Solares Velotaxi
Erste serienmäßig produzierte Flotte von Fahrradtaxen mit Solarmodul: Sie wollen ins Freibad? Ins Kino? Zum Geschäftstermin? - Rufen Sie einfach unser Velotaxi. Wir bringen Sie klimaneutral und gut gelaunt ans Ziel.“ So kommuniziert Solares Velotaxi Nürnberg, ein Newcomer in der Szene mobiler Werbeträger, sein technisch optimiertes Konzept: ein Fahrradtaxi mit elektrischer Antriebsunterstützung, das jetzt auch über ein integriertes Solarmodul verfügt und seine Zusatzenergie aus 100% erneuerbaren Energien bezieht. Es dient der Personenbeförderung und der mobilen Werbung für nachhaltige Produkte gleichermaßen. „Ökogenial!“, denn insbesondere wirbt es für die CO2-freie Leichtelektromobilität selbst.
Velotaxen gibt es vielerorts. Man trifft sie in Amsterdam, Tokio, Sydney, New York, Paris, Riad, Moskau und vielen weiteren Großstädten. Sie werden von der Firma Veloform GmbH in Berlin hergestellt und als Modell CityCruiser I und CityCruiser II angeboten. In einer aerodynamisch geformten Kabine finden neben dem Fahrer zwei Fahrgäste mit leichtem Gepäck bequem Platz. Den Velotaxen ist Aufmerksamkeit immer gewiss. Die Slow Motion und das auffälliges Design lenken die Blicke der Passanten und erzeugen Neugierde. Velos werden neben dem allgemeinen Taxibetrieb daher auch gerne von Marketingabteilungen für Promotion und Werbezwecke geordert. Vollflächig sind sie dann mit Markennamen von Handys oder Eiscreme beklebt.
E-Motionen im Frühling …
In Nürnberg sind die Velotaxis seit Anfang Mai am Start. Und das mit gutem Gefühl. Hier fahren die Velos im Zeichen der Sonne. Der Gedanke der Nachhaltigkeit, der bei den „Taxen auf drei Rädern“ nahe liegt, soll konsequent verfolgt werden: Auf Initiative der Agenda21 Nürnberg und der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie, Landesverband Franken e.V. wurden alle fünf neu gefertigten Fahrradtaxen mit einem Solarmodul ausgestattet. Man hofft, durch das Solarmodul die elektrisch unterstützte Reichweite des Velotaxis um bis zu 50% zu erhöhen. Die Botschaft dabei: Erlebe und genieße die Vorzüge der Solaren Elektromobilität schon heute! Außerdem erlaubt man sich den „Luxus” für das Branding der Taxen nur Unternehmen bzw. Produkte zuzulassen, die als „politisch korrekt“ gelten.
Die Partnerschaft mit der lokalen Politik erleichtert das ökologisch ausgerichtete Vorhaben. Das Umweltreferat der Stadt Nürnberg, das verschiedene Aktivitäten zur Nachhaltigkeit koordiniert, will Leichtelektromobile in der Kommune fördern. So wurde das Velotaxi-Projekt in seiner Vorbereitungsphase mit finanziellen Mitteln für die Öffentlichkeitsarbeit unterstützt. Ziel für die nahe Zukunft jedoch ist, dass sich die Solaren Velotaxen durch geeignete Sponsoren selbst tragen. Ihr wirtschaftlicher Zweckbetrieb ist mittlerweile auch bei der Firma „5 Sinn umWelt“ von Michael Vogtmann angesiedelt, der seit vielen Jahren Erfahrungen mit Leichtelektromobilen gesammelt hat.
„Das Spektrum der solarelektrischen Mobilität umfasst alle Fahrzeugsparten. Es reicht von solar unterstützten Pedelecs, Scootern, Rollern, Autos bis hin zu Booten, Schiffen und Flugzeugen“, erklärt Vogtmann. „Gerade Elektro-Mobile erfahren heute zunehmend Aufmerksamkeit in Wirtschaft und Gesellschaft. Doch nur unter Bezug echten Ökostroms leisten Elektromobile auch einen nachhaltigen Beitrag für den Umwelt- und Klimaschutz.“ Dieser Anspruch gelte auch für die Velotaxen.
Kultig
Über 600 Fahrer von Velotaxen sind in Deutschland jedes Jahr von April bis Oktober unterwegs. Velotaxler kommen aus aller Welt. Ob Schüler, Studenten, Handwerker, Musiker oder Computerprofis, sie alle haben bei Velotaxi einen sportlichen Nebenjob gefunden. Es gilt als sicher: Velotaxen sind bereits heute ein Kult!
