Strom & Gas Synergie
Teil 1: Rolle der Brennstoffzellentechnologie am Beispiel des dänischen fossilfreien Energieszenarios 2050: Das Wasser ist die Kohle der Zukunft, schrieb Jules Verne 1870 über die Brennstoffzelle.
Dieser Artikel entstand im Rahmen eines Gesprächs mit Dr. rer. nat. Anke Hagen, Leiterin des Programms für Angewandte Elektrochemie an der Technischen Universität von Dänemark, am Institut für Energieumwandlung und Speicherung mit Hauptsitz auf dem Risø Campus. Sie erläuterte, wie die dänische Vision fossilfreier Energieversorgung 2050 funktionieren kann und welche Bedeutung die Brennstoffzellentechnologie dafür hat. Frau Dr. Hagen ist seit neun Jahren maßgeblich in der Brennstoffzellen- und Elektrolyseforschung aktiv. Ihr Verantwortungsbereich umfasst Brennstoffzellen- und Elektrolysetests ebenso, wie die wissenschaftliche Leitung und Koordinierung anwendungsbezogener Projekte, z.B. EU-ene.field, ein Brennstoffzellen-Mikrokraftwerk (micro-CHP)-Praxistest für verschiedene Gebäudetypen auf Europaebene, mit 60-monatiger Laufzeit.
Im Laufe der Entwicklung der Brennstoffzellen-Technologie der vergangenen 60 Jahre etablierten sich zunächst Hersteller, die reine Brennstoffzellen, und sog. Stapel (engl. Stacks, übereinandergestapelte Zellen) produzierten und am Markt anboten. In Deutschland war das u.a. Staxera. Brennstoffzellen wandeln den Energieträger Wasserstoff, z.B. aus Erdgas, in einem effektiven, lokal emissionsfreien elektrochemischen Prozess in Strom und Wärme um. Dieses Verfahren ist bereits seit 200 Jahren bekannt. Der erste produktive Einsatz von Brennstoffzellen als Energielieferant erfolgte in der US-amerikanischen Raumfahrttechnik der 1960er Jahre, z.B. der Apollo Mondmissionen. Der am 11. April 1970 von der Apollo 13 an die Erde abgegebene Funkspruch „Houston, we’ve had a problem here.“ wurde weltberühmt. Er erfolgte aufgrund der Explosion eines Sauerstofftanks weswegen zwei Brennstoffzellen, die die Stromversorgung an Bord gewährleisteten, abgeschaltet werden mussten.
Von Brennstoffzellen-Stacks zu Mikrokraftwerken (micro-CHPs)
Bei der Anwendung von Brennstoffzellen und Stacks stellte man bald fest, dass es nicht nur auf deren Qualität ankommt, sondern auf eine sehr gute, das bedeutet stabile und leistungsstarke Systemfunktion. Diese Systembalance (Balance of Plant, BoP) wird erst dann erreicht, wenn auch die notwendigen Systemkomponenten, Schnittstellen und Hilfsfunktionen so aufeinander abgestimmt sind, dass dieses System in ein funktionierende Anwendungen eingearbeitet werden kann. U.a. deswegen stockte deren Weiterentwicklung und Kommerzialisierung zeitweise in Europa. Die Zellen-Hersteller erkannten ihre Verantwortung für das Gesamt-Anwendungssystem, kooperierten mit Komponentenherstellern und entwickelten Systeme, z.B. Brennstoffzellen-Mikro-Kraftwerke. „Die Erkenntnisse der Bedeutung der BoP ist ein wichtiger Entwicklungsschritt hin zu den heutigen Brennstoffzellen-Systemen mit hoher Effizienz, stabiler Leistung, sinkenden Herstellungskosten und zufriedenstellendem Komfort“, betont Dr. Anke Hagen. Wolle man die Leistungsfähigkeit verschiedener Brennstoffzellen-Systeme vergleichen, sollte beachtet werden, dass Brennstoffzellen bei der Umwandlung von Gas in Elektrizität Wasser und Wärme produzieren. Der Systemwirkungsgrad (80–90%) entstehe aus den elektrischen (40–60%) und thermischen Wirkungsgraden (40–60%), die je nach Anwendungsziel optimiert werden. Weltweit sind erst wenige solcher (in Feldversuchen getesteten) Gesamtsysteme serienmäßig erhältlich. Die Brennstoffzellen-Thematik sei komplex und Brennstoffzelle sei nicht gleich Brennstoffzelle, kommentiert Dr. Hagen. Zu nennen ist das ENE FARM System vertrieben von Osaka Gas/Panasonic, als erfolgreiches Ergebnis aus dem großangelegten japanischen Brennstoffzellen (SOFC) Forschungs- und Entwicklungsprojekt NEDO. Dort waren neben allen führenden, auch konkurrierenden Unternehmen, sowie verschiedene Universitäten, beteiligt. Dieses Projekt hat der Brennstoffzellenentwicklung und Kommerzialisierung einen wesentlichen Schub versetzt. Seit 2012 wird es in Japan kommerziell vermarktet. Der europäische Markteintritt wird vorbereitet. Das BlueGen-System der deutsch-australischen Firma CFCL, mit deutscher Fertigung in Heinsberg ist ein zweites serienmäßig erhältliches System.
