Der dynamische Energiemanager
Anlagenaufwandszahl ep versus Dämmung: Wir haben kein Energieproblem, wir haben ein Speicher- und Regelungsproblem. Regenerative Energien stehen überall in Hülle und Fülle zur Verfügung. Auf einem einzigen Quadratmeter Grundstückfläche im Raum Berlin könnten pro Jahr theoretisch über 1.000 kWh Sonnenwärme geerntet werden, ohne dass auf absehbarer Zeit irgendein Finanzminister diese besteuern könnte. Erdreich, Luft, Wasser, Abwasser, Prozesswärme sind weitere Energiequellen. Wenn wir nur ein Prozent dieser jährlich zur Verfügung stehenden Energie aus der Umwelt leihen würden, könnten wir unsere Gebäude bilanziell komplett mit regenerativen Gratisenergien versorgen.
Das Problem: Gerade Solarenergie ist unstetig und steht durch ihre volatile Eigenschaft oft dann nicht zur Verfügung, wenn sie gebraucht wird. Der Fokus beim Einsatz von regenerativer Energie muss daher auf die Themen saisonale Speicherung, Regelung und wirtschaftliche Schaffung einer hohen Anlageneffizienz gelegt werden. Ebenso muss über den Strom- und Wärmebedarf von Gebäuden nachgedacht werden. In der Wohnungswirtschaft besteht zum Beispiel der Energiebedarf zu ca. 80 % aus thermischer Energie und nur zu ca. 20 % aus Strom.
Es ist zwar unbegreiflich, dass es in der heutigen Energiediskussion noch angesprochen werden muss, aber das politische, wirtschaftliche und ökologische Ziel der Energieeinsparverordnung ist die Reduzierung des CO2-Ausstosses und damit des Primärenergiebedarfes. Dieser berechnet sich aus einer einfachen Multiplikation aus Transmissions- und Lüftungswärmeverlust mit der Anlagenaufwandszahl ep. Wir dämmen, reduzieren den Wärmeverlust über die Gebäudehülle ad absurdum ohne gleichzeitig über ep zu diskutieren! Der ep-Wert kann aber 1,2 (z.B. aus Basis von Gasthermen) oder 0,6 betragen (aus Basis von Wärmepumpen in Kombination mit Solar), er kann bei alten Anlagen auch 3,0 und höher sein.
Wenn wir nachhaltig den CO2-Ausstoss reduzieren wollen, bedeutet dies Energieeffizienz und der dazu benötigte Ressourcenaufwand, Stichwort Graue Energie, zusammen zu betrachten, sonst wird aus der Energieeinsparung eine staatlich subventionierte Energie- und Ressourcenverschwendung mit Müllentsorgung zum Dessert. Das Letzt genannte geht ja leider erst unsere Kinder etwas an.
Anlagensystem auf Basis regenerativer Energien
Grundlage einer hohen Anlageneffizienz mit einer niedrigen Anlagenaufwandszahl ep, ist die Fähigkeit, thermische Energie (Abluft, Sonne, Erdreich etc.) maximal ins Heizsystem zu integrieren und Überschüsse über einen längeren Zeitraum zu puffern bzw. bedingt saisonal zu speichern, damit sie je nach Nutzeranforderung immer sicher bereit stehen.
Basis dieses Anlagensystems ist somit das Wissen um die Langzeitpufferung regenerativer thermischer Energie in Kombination mit einer dynamischen, zentralen Steuerungs- und Regelungstechnik, die alle peripheren Geräte (Wärmepumpe, Solaranlage, Schichtenspeicher etc.) ansteuert.
Ähnlich wie in den Untersuchungen des Passivhausinstituts zu einem saisonalen Wärmespeicher über Sole-Register unter der Bodenplatte eines Passivhauses mit Dämmschürze 1), handelt es sich beim saisonalen Erdspeicher eTank um einen offenen Pufferspeicher unter oder neben dem Gebäude. Er wird oszillierend be- und entladen, unterscheidet sich aber im Systemaufbau wesentlich vom Saisonalspeicher der Untersuchung (siehe nachstehende Tabelle).