Was jedoch fasziniert die Fahrer und Betreiber auch technisch an den Fahrzeugen? Welche Getriebe- bzw. Motorenart kommt hier zum Einsatz? Und welche Erfahrungen konnten in Sachen Nachladung und Speicherung in der jungen Vergangenheit gemacht werden?
Das Konzept der Antriebsunterstützung von Velotaxis sah im Jahr 2009 noch folgendermaßen aus: Für die eingesetzte Muskelkraft mit meist 100–250?Watt menschlicher Leistungsfähigkeit ermöglicht die 14 Gang Schaltung „Rohloff Speedhub 500/14“ eine optimale Kraftübertragung. Der große Vorteil gegenüber der früher eingesetzten 27 Gang-Kettenschaltung besteht in der Schaltgeschwindigkeit, dem einfachen Schalten aller Gänge in einem Drehgriff, und dies sogar im Stand.
Ein im Vorderrad eingebauter 24 Volt Radnaben-Elektromotor mit einregelbaren maximal 250 Watt Leistung wird gespeist von zwei in Reihe geschalteten 12 Volt-Bleigel-Akkus mit je 17 Ah Speicherkapazität. Somit verfügt der Akku bei 24 Volt Betriebsspannung über eine rechnerische Gesamt-Kapazität von 0,4 Kilowattstunden, dies entspricht umgerechnet 4 cl Sprit in einem „doppelten“ Schnapsglas. Der Motor wird nur bei gleichzeitigem Pedelieren zugeschaltet. Über einen Drehgriff wird die Motorleistung stufenlos dosiert.
In der Summe von Muskelkraft und Motorleistung stehen also insgesamt für die Höchstbelastungen beim Anfahren mit zwei Begleitpersonen (Gesamtgewicht dann bis zu 400 kg!) bzw. bergauf bis zu 5% Steigung insgesamt ca. 500 Watt (= 0,7 PS) zur Verfügung. Nach zwei Stunden Fahrzeit mit durchschnittlich 150 Watt Motorleistung war die Batterie bis auf die zulässige Restkapazität von ca. 30% „leer“ gefahren. Zwei Stunden reine Fahrzeit verteilen sich erfahrungsgemäß auf eine gesamten Dauer von ca. drei Stunden. Im Verhältnis zur gesamten Tageseinsatzdauer von ca. 8 Stunden war das nicht sehr viel.
Abhilfe schaffte seit einigen Jahren ein Batterieaustauschsystem. Hierbei wird der leere Akku am passenden Haupteinsatzort (Depot oder Hauptstützpunkt der Velotaxis) in wenigen Handgriffen gegen einen zweiten Akku getauscht, der Tageseinsatz konnte damit auf über 6 Stunden gesteckt werden.
Sonnig
Schon im Jahre 2006 gab es Überlegungen, wie weit die Reichweite der Velotaxis durch den Einsatz eines am Dach angebrachten Solarmoduls erhöht werden könnte.
Dabei wurden folgende Annahmen getroffen: Der Einsatzzeitraum des Solarmoduls ist analog zum Velotaxi von Frühjahr bis Herbst. Die Verschattungen des solar ausgestatteten Velotaxis durch Gebäude betragen zu Beginn und am Ende der Fahrsaison durchschnittlich bis zu 30%, in der Hochsommerzeit lediglich 15%.
Eine weitere Annahme musste bezüglich der Einsatzzeit des Motors getroffen werden. So wurden zwei Fahrertypen unterschieden: Der „Standard“-Fahrer mit nur drei Stunden echter „motorisierter Fahrleistung“ und der „Power“-Fahrer, der mit sechs Stunden Motorbetrieb über den Tag hinweg fast ständig Kundschaft bewegt.
Ausführliche Simulationen an Hand eines 70 Wattmoduls der Fa. Solarc in Berlin und unter Berücksichtigung realistischer Wetterbedingungen ergaben zahlreiche Einzelergebnisse für jeden Tag und jede Woche des Betriebszeitraumes April bis Oktober.
Die Zusammenfassung der Simulationsergebnisse ergab:
- Im Durchschnitt April bis Oktober werden beim Standard-Fahrer etwa 50% der Tageslaufzeit solar gedeckt, beim Power-Fahrer etwa 25%.
- An sonnigen Sommertagen werden beim Standard-Fahrer etwa 100% der Tageslaufzeit solar gedeckt, bei idealen Verhältnissen (keine Verschattung) sogar bis zu 35% darüberhinaus.
