Bei thermischen Speichern tut sich was
Die integrative Nutzung der Erneuerbaren eröffnet neue Perspektiven für die Energiewende: Speicher sind inzwischen ein lebhaftes Forschungsgebiet“, freut sich Andreas Hauer, Abteilungsleiter am Bayerischen Zentrum für Angewandte Energieforschung e.V. (ZAE Bayern) anlässlich der VDI-Fachtagung „Thermische Energiespeicher“, die Ende Oktober in Ludwigsburg stattfand. Er drückt aus, was von Herstellern wie Forschern bestätigt wird: nach Jahren des Stillstandes ist massive Bewegung in das Thema gekommen. Bislang war die teilweise stürmische Entwicklung von Photovoltaik- und Windstromanlagen, ebenso wie solarthermischer Anlagen, nicht von einer parallelen Entwicklung adäquater Speichertechnologien begleitet worden. Diese Disparitäten wurden jahrelang von den Protagonisten der Erneuerbaren klaglos hingenommen. Jetzt, im Zeichen der Energiewende, beginnt sich das zu ändern. „Das Problem ist nicht die Energieerzeugung, das Problem ist die Energiespeicherung“, bringt es Harald Drück vom Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik der Universität Stuttgart auf den Punkt.
Wie schon im Titel der VDI-Fachtagung hervorgehoben, beschränkt sich die neue Lebhaftigkeit nicht auf die Stromspeicher, wie sie für Sonnen- oder Windstrom oder für die E-Mobilität vielfach diskutiert werden. Thermische Energiespeicher rücken, auch wenn manche Apologeten immer noch einen gegenteiligen Eindruck erwecken wollen, nicht zufällig ins Zentrum des Interesses. Zum einen setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Energiewende nicht einfach eine „Stromwende“ sein kann. Im Gegenteil, ohne den Wärmebereich, für den über ein Drittel der Primärenergien in Deutschland verbraucht werden, würde die Energiewende wohl nicht nur klimapolitisch zur Bauchlandung missraten.
Auch in der gesellschaftlichen Debatte um die Gestaltung der zukünftigen Energieversorgung wird langsam klarer, dass diese nur erfolgreich entwickelt werden kann, wenn die Ausgrenzung einzelner Technologen vermieden wird. Stattdessen muss man gerade bei den Regenerativen die Thermie als integrativen Bestandteil einer primärenergetisch neu organisierten Energieerzeugung akzeptieren, bei der sich Stärken ergänzen und Schwächen gegenseitig ausgleichen können. Der Weg weg vom Feuer und von der Verbrennung führt nicht über die Stigmatisierung einzelner Technologien, schon gar nicht der Solarthermie, sondern nur über deren Integration und kombinierte Nutzung. Das Bindeglied dazwischen wird immer eine fortschrittliche Speichertechnik sein. Um fluktuierende Strom- wie Wärmemengen nicht nur aus erneuerbaren, sondern auch aus fossilen Quellen – wie etwa BHKWs, dezentral und regional – wirtschaftlich betreiben und kombinieren zu können, sind leistungsfähige thermische Speicher erforderlich. Den Verfechtern der großen Stromautobahnen hat sich dieser Zusammenhang bisher kaum erschlossen.
Thermische Speicher für die Lastverlagerung
Deshalb müsse das Verständnis darüber vertieft werden, dass die thermische Energiespeicherung deutlich wirtschaftlicher ist, als die elektrische, wie Harald Drück betont. Für den wirtschaftlichen Erfolg einer Energiewende werde dieser Aspekt essentiell sein. Bei der Betrachtung der sogenannten Speicherfrage wird es deshalb auf ein neues Denken ankommen, das die mit List herbeigeredeten Systemgrenzen, wie eine angebliche Überlegenheit vom Sonnenstrom gegenüber Sonnenwärme, oder Wind Onshore versus Offshore, links liegen lässt. Wurde dies im Konzept von Power to Gas zum ersten Mal handgreiflich – im brandenburgischen Falkenhagen baut E.ON gegenwärtig eine Pilotanlage zur Speicherung von überschüssigem Windstrom im Erdgasnetz, die ab 2013 durch Elektrolyse rund 360 m3 Wasserstoff pro Stunde erzeugt, anderswo entsteht Ähnliches – so schlagen sich die Überlegungen, thermische Speicher gerade für die Lastverlagerung einzusetzen, in ersten Projekten nieder. Während das politische Berlin sich den Mund über neue Stromautobahnen von der Küste bis zu den Alpen fusselig redet, arbeiten selbst Unternehmen wie E.ON Bayern an einem ganz anderen „Netz der Zukunft“ mit. Im niederbayerischen Osterhofen werden erste Blockheizkraftwerke mit Wärmespeichern gekoppelt. Dabei soll herausgefunden werden, wie Strom lastgangorientiert ins Netz eingespeist oder aus dem Netz gezogen, in Wärme umgewandelt oder gespeichert werden kann. Es soll also Integration betrieben und ein angewandtes Energiemanagement geprobt werden. Die Energieerzeugung der Blockheizkraftwerke und die der Windräder und Photovoltaik-Anlagen sollen sich dergestalt ergänzen, dass sie die vorhandenen Netze entlasten. „Bis Mitte nächsten Jahres wollen wir unsere Untersuchungen durchführen und damit einen weiteren Beitrag zur Umsetzung der Energiewende liefern“, zeigt sich Egon Westphal, Technikvorstand bei der E.ON Bayern, von diesem Ansatz überzeugt.