Die in der Gesamtbewertung des Abschlussberichts vom Passivhausinstitut angemerkten Optimierungspotentiale (u.a. richtig dimensionierte Wärmepumpe, hydraulische Optimierung, Optimierung der Regelung, Optimierung der Erdreich-Wärmeüberträger) sind im eTank-System bereits integriert. In mehreren, voneinander unabhängigen Projekten (Wohn- und Gewerbebau) wurden Heiz- und Kühlsysteme auf Basis der offenen oszillierende Pufferspeicher-Technik (ooPS-Technik) mit einer Anlagenaufwandszahl ep kleiner 0,3 realisiert und die entsprechende Energieeffizienz nachgewiesen. Bei diesen niedrigen Werten erscheint es grob fahrlässig, nicht über den Energiebedarf zur Erzeugung von Dämmung und der damit verbundenen Heizenergieeinsparung nachzudenken, dazu später mehr.
Ein großes Einsparpotential findet sich in der Optimierung des gesamten Anlagensystems, der Grundlage für eine warmmietenneutrale Sanierung. Dem dynamischen Energiemanager (DEM) kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu.
Der DEM verfügt über zahlreiche Messeinrichtungen, über die Heizwärme- und Warmwasserverbrauch, der thermische Solareintrag, der geothermische Energiegewinn, der Energiegewinn über die Abluftwärmepumpe sowie der Stromertrag mittels Photovoltaik in Echtzeit gemessen und ausgewertet werden. Dadurch kann das System hinsichtlich Gleichzeitigkeitsfaktoren und Nutzerverhalten im laufenden Betrieb angepasst und optimiert werden. Zudem kann in die Anlagentechnik über Ferndiagnose direkt eingegriffen werden, die Fehlererkennung liegt bei über 95 %.
Langzeituntersuchungen zur Gleichzeitigkeit an bereits umgesetzten Anlagen haben ergeben, dass bei der Bewertung der Gleichzeitigkeitsfaktoren in einem Gebäude ein enormes Optimie-rungspotential schlummert. Werden die Anlagensysteme der einzelnen Gebäude zusammengeschlossen und in ihrer Leistung optimiert, erhöht sich dementsprechend die Energieeffizienz, Kosten werden reduziert.
Zukunftsfähigkeit durch Regelenergie
Über den DEM als Informationssystem werden thermische Kapazitäten ermittelt und der Verbrauch gesteuert. Diese Daten sind ebenso Grundlage für ein elektrisches Lastmanagement. Der DEM wird in einem ZIM-Projekt 2) der eZeit-Ingenieure um das Modul des Strommanagers erweitert. Zielsetzung ist die Steuerung und Regelung von Strom aus regenerativer Erzeugung zur erhöhten Eigennutzung bzw. zur Speicherung in stationären sowie beweglichen Batterien (eMobilität).
Mit der Erhöhung des Eigennutzungsgrades aus der Stromproduktion und der thermischen und elektrischen Vernetzung verschiedener Gebäude in Rahmen eines „Micro Grid“-Ansatzes, kann auch der wichtigste Kritikpunkt einer dezentralen Energieversorgung entfallen: Das Stromnetz wird durch Eigenproduktion von Strom nicht zusätzlich belastet, da der Strom selbst genutzt wird. Außerdem kann der eTank als Massenspeicher bei Großanlagen in zweifacher Hinsicht stabilisierend im Stromnetz eingebunden werden:
Bei Stromüberschuss kann kurzfristig Strom in thermische Energie umgewandelt und im eTank gespeichert werden (power to heat). Über die Wärmepumpen wird die Energie äußerst wirtschaftlich wieder ins Heizsystem zurückgeholt.
Bei Stromunterdeckung können die Wärmepumpen zeitlich begrenzt abgestellt werden, da über das Grundlastmanagement des DEM die stabile Wärmeversorgung gesichert werden kann.
