig, emittieren im Betrieb keinerlei Klimagas, schonen die limitierte Fläche und stehen systemisch gesehen erst an ihrem Anfang. Die in den Haushalten benötigte Elektroenergie wäre zu einem Großteil über die photovoltaische Nutzung der Hausdächer verfügbar zu machen, die Altmark z. B. könnte ihren gesamten Strombedarf aus der technisch bereits vor Jahrhunderten bewältigten Laufwasserkraft der sie passierenden Elbe ziehen und die ganz großen, vor allem aber die vielen ganz kleinen Windkraftanlagen werden gerade erst entwickelt.
Trotzdem ist die sinnvolle Einbindung der Bioenergie in ein sich in Gänze als tragfähig ausweisendes Menü erneuerbarer Energien unabdinglich. Nur eben nicht als flüssiges oder gasförmiges Imitat ihrer fossilen Originale Erdöl und Erdgas. Biomasse ist biologisch gespeicherte Sonnenenergie von relativ hohem Energiegehalt, kommt in der Regel gut in den Winter und somit zu ihrem privilegierten Einsatzfeld: der Wandlung in Wärme für die Raumheizung, ziemlich egal ob als Holz, Heu oder Stroh. Nur weit transportiert werden sollte sie nicht, ebenso wenig wie ihr energetisches Endprodukt und entspricht daher auch eher den Bedürfnissen lokaler Versorgungsstrukturen. Dabei ist sie keineswegs nur an zentrale Wärmeerzeuger und -netze gebunden, ihre Veredlungsprodukte (Biomasse- Pellets oder -Briketts) erreichen nahezu jeden Verbraucher, am besten in Form von Kraft-Wärme-Kopplung.
Die energetisch-stofflichen Potentiale der Biogenen Rest- und Wertstoffe (BioRW)
Zumindest im Altkreis Havelberg ist das Reservoire an Energie-Biomasse, wie die gerade abgeschlossene „Ermittlung des Potentials an nutzbarer Biomasse und kommunalen Abfällen zur energetischen Verwertung für die Einheitsgemeinde Havelberg“1) wider ursprünglichen Erwartens belegt, gewaltig. Es ist keinesfalls nur land- oder forstwirtschaftlichen Ursprungs, wird jedoch kaum genutzt. Im Gegenteil: Für die „Entsorgung“ von Biomasse aus den aufwachsenden Begleitgrünflächen z. B. an Straßen und Gewässern werden beträchtliche Geldsummen verausgabt.
Mit dem Wechsel zu einer energetischen Nutzung der „Biogenen Rest- und Wertstoffe (BioRW)“ aus dem untersuchten Siedlungs- und Landschaftsraum – Reststroh, Gehölzschnitt, Grasschnitt, Waldrestholz, in bescheidenem Umfang aber auch Klärschlamm und die Biotonne – würde das sofort verfügbare Aufkommen den gesamten Jahresheizwärmebedarf der (Klein-)Stadt Havelberg um mehr als das Doppelte bedienen können. Gerade bestätigt hat sich diese Erkenntnis in Untersuchungen zum Energie- und Klimaschutzkonzept für die Mittelstadt und ehemalige Braunkohle-Energiezentrale der DDR Hoyerswerda2): nach einem Entwicklungszeitraum von 6–7 Jahren ließe sich der Jahresheizwärmebedarf von dann 17.000 Haushalten allein aus den in der Ressourcenregion verfügbaren BioRW decken. Allein im Bereich der Flussmeisterei Hoyerswerda fallen aus Mahd und Krautung an der Schwarzen Elster jährlich etwa 73.500 m3 energetisch z.Zt. nicht genutzter Biomasse an. Eine entsprechende Nutzungsabsicht z.?B. der Stadtwerke, eine ausgefeilte Logistik für die Unzahl von zumeist kleineren, aber gut erschlossenen Standorten und eine passende energetische Wandlungstechnologie für die Gemengelagen vorausgesetzt.
Glücklicherweise ist die Entwicklung derart angepasster Technologien in vollem Gange: In bereits wirtschaftlich arbeitenden Baugrößen, von wenigen 100?kW aufwärts, haben sowohl die Trocken-Nass-Fermentation pastöser und krautiger Biomasse im GICON-Verfahren aber auch die thermo-chemische Vergasung in der Bioampere-, der Agnion-, der Pyroforce-Technologie oder die pyrolytische Erzeugung von Synthesegas und Biokohle (mit der Option auf eine langzeitstabile CO2-Sequestrierung als Bodenverbesserer – Terra preta) die Kinderschuhe längst abgelegt. Aber auch „echte“ Energiepflanzen wie Pappeln, Weiden oder Robinien oder die gerade wieder entdeckte Wildpflanze Durchwachsene Silphie, die dem Silomais in vielerlei Hinsicht weit überlegen ist, warten auf ihre kommerzielle Verbreitung.
