Die Revolution frisst ihre Kinder?
Es traf uns wie ein Schock – der Solarthermie-Dino Wagner & Co Solartechnik aus Cölbe meldet Insolvenz an. Während bislang die Pionierunternehmen der Solarbranche eher verschont blieben, trifft es nun auch einen Akteur der ersten Stunde. Viele von uns können sich noch sehr gut an den Sunstrip-Absorber und die Selbstbau-Bibel „So baue ich eine Solaranlage“ erinnern.
Soziale Marktwirtschaft?
Ist diese Insolvenz nur eine ökonomische Konsequenz, eine Art natürliche Folge, wie bei nahezu jeder erfolgreichen Marktentwicklung, bei der nach der ersten Euphorie die Konsolidierungsphase einsetzt, bevor es dann zu einem stetigen Wachstum kommt? Der Solarthermiemarkt der letzten Jahre könnte dies bestätigen. Nach dem umsatzstärksten Jahr 2008 mit über zwei Mio. m2 installierter Kollektorfläche folgten die Jahre der Ernüchterung und schließlich das Einpendeln auf dem Eine-Million m2-Plateau. Die Antragszahlen aus dem Bafa für dieses erste Quartal 2014 sehen zwar besser aus als im Vorjahr, aber die Zuwächse sind bei dem aktuellen Marktniveau letztendlich nicht riesig.
Der Solarwärmemarkt war noch nie ein Selbstläufer. Die Korrelation mit den Ölpreisen oder auch den Förderprogrammen, eine zeitlang als wesentliche Treiber ausgemacht, wird stark verzerrt von den aktuellen energiepolitischen Zielvorstellungen bzw. deren medialer Präsentation, Stichwort Energiewende. Hier hat man den Eindruck, dass nicht das Volk, sondern die Energieriesen E.ON, RWE, EnBW, Vattenfall und EWE bestimmen, wo es energetisch lang geht und Arbeitsplätze in der Kohleindustrie auf dem Spiel stehen, die Arbeitsplätze in der Solarbranche jedoch nicht wahrgenommen werden.
Als der sich damals noch in der Oppositionsrolle befindende Sigmar Gabriel im August 2013 Wagner & Co besuchte, hieß es noch: „Unsere Aufgabe ist es dann, innerhalb dieser Rahmenbedingungen Lösungen in Form von Energiekonzepten zu entwickeln, die größtmögliche Energiefreiheit für den Verbraucher bieten und dieser Herausforderung stellen wir uns gerne“. Wir sollten ihn beim Wort nehmen.
Noch ist nichts entschieden!
Aber die Solarbranche und auch Wagner & Co sollte man nicht so schnell in den Wind schreiben. Die Zukunft ist solar und so sieht das auch die Belegschaft in Cölbe. Vom Arbeitsplatzverlust bedroht reiste man nach Berlin, um gemeinsam mit 12.000 Bürgern für die Zukunft der Solarenergie zu demonstrieren. Gleichzeitig versuchen die verbliebenen Solar-Spezialisten mit Kunden und interessierten Bürgern eine Fortführung zu realisieren. Kurzfristig möchte man beim Insolvenzverwalter ein Angebot abgeben, Interessierte können sich schon jetzt melden 1). Das Unternehmensmodell ist es wert. Seit 1978 befindet sich Wagner & Co zu 100% in Mitarbeiterbesitz. Gegründet von neun Studenten hat man in den 35 Jahren die Transformation von einer Solarszene in die Solarbranche prägend mitgestaltet. Das kann es doch noch nicht gewesen sein. Mit Wagner & Co würden wir einen der Mitbegründer und Architekten des Solarzeitalters verlieren.
Unabhängig davon, ob neben der Marktentschleunigungspolitik auch andere, innere Faktoren für diese negative Entwicklung verantwortlich sind, wünschen wir den Menschen, die mit Wagner & Co für eine Lösung kämpfen, viel Kraft und einen langen Atem bei ihrer Herkulesaufgabe, nach der Devise: „Jetzt erst recht!“.
Bernhard Weyres-Borchert, Matthias Hüttmann