Auf Basis von Sonne, Wind oder Gas erzeugen unterschiedliche Anlagen Strom – allerdings nur zu den Zeiten, in denen das allgemeine Stromnetz dafür aufnahmefähig ist. Sind die Kapazitäten im Netz ausgelastet, kann die überschüssige Leistung zur Erzeugung von Wärme, etwa für lokale Nahwärmenetze genutzt werden. „Das wirkt netzentlastend“, betont Westphal, und sieht in den Wärmespeichern ein wichtiges Regulativ im Netzbetrieb der Zukunft. Dass diese Nahwärmenetze wiederum auf die Solarwärme als kostengünstiger Energiequelle zugreifen können, zeigt seit Jahren das Dänische Smart District Heating. Dort boomt die solare Nah- und Fernwärme landesweit gerade weil man sie als „Technologiekombination und Interaktion mit dem Strommarkt“ versteht. Zu fast jedem der etwa 450 Fernwärmenetze in unserem Nachbarland gehören großen Wärmespeicher. Sie ermöglichen einen flexiblen Betrieb der verschiedenen Wärmeerzeuger. Die Laufzeiten der kostengünstigsten Wärmeerzeuger lassen sich durch den Speichereinsatz verlängern. In jüngerer Zeit gehören auch elektrische Heizer zum Portfolio der Wärmeerzeuger. Während einiger hundert Stunden im Jahr sind diese die kostengünstigste Möglichkeit, Wärme bereitzustellen. Die Betriebsdauern der KWK-Anlagen verkürzen sich hingegen, weil diese wegen des volatilen Strompreises auch zu den Zeiten, in denen Wärmebedarf vorhanden ist, häufig von kostengünstigeren Wärmeerzeugern verdrängt werden.
Ein solch kostenoptimierter, flexibler Betrieb von KWK-Anlagen findet in Deutschland zunehmend Interesse, auch wenn Nachahmer nicht gerade Schlange stehen. Große Wärmespeicher existieren rund ein Duzend, eine Interaktion dieser Wärmenetze mit der Strommarkt war dabei nie vorgesehen. Als erste baute 2010 die E.ON Hanse Wärme GmbH einen 1996 errichteten, saisonalen Wärmespeicher zu einem Multifunktions-Wärmespeicher um. Dabei wurde nicht nur eine bessere Wärmedämmung, sondern auch eine wesentlich höhere Be- und Entladeleistung von bis zu 10 MW realisiert. Neben der saisonalen Speicherung von Solarwärme aus den bestehenden Kollektoranlagen speichert der 4.150 m3 Wasser fassende Erdspeicher nun auch Abwärme aus einem Müllheizkraftwerk. Durch die Einbindung in das Fernwärmeverbundnetz Hamburg-Ost (120 MW/400 GWh) können Spitzenlasten auch aus dem Speicher gedeckt und die sonst hierfür notwendigen fossilen Heizkessel heruntergefahren bzw. abgeschaltet werden. Zukünftig ist eine effiziente saisonale Speicherung solarer Wärme (März bis Oktober) sowie eine Spitzenlastpufferung von KWK-Abwärme bis ca. 10 MW in den bisher ungenutzten Monaten November bis Februar möglich. Zugleich lässt sich das Fernwärmeverbundnetz weiter solarisieren.
