Bauwerkintegrierte Photovoltaik
Teil 4: Kosten & Wirtschaftlichkeit. Über die Lebensdauer der Anlage kann sie von Fall zu Fall durchaus ihre Mehrkosten wieder einspielen. Eigentlich sollte der Inhalt dieser Folge schnell erzählt sein: Einnahmen aus der BIPV-Fassade minus Kosten gleich Saldo, unterm Strich entweder positiv oder negativ. Punkt. Doch halt, so leicht geht es dann doch nicht. Ausgerechnet bei der BIPV, die unter dem Generalverdacht steht, extrem teuer zu sein, gestaltet sich die Beweisführung für den finanziellen Nutzen als ein besonders schwieriges Unterfangen.
Kriterien zur Beurteilung
Um die Wirtschaftlichkeit eines BIPV-Projektes zu beurteilen, sind die Investition sowie und die laufenden Kosten der Summe der Einnahmen über die Zeit der Lebensdauer gegenüberzustellen. Am schwierigsten dabei ist, Annahmen darüber zu treffen, wie der Wert der Mehrfachnutzen, etwa durch vermiedene Klimatisierung oder Tageslichtgewinne, zu beziffern ist. Hinzu kommt, dass die Preise für die Solarmodule zwar stetig fallen, dies bei der BIPV aber entweder abgeschwächt oder erst später zum Tragen kommt. Die Energiepreise hingegen dürften auch in den kommenden Jahrzehnten weiter anziehen – was zumindest den Einsatz der BIPV immer attraktiver macht.
Erwartungen der Kunden
Eine Untersuchung des Marktforschungsinstitutes EuPD Research aus dem Jahr 2009 zeigte, dass für den Kunden bei BIPV-Produkten neben den Garantiebedingungen vor allem wichtig ist, dass sie eine hohe Effizienz, aber auch einen günstigen Preis aufweisen (Bild 1). Die Befragten gingen mehrheitlich davon aus, dass Module, Montagesysteme und Montagekosten von BIPV-Systemen teurer seien als nicht-integrierte Systeme. Immerhin äußerten aber auch bereits acht bzw. 18?% die Erwartung, dass Montagesysteme und Montagekosten niedriger ausfallen könnten.
Modul- und Systemkosten
Solarmodule zur Gebäudeintegration sind in aller Regel teurer als herkömmliche Module: „Die Kosten liegen – je nachdem welcher Zelltyp verwendet wird – in der Regel zwischen 3 und 20 EUR/Wp, bei Isolierglas oder Sonderformaten noch höher“, sagt Dieter Moor, Geschäftsführer der Ertex Solartechnik GmbH. Dies bedeutet also mindestens das Dreifache von Standardmodulen, die teilweise für unter 1 EUR/Wp zu bekommen sind.
Auf den Quadratmeter bezogen nennt Jürgen Dreßler, Vertriebsingenieur der Solarwatt AG, Modulkosten „je nach Anforderungen am Gebäude von zwischen 300 und 1.200 EUR/m2 und mehr“.
Bei der Roto Dach- und Solartechnologie GmbH betrugen die Systemkosten für Photovoltaikelemente im Januar 2013 netto etwa 245 EUR/m2, ein Quadratmeter bietet hier eine Leistung von ca. 136 W/m2 und je kWp fallen demnach Kosten von netto etwa 1.800 EUR an. Dazu zählten in Deutschland gefertigte PV-Module, Wechselrichter, Kabel, Steckverbinder und die Verblechung zur Ziegeldach-Anbindung. „Bei gleicher Herkunft und Qualität der Ware sind die Module ca. 10?% teurer als Standardmodule“, so Sprecher Tilmann Fabig. Solarthermie-Kollektoren lägen mit ca. 212 EUR/m2 etwa ähnlich im Preis wie Standard-Aufdachkollektoren. Fabig weiter: „Hier kommen jedoch noch weitere Anschlussmaterialien wie Rohrleitungen, Steuerungen, Speicher und Verblechung hinzu.“
Standardmodule senken Kosten
Fachleute sind sich darin einig, dass die hohen Kosten der BIPV oft auch an deren geringen Stückzahlen liegt: „Es ist wichtig, dass man Standardmodule einsetzen kann, damit BIPV-Projekte wettbewerbsfähig werden“, sagt Alessandra Scognamiglio, Projektleiterin der Italienischen Agentur für Neue Technologien. Im BIPV-Bereich erwartet man bei Roto fu?r die Zukunft infolge Überkapazitäten in der Herstellung weiter sinkende Preise – die Preise der Solarthermie indes blieben wohl stabil.
Neben den Modul- bzw. Systemkosten entstehen weitere Kosten: Planungs- und Montagekosten, außerdem Mehrwertsteuer, Wartung und Reparatur, eventuelle Mindererträge infolge Degradation bzw. Betriebsausfällen sowie Versicherungen, Einkommensteuer und Kreditzinsen.
Thermische Systeme besonders effizient
Dass nicht nur im Dach sondern auch an der Fassade eine Kombination von Stromerzeugung und Wärmegewinnung sinnvoll erscheint, beweist die relativ hohe Wirtschaftlichkeit aktiver thermischer Systeme, wie Luft- und Warmwasserkollektoren. Deren Flächenkosten liegen schon längere Zeit zwischen denen passiver thermischer Systeme – wie Wintergärten oder Transparenter Wärmedämmung – sowie hybrider Systeme wie der Bauteilaktivierung. Dies ergab eine Auswertung verschiedener solarer Fassadensysteme in einem Forschungsprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums aus dem Jahr 2005. Gerade solche Systeme ermöglichten die höchsten bauteilflächenspezifischen Energiegewinne 1).