Diese stabilisierende Wirkung und Bereitstellung von Regelenergie ermöglicht komplett neue Wege der Anlagenkonfiguration. Wenn Energieerzeugung und Speicherkapazität vernetzt werden, können durch Gleichzeitigkeitsfaktoren weitere Ressourcen und Kosten eingespart werden. Eine Reduktion durch Kombination führt immer zu Energie- und Ressourceneffizienz.
Heiz- und Kühlsysteme auf der Basis der ooPS-Technik müssen nicht zwangsläufig mehr mit solarthermischen Anlagen bestückt werden. Sie ermöglichen z.B. den Aufbau von verlustarmen Kalt- und auch Warmnetzen, sei es in der Koppelung verschiedener Einfamilienhäuser, über den Zusammenschluss innerhalb von Quartieren bis hin zu ganzen Stadtteilen. Das System ist skalierbar.
Durch den Einsatz von regenerativen Energien in der Gebäudetemperierung und Warmwassererzeugung auf der Basis der ooPS-Technik wird zudem eine niedrige Anlagenaufwandszahl ep von deutlich unter 0,3 erreicht. Je kleiner dieser Wert ist, desto mehr liegt der Fokus auf der Grauen Energie.
Die Graue Energie, d.h. die benötigte Primärenergie zur Herstellung z.B. eines Wärmedämmverbundsystems bekommt einen neuen Stellenwert. Hier schlummert ein weiteres enormes Energie- und Ressourceneinsparpotential, ohne Aspekte des Komforts und der Behaglichkeit zu vernachlässigen und trotzdem einen tiefen Primärenergiewert zu erreichen. In dieser Kombination, d.h. mit der energetischen und wirtschaftlichen Abstimmung von ep zum spezifischen Transmissionswärmeverlust Ht‘ können komplett neue Wege einer ganzheitlichen Energie- und CO2-Einsparung gegangen werden.
„Wirtschaftlichkeit“ der Gebäudehülle – ökonomisch und ökologisch
Energieoptimiertes Bauen sollte ganzheitlich durch Optimierung von Haustechnik und Gebäudehülle geplant und umgesetzt werden. Jedes Gebäude muss hinreichend gedämmt sein. Aus Gründen der Behaglichkeit sollte zum Beispiel bei einer Raumtemperatur von 21°C auf der dem Raum zugewandten Außenwandoberfläche eine Temperatur von ca. 18°C erreicht werden. Zum Erreichen der behaglichen Oberflächentemperatur reicht in der Sanierung oft schon ein 6 cm starkes Wärmedämmverbundsystem (WDVS) aus (siehe Bild 2). Tatsächlich fordert die EnEV eine Mindestdämmstärke von 12 cm, erst mit 14 bzw. 20 cm werden die Mindestanforderung des KfW 85 bzw. 55 Effizienzhauses erreicht.
Damit werden weit höhere Innentemperaturen erreicht, als es für die Behaglichkeit erforderlich wäre. Selbst bei einer Dämmstärke von 6 cm und bauphysikalisch richtig geplanter Wärmebrückenausbildung werden zu keinem Zeitpunkt kritische Temperaturen erreicht, die zu Tauwasserbildung führen können, Grundlage für Schimmelbildung.