Stromerzeugung aus gespeicherter Wärme
Ein dezentrales Energie- und Speichermanagement zur Realisierung einer weitaus größeren Energieeffizienz steht auch auf der Agenda großer Industrieunternehmen wie Bosch. Thermische Energiespeicher „als technologisches und wirtschaftliches Bindeglied“ werden hier nicht nur im Zusammenhang mit der Verwertung von Prozesswärme gesehen. Bei Bosch Thermotechnik hat man den gesamten Prozess der Energieerzeugung und -verwertung im Blick und geht in Sachen Technologiekombination und Interaktion noch einen Schritt weiter. Erweitert bzw. ergänzt werden die verschiedenen Komponenten der Erzeugung und Speicherung um das OCR Verfahren (Organic Ranking Cycle), mit dem aus thermischen Speichern der Weg gewissermaßen wieder „rückwärts“ zur Stromerzeugung beschritten werden kann. Bei OCR, das als Verfahren zur Stromerzeugung mit Erdwärme entwickelt wurde, wird für die Stromerzeugung die Energie des gespeicherten heißen Wassers per Wärmetauscher in einen zweiten Kreislauf gespeist, der ein spezielles organisches Arbeitsmedium verwendet. Dieses beginnt bereits bei Temperaturen unter 100 Grad Celsius zu sieden und geht entsprechend früher in den gasförmigen Aggregatszustand über. So lässt sich eine Turbine mit weniger als 100 Grad für die Stromerzeugung einsetzen.
Auch im Bereich der individuellen Speicher für Wohngebäude zeigt dieses neue Denken Erfolge. Zielpunkte sind dabei niedrige Systemtemperaturen moderner Heizungen einerseits, um Solarerträge im unteren Temperaturbereich verwerten, sowie Speicherlösungen, bei denen diese Erträge sowie die sommerlichen Überschüsse nicht mehr verloren gehen, sondern langfristig erhalten bleiben. Ein Beispiel dafür ist die Kombination von Sole-Wärmepumpen und solarthermischen Anlagen. Mit der Rückeinspeisung solarer Überschusswärme ins Erdreich, die vor allem im Sommer anfällt, lässt sich nicht nur eine Regeneration der Wärmequelle erreichen, welche der Lebensdauer der Anlage dient. Über eine Temperaturanhebung im Erdreich lässt sich die benötigte, elektrische Antriebsenergie der Wärmepumpe deutlich reduzieren. Neue Konzepte gehen sogar von den Tiefenbohrungen weg und arbeiten mit einem sogenannten eTank, der das Erdreich unterhalb oder neben dem Gebäude als Speichermedium nutzt. Damit können solare Überschüsse in einem Temperaturbereich bis zu 30 Grad bevorratet und bei Bedarf wirtschaftlich abgerufen werden. Auch wenn diese Art der Energiespeicher erst in wenigen Häusern verbaut sind – auf der VDI-Fachtagung war davon übrigens noch nicht die Rede – zeigen die Auswertungen nach zwei bis drei Jahren Regelbetrieb, dass Jahresarbeitszahlen der Wärmepumpen zwischen 6 und 8 erreicht werden. Unter Einbeziehung einer PV-Anlage lässt sich damit im EFH wie im Geschosswohnungsbau ein rein regenerativer Betrieb mit einer Individualheizung im Niedertemperaturbereich wirtschaftlich realisieren. Gleiches gilt auch für stromgetriebene Mini-BHKW, deren Abwärme sonst im Sommer verloren ginge.
Der Kunststoffspeicher ist im Kommen
Um größere Speichervolumina im Gebäudebestand bei Einzelheizungen auch im herkömmlichen Temperaturbereichen zu realisieren, also die heutigen Kurzzeitspeicher zu Gunsten von Langzeitspeichern zu überwinden, werden zunehmend leichte glasfaserverstärkte Kunststoffspeicher angeboten, die vor Ort zusammen gebaut werden können. Mit diesem Ansatz erreichen verschiedene Hersteller inzwischen Volumina von 40 bis 100 m3. Die Wärmeübertrager bestehen ganz konventionell aus Edelstahlwellrohren, die im Speicher integriert sind. Neben den glasfaserverstärkten Kunststoffen werden auch vor Ort verschweißte Kunststoffplatten aus Polypropylen-Homopolymer (PP-H) oder Polyurethan verwendet, die auf einem Stahlrahmen montiert sind. Daneben werden auch große Kombi- bzw. Pufferspeicher „am Stück“ angeboten, die nicht im Haus eingesetzt, sondern außerhalb erdvergraben installiert werden. Wichtig hierbei ist, dass, anders als bei herkömmlichen Speicherkaskaden (der Kurzzeitspeicher), die einzelnen Module zu einem großen Speicher zusammengefasst und gemeinsam wärmegedämmt werden. So lassen sich Wärmeverluste reduzieren und gleichzeitig eine gute Raumausnutzung erreichen. Eine Kostensenkung versprechen sich die Anbieter nicht nur in der Verwendung neuer Materialien, sondern auch in der Verbesserung der thermisch geschichteten Be- und Entladung, vor allem aber auch in der verbesserten regelungstechnischen Einbindung in das Heizungssystem.