Habenseite: Stromertrag und ersetzte Bauteile
Als Erträge, die den Kosten einer BIPV-Anlage gegenübergestellt werden können, zählen einerseits die Energieerträge aus der Einspeisevergütung über 20 Jahre bzw. der vermiedene Strombezug bei Eigenverbrauch. Der Stromertrag hängt dabei teils vom Standort ab, aber auch den Modulen und ihrer Neigung. Bei Südfassaden ist mit einem Minderertrag gegenüber der optimal geneigten Dachanlage von etwa 30?% zu rechnen (Bild 3).
Indem die BIPV-Module andere Gebäudeteile ersetzen, kann der Wert dieser nicht benötigten Gebäudehüllen-Materialien von den Kosten abgezogen werden. Das gilt auch für jene Planungs- und Montagekosten, die bei einer Referenzfassade angefallen wären. Welche Ersparnisse daraus resultieren, hängt stark vom ersetzten Material ab: Ein Quadratmeter Dachziegel mit Unterbau hat oft nur einen Wert von 40 EUR. „Glasfassaden können aber durchaus 800 EUR/?m2 kosten“, erklärt Jürgen Dreßler von Solarwatt. Schütze und Hullmann gaben bereits 2009 für Marmorfassaden 560 EUR/?m2 und für Doppelfassaden 1.500 EUR/m2 an (Bild 4). Seit damals ist der Baukostenindex um etwa fünf Prozent gestiegen, was für heutige Preise mit zu veranschlagen wäre.
Vermiedene Klimatisierungskosten
Fassadenintegrierte Photovoltaikanlagen können durch ihre Verschattungsleistung den Klimatisierungsbedarf im Gebäude senken: Eine Diplomarbeit von Werner Krejci, der diese an der Fachhochschule Technikum in Wien im Auftrag von Ertex Solar erstellt hat, belegt dies mit Zahlen. Dabei verglich er die Gesamtkosten verschiedener Glasfassadensysteme mit einer Fläche von 7,5 Quadratmetern für den Zeitraum von 20 Jahren.
Bei der alleinigen Betrachtung der Investkosten ist dabei die Isolierglasfassade am günstigsten und die PV-Fassade die teuerste. „Sobald aber die Solarstromgewinne aber vor allem die vermiedenen Kosten der Klimatisierung aufgrund der Verschattung mit einbezogen werden, dreht sich der Spieß um“, erklärt Dieter Moor von Ertex Solar.
Bei Annahme entsprechender Quadratmeter-Glaskosten, Stromkosten, Einspeisetarifen usw. habe die Simulation ergeben, dass Investkosten plus Betriebskosten bei einer Isolierglasfassade 5.700 EUR, bei einer PV-Fassade 3.400 EUR, einer Isolierglasfassade mit PV-Verschattung 3.315 EUR und einer Fassade mit speziellen Sonnenschutzgläsern 2.550 EUR ausmachen. Moor folgert daraus: „Es wird ersichtlich, dass die Fassade mit dem Sonnenschutzglas noch die günstigste ist, aber die PV-Fassade deutlich preiswerter als die vermeintlich attraktive Isolierglasfassade ist“ (Bild 5).
Tageslicht und andere Zusatznutzen
Weitere Erträge sind durch Tageslichtgewinne zu erwirtschaften. Wieder eine Diplomarbeit aus Wien, von Walter Laserer für Ertex Solar erstellt, berücksichtigte dazu das Freihalten bestimmter Bereiche in der Verglasung, um Semitransparenz zu erzielen. Dies genüge in der Regel, um ein Büro mit dem notwendigen Tageslicht zu versorgen, so das Ergebnis. Weitere Zusatznutzen ermittelten Hullmann und Schütze in ihrem Beitrag zum OTTI-PV-Symposium im Jahre 2011. So könnten Funktionen wie Wetterschutz, Schallschutz, Antennenfunktion oder gestalterische Aufgaben (siehe Folge 1 dieser Serie) mit ihrem jeweiligen Wert von den Gesamtkosten abgezogen werden.
Gesamtkostenrechnungen
Die oben genannten Arbeiten aus Österreich führen frühere Gesamtkostenbetrachtungen fort, wie sie bereits am ISET in Kassel, dem Vorläufer des heutigen IWES, angestellt worden waren: Das 2008 gestartete Projekt „PV-Multielement“ hatte damals schon gezeigt, dass BIPV-Anlagen durchaus nahe der Wirtschaftlichkeit sein können. Damals griff man auf eine Studienarbeit aus dem Jahr 1998 von Bendel, Menges und Weißner zurück, welche errechnet hatten, dass BIPV die geringsten Zusatzkosten erzeugt, wenn sie eine Fassade aus nahtlosen Glaselementen (Structural Glazing) ersetzt (Bild 6).
Neben dem Ersatz von Structural Glazing erwies sich BIPV als wirtschaftlichste Alternative zu Doppelglas- und Natursteinfassaden. In allen Fällen war sie zwar teurer als eine herkömmliche Fassade. Beim Ersatz von Structural Glazing waren es etwa 35?%. Diese Mehrkosten seien jedoch bis 2007 auf 10–12?% gesunken und seit 2008 nicht mehr existent, ergab anschließend die Multielement-Auswertung.
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Martin Frey