Das energetische Landschaftsnetzwerk
Dies scheint bei allseits gutem Willen jedoch durchaus leistbar, zumal zwischen dem bereits verfügbaren Aufkommen und den Potentialen eines nachhaltigen energetischen Landschaftsnetzwerkes der „Faktor 10“ anstehen dürfte: Demnach würden die jeweils ins System gesetzten biogenen Rest- und Wertstoffe bilanziell allein den Energiebedarf des Altkreises Havelberg oder den gesamten Jahresheizwärmebedarf von Hoyerswerda befriedigen können. Eine dezentral basierte Energieversorgung würde zudem nahezu zwangsläufig lokale Wertschöpfungsprozesse auslösen, da das für Energie verausgabte Geld in der Region verbliebe und zugleich neue Arbeitsplätze entstünden – im krisenanfälligen ländlichen oder nachindustriellen Raum von existentieller Bedeutung.
Vorstellbar wäre das vor allem durch eine umfangreichere „vegetative Inwertsetzung“ der Begleitflächen von Straßen und Wegen, von Gewässern und Gräben, von Landschaftshecken und Baumreihen zu einer planbaren, dauerhaft stabilen energetischen Bewirtschaftungsstruktur, die den vorhandenen Erschließungen folgend als ein lebendiges Netz über der Landschaft liegt, die eigentlichen Land- und Forstwirtschaftsareale, die Naturschutzflächen und Feuchtgebiete in ihren originären Aufgaben jedoch unbehelligt lässt. Während des Aufbaus dieses Energiegerüstes bieten sich eine Reihe von schnell greifenden Zwischenlösungen an
- der überschüssige Aufwuchs des extensiv bewirtschafteten Grünlands lässt sich als Heu in Halmgutheizwerken bereits wirtschaftlich verbrennen,
- die vielen Stadt- und Landschaftsbrachen wären in umgehend verfügbare Anbauflächen wandelbar,
- die Entscheidung, wo Grünmasse- und wo Gehölzanbau (z.B. im Kurzumtrieb) sinnvoll ist, „work in progress“.
Und selbst auf manchen Stadtfunktionsflächen könnte dieses Prinzip spürbar weiter helfen: z. B. als Energieparks und -gärten anstelle aufwendig zu pflegenden Abstandsgrüns, auf Abrissflächen von Plattenbaugebieten oder, zumindest temporär, auf alten und neuen Industrie- und Gewerbebrachen nach dem altbewährten Motto: Das Schöne mit dem Nützlichen verbinden.
Der Nutzen für die Leistungsfähigkeit der Fläche und ihre Gestalt in dem bereits unaufhaltsam ablaufenden Prozess des Klimawandels wäre ein Vielfacher: Eine naturadaptierte Energieträgerarchitektur in Form notwendigerweise nur in größeren zeitlichen Abständen zu bewirtschaftende Grün- und Gehölzstreifen brächten die zunehmend bedrohte Artenvielfalt in Flora und Fauna schrittweise wieder auf die Beine. Sie würde Äcker vor Deflation und den Wald vor Sturmschäden schützen, zum Erosionsschutz beitragen und das künftig vermutlich kostbarste aller Güter, das Wasser, in der Landschaft zurückhalten und diese zugleich kühlen: Klimaanpassung perfekt.
Fazit
Ein mögliches Thema, nicht nur für die im Jahre 2015 im Havelland stattfindende Bundesgartenschau (BUGA), vorausgesetzt die lokal und regional Verantwortung tragenden wollen es: „Die Erde ist freundlich, warum wir eigentlich nicht?“
Fußnoten:
1) Innovations- und Gründerzentrum BIC Altmark Stendal GmbH: Ermittlung des Potentials an nutzbarer Biomasse und kommunalen Abfällen zur energetischen Verwertung für die Einheitsgemeinde Havelberg (11/09)
2) Stadtentwicklungsgesellschaft Hoyerswerda mbH: Das funktionale Energie- und Klimaschutzkonzept für die Stadt Hoyerswerda 2009
„Hoyerswerda – Alte Energiestadt mit Neuer Energie“ (02/10)
Dipl. Ing. Arch. Ulrich Peickert