Neben diesen aus der F&E-Tätigkeit mittelständischer Unternehmen stammenden Lösungen verzeichnen auch die universitäre und die außeruniversitäre Forschung einen Aufschwung. Das liegt u.a. daran, dass die Bundesregierung, die sich jahrelang in Abstinenz bei der Forschungsförderung für Speicher geübt hatte, einen Kurswechsel vollzogen hat. Inzwischen fließen mehr Fördermittel auch in die Grundlagenforschung. Experten wie Harald Drück erwarten, dass neben den bekannten Warmwasserspeichern neue Technologien marktreif werden. Am weitesten sei die Entwicklung bei Latentwärmespeichern vorangeschritten. Phasenwechselmaterialien (Phase Change Materials, PCM) zur Speicherung von latenter Wärme können für unterschiedliche Einsatzzwecke genutzt werden. Dabei wird zusätzlich zur „fühlbaren“ Wärme die Schmelzenthalpie beim Phasenwechsel genutzt. Beim Erstarren des Speichermaterials wird die Enthalpie des Phasenwechsels in Form von Wärme frei. Durch Wärmezufuhr kann der Prozess rückgängig gemacht, also das PCM wieder geschmolzen werden. Neben der größeren Energiedichte ist das Temperaturniveau, bei dem sich der Phasenwechsel vollzieht, für technische Anwendungen interessant. Nachteilig gegenüber dem Speichermedium Wasser sind höhere Investitionskosten und die Schwierigkeit des Wärmetransports, hervorgerufen durch die geringe Wärmeleitfähigkeit der Phasenwechselmaterialien. Kommerziell stehen heute Paraffine mit Phasenwechseltemperaturen von etwa 30°C bis ca. 80°C zur Verfügung und eignen sich damit für den Einsatz in der Trinkwassererwärmung und Heizung im Wohnbereich. Ob Latentwärmespeicher für Heizzwecke den Warmwasserspeichern tatsächlich überlegen sind, müsse sich allerdings noch erweisen.
Vor allem auf Grund der hohen Energiespeicherdichte und der nahezu verlustfreien Speicherung wird demgegenüber der thermochemischen Wärmespeicherung das größere Potential zugeschrieben. Unter diesem Begriff werden Verfahren zusammengefasst, die auf Basis von Adsorptionsprozessen oder durch reversible chemische Reaktionen eine spezielle Form der Energiespeicherung darstellen. Ein typisches Beispiel ist die Anlagerung (Adsorption) von Wasserdampf an Zeolithen oder Silikagelen. Diese sind wie andere technische Adsorbentien hoch poröse Feststoffe, die z.B. als Kügelchen mit einem Durchmesser von ein bis fünf Millimeter kommerziell angeboten werden. Bei der Bindung der Wasser-Moleküle an der Oberfläche des Adsorbens wird Wärme frei, die zu Heizzwecken genutzt werden kann. Der Prozess kann durch Wärmezufuhr, allerdings auf einem höheren Temperaturniveau, rückgängig gemacht werden (Desorption). Mit höheren Energiedichten und geringeren Wärmeverlusten im Vergleich zu Warmwasserspeichern könnten Solaranlagen mit hohen solaren Deckungsanteilen bzw. zur vollständigen Deckung des Wärme- und Kältebedarfs an Attraktivität gewinnen. Der Vorteil entstünde nicht nur aus einem deutlich reduzierten Speichervolumen, sondern einer gleichzeitig reduzierten Kollektorfläche. Wegen des noch sehr frühen Entwicklungsstadiums sind bei thermochemischen Wärmespeichern noch eine Reihe technologischer Innovationen zu erwarten. Um neue Techniken zur Marktreife zu führen, so Drück, sind weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, also auch Fördermittel erforderlich. Bei einer konsequenten Weiterentwicklung der unterschiedlichen Speicherkonzepte – das hier vorgestellte bildet nur einen Ausschnitt – auf industrielle Abwärmenutzung, die Einbindung von Eisspeichern in die Kälteversorgung, von Aquiferwärmespeichern in Wärmenetzen oder der Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung mit großen Kaltwasserspeichern konnte nicht eingegangen werden – ließe sich in naher Zukunft in solar beheizten/gekühlten Gebäuden wie auch in der Prozesswärme Wärmepreise erzielen, die deutlich unter denen fossiler Anlagen liegen.
Klaus Oberzig