Festoxidbrennstoffzellen (SOFCs engl. Solid Oxide Fuel Cells)
SOFCs gibt es in verschiedenen Formen (flache, runde oder röhrenförmige Zellen), die zur Steigerung der Spannung/Leistung zusammen geschaltet werden. Wesentlich sei, dass Hochtemperaturbrennstoffzellen mit Brenngasen betrieben werden können, die kohlenstoffhaltige Verbindungen enthalten, wie z.B. Erdgas, Biogas oder Synthesegas (eine Mischung aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid). Eine aufwändige Gasaufbereitung und Reinigung wie bei der Niedertemperaturbrennstoffzelle ist nicht nötig.
Festoxid-Elektrolysezellen (SOECs engl. Solid Oxide Electrolysis)
Die Bezeichnung Brennstoffzelle wird verwendet, wenn Strom produziert wird. Transformiert diese Technologie Energie in die andere Richtung, z.B. zur Produktion von Synthesegas, wird die Bezeichnung Elektrolysezelle verwendet. Synthesegas (Wasserstoff + Kohlenmonoxid CO) wird bereits seit vielen Jahren aus Kohle oder Biomasse hergestellt und für die Kraftstoffproduktion (Benzin, Diesel, Methanol) verwendet. Biogas ist eine Mischung aus Methan und Kohlendioxid CO2 und ähnelt dem Erdgas.
EU-Projekt ene.field (2012–2017)
Europa zieht mit der Etablierung der Brennstoffzellentechnologie nach. Zwar werden im deutschen Callux-Projekt europäische Systeme mit sehr gutem Erfolg in rund 800 Anwendungen getestet (2008–2015), weitere Feldtests auf EU-Ebene sind jedoch für die Kommerzialisierung notwendig. Im Rahmen von EU-ene.field werden sowohl SOFC-micro-CHPs wie auch PEMFC-micro CHPs in Privathäusern in 12 EU-Ländern systematisch getestet.
Dänisches Energiezukunftskonzept 2050
Dänemark fördert mit dem visionären Ziel der fossilfreien Energieversorgung des Landes u.a. die Entwicklung und Kommerzialisierung der Brennstoffzellentechnologie als einen Lösungsansatz. Das folgende Konzept verdeutlicht die Bedeutung dieser Technologie für die Produktion und Speicherung regenerativ erzeugter Energie (50% Wind) und der Interaktion von Strom und Gas. Dr. Anke Hagen betont, dass regenerative Energie fluktuierend sei und kurzfristige und langfristige Speicher- und Umwandlungstechnologien zur Gewährleistung der sicheren nationalen Energieversorgung unumgänglich sind. Für kurzfristige Speicherung eignen sich Batterien, für die Langfristspeicherung, wenn der Wind über einige Wochen nicht weht und ganze Regionen mit Strom versorgt werden müssen, sei die „stoffliche“ Speicherung des Stroms in Form eines Gases oder einer Flüssigkeit notwendig. An ihrem Institut wird kontinuierlich an der Optimierung von Material und Struktur gearbeitet, die die die Leistungsfähigkeit, Lebensdauer und Robustheit der Zellen verbessern. Wesentlich sei, so kommentiert die Expertin, „dass wir die grundlegenden Mechanismen kennen und darauf aufbauen“. Mit der Elektrolysezelle (SOEC) soll aus überschüssigem, „kostenfreien Strom“ Wasserstoff oder Synthesegas hergestellt, und in den in Dänemark vorhandenen Gastanks gespeichert werden. Genutzt werden kann diese Energieressource im Verkehrssektor für Treibstoffe (Benzin, Diesel oder Methanol, produziert aus dem Synthesegas); für das Heizen mit Gas (District Heating); oder die Rückumwandlung in Strom (SOFC). Auch wenn es bei dieser Power-Gas-Power-Transformation zu Energieverlusten kommt, hält Dr. Anke Hagen diese Möglichkeit für sinnvoll, wenn überschüssiger Strom verwendet wird und dies effizient geschieht. Auch daran wird an ihrem Institut geforscht. Strom sei eine kostbare und höchst nachgefragte Ressource. Das Institut kooperiert mit führenden Hochtemperaturbrennstoffzellen-Technologiepartnern wie Topsoe Fuel Cell A/S (TOFC), eine Tochter der Haldor Topsoe Company, eine der weltgrößten Katalysatorfirmen, die Hochtemperaturbrennstoffzellen, stacks und Teilsysteme (PowerCore®‘) produziert. TOFC fokussiert hauptsächlich die Märkte: Mikro-Kraftwärme µ CHP für Einfamilienhäuser, Energiesysteme für LKWs oder Schiffe und die leistungsstärkere Strom/Wärmeproduktion für z.B. Supermärkte und Krankenhäuser.
Elke Kuehnle