- Beim Power-Fahrer werden die o.g. Zeiten etwa zur Hälfte erreicht, die „solare Deckungsrate“ des Velotaxi-Energiebedarfs beträgt an einem sonnigen Sommertag somit ca. 50%.
Ökogenial
Aufbauend auf den damaligen Simulationen und den beiden aktuellen Versionen des Veloform-City Cruisers, des CCI und des CCII, wurden Ende 2009 vom DGS Landesverband Franken e.V., folgende Realisierungswünsche hinsichtlich einer Solardachkonstruktion geäußert:
- Möglichst hoch sollte die solaraktive Fläche und damit die Solarstromausbeute sein, um tatsächlich einen hohen solaren Beitrag zum Tagesbetrieb liefern zu können.
- Gleichzeitig sollte trotz der leicht geschwungenen Form der Chassis-Hauben eine möglichst harmonische Anpassung des Solarmoduls erfolgen.
- Von einer echten Integration musste vorerst abgesehen werden, da hierfür eine komplett neue Konstruktionsweise der Dachhauben nötig wäre.
Auf Basis dieser drei Randbedingungen wurden im Februar 2010 von der auf Kunststoffmodule spezialisierten Fa. „Sunovation“ aus Obernburg / Unterfranken zwei Solarmodultypen entwickelt, die sich bautechnisch insbesondere in einer Hinsicht unterscheiden:
Das Dach des CCI ist ein Panoramadach (siehe Skizze Bild 2), also wurden hierfür die Solarzellen im Panorambereich in größeren Abständen ausgeführt, um den Blick auf den Himmel noch zu gewährleisten, die gesamte Solarmodulfläche beträgt hier 98 x 77 cm.
Beim durchgehenden Dach des CCII konnten die Zellabstände bewusst eng gehalten werden, daraus resultiert die kleinere Solarmodulfläche von 92 x 72 cm. Als Trägermaterial wurde eine Plexiglas Vollplatte konstruiert.
Als Solarzellen kamen die monokristallinen Zellen der Konstanzer Fa. Sunways mit 10 x 10 cm Größe und 1,58 Wp zum Einsatz. Jeweils 44 Zellen pro Modul wurden in Reihe verschaltet, so dass bei 3,1 Ampere Nennstrom pro Zelle und 22 Volt Nennspannung eine gesamte Zellleistung von 69,5 Wp erreicht wird. Die Modulleistung beträgt 67 Wp.
Der erzeugte Solarstrom wird durch ein Solarkabel und einen Laderegler der Firma Steca in den Akku gespeist. Mit der durch das Solarmodul und den Bezug von Ökostrom gespeicherten Energie wird dann bei Bedarf der unterstützende Elektromotor angetrieben.
… Re-Visionen im Herbst
Interessant wird nun beim Betrieb der Solarvelotaxis in Nürnberg sein, ob zumindest an den sonnigen Sommertagen dank Solarmodul auf den Einsatz des Ersatzakkus verzichtet werden kann.
Velotaxi Nürnberg weiß natürlich um die Unsicherheiten von Simulationen und hat vorsichtshalber für jedes Velotaxi einen Ersatzakku bestellt. Wir sind gespannt. Im Herbst wird von der ersten Saison zu berichten sein!
Unter rein monetär betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten sollte die Solarmodulintegration nicht betrachtet werden. Denn: Bei durchschnittlich 2 kWh Solarstromerzeugung pro Woche durch das 67 Wp-Modul über 30 Wochen im Sommerhalbjahr hinweg werden maximal 60 kWh nutzbarer Solarstrom erzeugt und dem Akku bzw. dem Motor zur Verfügung gestellt.
Bei einer angenommenen Strombezugskosteneinsparung von ca. 15.–€/a (bei angenommenen über 10 Jahre hinweg durchschnittlichen 25 Cent/kWh Ökostromkosten) ergeben sich bei der zu erwartenden Lebensdauer von Solarmodul bzw. Velotaxi von 10 Jahren insgesamt 150.– € Einsparung. Hieraus resultiert eine Amortisationszeit von 100 Jahren!
Aber wichtiger ist der tatsächliche Beitrag zur Reichweitenverlängerung der Velotaxen und der sympathische Einsatz der Solartechnik. Dieser ist Teil der Kommunikationsstrategie der DGS hin zu einer nachhaltigen, emissionsfreien, lärmarmen und gleichzeitig lustvollen Mobilität.
Stefan Seufert