Solarthermie – der schlafende Riese
Alle Welt spricht von der Nutzung der Photovoltaik. So sagen die Zahlen der Bundesnetzagentur, dass in Deutschland im laufenden Jahr mehr Photovoltaikanlagen auf Dächern und Freiflächen errichtet wurden denn jemals zuvor. Ca. 1.500 Megawatt an Photovoltaik-Leistung seien in den Monaten Januar bis September 2009 neu ans Netz gegangen. Wenn man von einem deutschen Gesamtmarkt von 2,4 bis 2,5 Gigawatt im Jahr 2009 ausgeht, dann hat sich das Marktvolumen der Photovoltaikanlagen fast verdoppelt.“
Wo bleibt die Solarthermie?
Laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) lag der Anteil der Erneuerbaren Energien am Wärmeendenergieverbrauch in Deutschland 2008 bei 7,4 %. Bei einem gesamten Wärmeendenergieverbrauch von rund 1.400 TWh/a entspricht dies etwa 104 TWh. Den Löwenanteil daran hat derzeit die Bioenergie mit rund 97 TWh (6,9 %), einen kleinen Teil deckt die Geothermie mit rund 2,5 TWh (0,2 %). Der Beitrag der Solarthermie zum gesamten Wärmeverbrauch in Deutschland betrug etwa 4 TWh. Dies entspricht einem Anteil von nur 0,3 % am gesamten Wärmeverbrauch, was für die Energiequelle mit dem größten Potenzial verschwindend gering ist.
In Deutschland waren 2008 etwa 11,3 Mio. m2 Kollektorfläche installiert. Das entspricht einer Leistung von ca. 7.900 MW und damit rund 100 W Kollektorleistung pro Einwohner. Bei einer Leistung von 700 W/m2 Kollektorfläche sind dies etwa 0,14 m2 Kollektorfläche pro Einwohner.
2008 wurden in Deutschland 2,1 Mio. m2 Kollektorfläche neu installiert, was etwa 210.000 Solarthermischen Anlagen entspricht. Zum Vergleich: Laut Bundesindustrieverband Deutschland Haus-, Energie- und Umwelttechnik e.V. (BDH) wurden 2008 616.000 Wärmeerzeuger (Öl, Gas, Holz, Wärmepumpen) verkauft. Das heißt, dass jede 3. Heizungsanlage in Kombination mit einer Solarwärmeanlage installiert wurde. Interessant an den Zahlen des BDH ist auch, dass alleine die in 2008 verkauften Festbrennstoffkessel (Pellet, Holz, usw.) im Vergleich zum Vorjahr einen Zuwachs von 100 % hatten. Das ist ein Hinweis darauf, dass die Verbraucher die Vorteile einer solchen Kombination (nachhaltig und CO2-neutral) klar erkannt haben.
Denkt man einen Schritt weiter, so kommt man auch an den sogenannten Sonnenhäusern nicht mehr vorbei. Der solare Deckungsgrad der meisten Sonnenhäuser liegt zwischen 60 und 80 %. Aber auch Sonnenhäuser mit Deckungsraten von 100 % sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Allein in den vergangenen zwei Jahren sind in Deutschland über 100 neue Sonnenhäuser im Alt- und Neubaubereich realisiert worden. Bei einem jährlichen Neubauvolumen von ca. 200.000 Wohneinheiten in Deutschland ist das Potenzial allerdings bei weitem nicht ausgeschöpft.
Wenn die Solarthermie einen nennenswerten Beitrag an der zukünftigen Wärmeerzeugung in Deutschland haben soll, muss ihr Anteil am gesamten Endenergieverbrauch deutlich gesteigert werden. Legt man einer Kalkulation z.B. nur das Ziel der Bundesregierung (14 % Anteil der Erneuerbaren Energien am Wärmeenergiebedarf bis 2020) zugrunde, so ergibt sich mit einem steigenden Anteil der Solarthermie an den Erneuerbaren Energien etwa der Faktor 2 bis 3 der augenblicklichen kumulierten Leistung bzw. Kollektorfläche. Ein wenig ambitioniertes Ziel, was jedoch immerhin einen Zubau von etwa 10 bis 20 Mio. m2 Kollektorfläche bis 2020 zur Folge hätte. Legt man der Kalkulation jedoch das Ziel zugrunde, dass 2020 pro Einwohner 1 m2 Kollektorfläche installiert sein soll, sprechen wir von einer Steigerung um den Faktor 7 und damit einem Zubau von etwa 70 Mio. m2 Kollektorfläche bis 2020.
Dieses Ziel ist erreichbar. Bei in den kommenden Jahren weiteren Preissteigerungen für Öl und Gas wird die Solarthermie zum Selbstläufer werden, da die Hausbesitzer dann zunehmend sensibilisiert werden. Auch sind die Kostenreduktionspotenziale in der Produktion der Kollektoren noch nicht ausgeschöpft. Die derzeitigen Förderprogramme der Bundesregierung könnten dann schnell überflüssig werden.
Bis dahin sollte die Zeit genutzt werden, die Qualität der gebauten Anlagen permanent zu verbessern und für eine solide Ausbildung der Handwerker und Planer zu sorgen. Dann wird der schlafende Riese schnell erwachen.
Inhalt
- Große Vision – Trübe Aussicht?
Europäische Kommission stellt Strategie für das Jahr 2020 vor - Wieviel Wandel muss sein?
Die Rolle der Stadtwerke bei der Förderung Erneuerbarer Energien bei Streitgespräch in Nürnberg diskutiert - Power MEMS
Kleine Solarkraftwerke aus dem All - Wachstumsmarkt Holzenergie
Druck auf natürliche Ressourcen – Ist genug Wald da? - Leere Versprechungen?
Verbesserung der Energieeffizienz von Wärmepumpen durch Erneuerbare Energien – Stellungnahme zu einer Studie der TU München - Die Netzintegration von Elektrofahrzeugen
Grundlagen und Konzepte von Strom(tank)stellen - Wesentlicher Meilenstein für Pkw-Elektrifizierung
CNA-Innovationspreis „Intelligenz für Verkehr und Logistik“ für Conti - „Schwarze Schafe“ besser erkennen
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„Lighting Up Kenya“ mit Regenerativ-Strom und mehr - Gebündeltes Know-how
Dr. Uwe Hartmann, Markus Metz