Energiewende von unten (Teil 1)
Bürgerenergiebewegung als treibende Kraft: Die Meseberger Beschlüsse der Bundesregierung vom 22. Januar 2014 zu den reduzierten Ausbauzielen der Erneuerbaren Energien und zur Reform des EEG werden, so ist zu befürchten, eine Verlangsamung der Energiewende einleiten. Dies ist klimapolitisch bedauerlich, denn der Motor der Transformation der Volkswirtschaft in eine nachhaltige Wirtschaft und Gesellschaft wird gebremst. Einen Zusammenbruch oder eine Abwicklung des bisher Erreichten wird dies nicht bewirken. Vielleicht eher das Gegenteil. Angesichts des Zusammenwachsens von Strom und Wärme könnte dies den Weg in ein Energiesystem 2.0 schneller öffnen, vor allem die stockende Modernisierung im Wärmesystem stärker in den Fokus rücken.
Beginnen wollen wir in einem ersten Teil mit dem was gemeinhin als Bürgerbewegung oder „Energiewende von unten“ bezeichnet wird. Ihre Akteure und Ressourcen wollen wir genauer beleuchten. Vertreter der Regierungsparteien sprechen gern von großen Hindernissen, die von Bürgerinitiativen ausgingen, von zu hohen Kosten, die durch die Erneuerbaren Energien entstünden und die den Bürgern nicht länger zuzumuten seien. Dies ist „Monopolistensprech“. Denn tatsächlich ist so ziemlich das Gegenteil der Fall. Auch wenn der Begriff der „Energiewende von unten“ wenig trennscharf ist und er eher als agitatorische Formel anzusehen ist, lassen sich die Akteure dieser Bewegung klar benennen. Es sind
- Hundertausende von Privatinvestoren, die auf ihre eigenen Dächer Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen gebaut haben oder ihr Geld in Solar- oder Windparks investiert haben
- die nahezu 1.000 Energiegenossenschaften, die eine traditionelle Organisationsform mit dem neuen Thema der Energieerzeugung kombiniert haben
- Kommunen und Landkreise, die sich aus wohl verstandenem Eigeninteresse der Energieerzeugung und -verteilung zuwenden; mehr als 100 Landkreise, Gemeinden und Regionalverbünde haben sich mittlerweile im Projekt 100%-Erneuerbare-Energie-Regionen (kurz 100ee-Regionen) zu einem bundesweiten Netzwerk zusammengeschlossen
- aber auch eine unüberschaubare Anzahl von Klein- und mittelständischen Betrieben, die in Handel und Handwerk regenerative Energieanlagen installieren, vertreiben und warten; viele sehen sich als Teil dieser Bewegung.
Breite Bürgerschichten als treibende Kraft
Diese Akteure leben und arbeiten mitten in der Gesellschaft, haben ihr Geld bewusst nicht in den inzwischen fragilen Produkten der Finanzindustrie angelegt, sondern sich entschieden, EE-Produzent zu werden. Sie sind vernetzt, informieren sich aus Fachpublikationen, die jenseits der großen Mainstream-Medien entstanden sind und sie sind einer der aktivsten Bestandteile der Zivilgesellschaft. Ihre Verankerung zeigt eine Umfrage von TNS Infratest, welche die Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) 2013 in Auftrag gegeben hatte. Danach „halten 93 % der Bundesbürger den verstärkten Ausbau der Erneuerbaren Energien mindestens für wichtig, sehr wichtig, bzw. für außerordentlich wichtig. Sogar höhere Strompreise würden mehrheitlich akzeptiert. Diese Zustimmung zieht sich quer durch alle politischen Zugehörigkeiten, Bildungsniveaus, Altersschichten und Einkommensklassen. Rund 65 % der Bürger finden Ökokraftwerke in ihrer Nachbarschaft sehr gut oder gut, wobei die Zustimmung sogar steigt, wenn sie bereits Erfahrungen mit erneuerbaren Kraftwerk gemacht haben.“
Auf dem „100% Regionen Kongress“ in Kassel, der jährlich im September stattfindet und von den Mainstream-Medien weitgehend missachtet wird, wurde eingeschätzt, dass sich die Energiewende in der Fläche Deutschlands, in den Regionen und Gemeinden entscheidet. Die kommunale Wertschöpfung ist längst dabei, sich zu einem wirtschaftlichen Motor in den Bundesländern zu entwickeln. Akzeptanz und Partizipation durch die Bürger entwickeln sich dabei zu einer entscheidenden Größe. Das Ganze ist vor allem steuerlich für die Gemeinden vor Ort relevant, wenn es darum geht, wer die Flächen nutzt, Bürger vor Ort oder ortsfremde Großinvestoren.
Diese Entwicklung ist nicht neu, sie ist in 30 Jahren, also im Verlaufe einer ganzen Generation, gewachsen. Bürgerinnen und Bürger sind es gewesen, die gegen Atomkraft demonstriert haben, die sich gegen alle Widerstände die Solaranlagen auf die Dächer gesetzt haben, die Bürgerwindparks gegründet und Bioenergieanlagen aufgestellt haben. Und sie sind es gewesen, die ihre Häuser gedämmt, stromsparende Haushaltsgeräte angeschafft, günstigere Stromtarife nachgefragt und durch ihr Engagement die Politik beeinflusst und mitgestaltet haben.
Betrachten wir die zwei Jahre bis zum Ende der schwarz-gelben Koalition genauer, also die Zeit, die vordergründig medial von der Parole der Strompreisbremse und faktisch von einer massiven Belastung der Konsumenten durch die Umschichtungen bzw. Befreiungen von der EEG-Umlage geprägt war: Nach dem von der Bundesregierung am 30. Juni 2011 beschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie hat sich die Partizipation der Bürger verstärkt auf die Energiewende konzentriert. Sowohl politisch wie auch bezüglich der Investitionen hat dies gewissermaßen eine neue Qualität erreicht: Die Bürgerpartizipation ist zu einer conditio sine qua non der Energiewende geworden.
Ihre materielle Basis fand dies in der zunehmend rasanten technologischen Entwicklung der Erneuerbaren Energien. Die Stromerzeugung aus Photovoltaik und Windanlagen erreichte ein Niveau, das die Existenz der großen Kraftwerke wirtschaftlich in Frage stellt. Die lang erwartete Grid Parity war bei modernen Strom- und Windkraftanlagen erreicht. Ökostrom ist mit rund neun Cent/kWh tendenziell billiger als Kohle- und Atomstrom. Wie zum Beweis dessen, endet die Bilanz des Stromkonzerns RWE für das Jahr 2013 mit einem Verlust von knapp drei Milliarden Euro, mit einer Dividende werden die Aktionäre nicht rechnen können. Auch Vattenfall Europe operiert mit roten Zahlen, andere Konzerne werden folgen.
Entgegen manch pessimistischer Einschätzung nach den Energiewendebeschlüssen der Regierung im Jahr 2011 haben sich die Umweltverbände, Solarinitiativen und Privatinvestoren nicht hinter den erreichten Stand zurückdrängen lassen, sondern dazu beigetragen, die Dezentralität der Energieversorgung weiter zu entwickeln. Der vielbeschworene Ausbau des großen Übertragungsnetzes, des Backbone der Stromkonzerne, blieb stecken, während die bürgerschaftlichen Aktivitäten auf der Verteilnetzebene weiter liefen.
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Klaus Oberzig, Dr. Gerd Stadermann