Die Sanierung einer Genossenschaftsanlage der Märkischen Scholle in Berlin zeigt aber ein weiteres Dilemma auf (siehe Bild 3). Bei einer Dämmstärke des WDVS von ca. 10 cm bis 12 cm kann bereits der gesamte Energiebedarf zur Gebäudetemperierung vor Ort selber erzeugt werden. Zusätzliche Dämmung führt nur zu einem erhöhten Verbrauch von Grauer Energie und damit verbundenen CO2-Emissionen, ohne eine vertretbare Einsparung von Primärenergie und CO2 bei der Gebäudetemperierung zu bewirken, da der für die Herstellung dieser Materialien benötigte Energiebedarf in keinem adäquaten Verhältnis mehr zu einer eventuell weiter erreichbaren Heizenergieeinsparung steht. Wenn die Dämmstärke des WDVS auf Basis von EPS von 14 auf 16 cm erhöht wird, sind für die Herstellung dieser zwei Zentimeter umgehend 10.894 kWh Primärenergie notwendig. Durch die Dämmwertverbesserung werden wahrscheinlich 971 kWh Heizenergie pro Jahr eingespart. Angenommen, die Heizanlage produziert die Heizenergie über Gas mit einer ep-Zahl von 1,0 (theoretisch 100 %iger Wirkungsgrad ohne Verteilverluste), dauert es 11,2 Jahre, bis die zur Herstellung benötigte Primärenergie wieder eingespart ist. Bei einer ep Zahl von 0,3 dauert es entsprechend bereits 37,4 Jahre. Wenn man nun die bei der Herstellung emittierten CO2-Äquivalente in Bezug zur regenerativen CO2-freien Energieerzeugung des Heizsystems setzt, schlagen bereits bei 2 cm Mehrstärke über 100 Jahre zur „Amortisation“ zu Buche. Laut Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) beträgt die Nutzungsdauer des WDVS lediglich 40 Jahre!
Mit einer Fassadendämmstärke von 14 cm und einer tiefen ep-Zahl wird bei dem in Bild 3 dargestellten Gebäude ein Primärenergiebedarf von ca. 15,2 kWh/(m2.a) erreicht. Die Anforderungen an das KfW 70 oder 55 Effizienzhaus werden aber nicht erfüllt, da die KfW eine höhere Dämmstärke fordert, obwohl der Primärenergiebedarf die Anforderungen an das KfW 40 Effizienzhaus erfüllt: Eine nicht nachvollziehbare Forderung.
Bereits mit 10 bis 12 cm Dämmstärke wird der komplette Energiebedarf regenerativ, wirtschaftlich und nachhaltig vor Ort erzeugt. Die Finanzierungsmechanismen des Staates über die KfW greifen aber erst, wenn 14 bzw. 20 cm und mehr gebaut werden. Klar ausgedrückt bedeutet dies für diese Gebäude, die für einen großen Wohnungsbestand in Deutschland stehen: Volkswirtschaftlich fragwürdige Marktanreize, Subvention von CO2-Ausstoß, Förderung zukünftiger (Sonder-) Müllproblematik.
Dabei sollte beachtet werden, dass der Nutzer durch eine erhöhte Fassadendämmstärke nur bezüglich der Behaglichkeit profitiert, die dadurch erreichte Energiekosteneinsparung hält sich oftmals in Grenzen. Auf Themenkreise wie geringerer Lichteinfall, Verlust an Wohnfläche, Veralgung der Fassade etc. kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden.
Der Mehrwert einer effizienten Anlagentechnik ist dem Nutzer, egal ob Selbstnutzer oder Mieter, leichter zu verkaufen. Behagliche Oberflächentemperaturen, frische Luft durch kontrollierte Lüftungssysteme, nutzerunabhängige Abfuhr von Feuchtigkeit, tiefe Energiekosten, Entkoppelung der Energiekosten von der Energiepreissteigerung, Senkung der zweiten Miete etc.
Die energetische und wirtschaftliche Optimierung von Gebäudehülle und Haustechnik ist eigentliche eine Win-Win-Situation für alle.
Fußnoten
1) Messtechnische Untersuchung und wissenschaftliche Auswertung zur saisonalen Wärmespeicherung über Sole-Register unter der Bodenplatte eines Passivhauses mit Dämmschürze. Abschlussbericht. Peper, Sören (Projektleiter); Schnieders, Jürgen; Ochs, Fabian; Feist, Wolfgang; Fraunhofer IRB, Verlag 2010)
2) Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand: Technologie- und branchenoffenes Förderprogramm für mittelständische Unternehmen und mit diesen zusammenarbeitende wirtschaftsnahe Forschungseinrichtungen (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: BMWi).
Taco Holthuizen