Wandel statt Wende
Modern heizen mit Solarthermie: Sicherheit im Wandel der Energiewende. Nach Fukushima und dem russischen Griff nach der Ukraine erneuert Putins Gasgeschäft mit Peking die Frage, wie es um unsere Energiewende steht. Wann befreien wir uns von Energieträgern fragwürdiger Herkunft? Wie wäre, nach den vielen Querschlägern, die Wende doch noch in einen Erfolg zu verwandeln? Bisher nutzen wir eine Ressource zumeist falsch: Die Sonne wird nur photovoltaisch angezapft, Solarthermie bildet in allen öffentlichen Überlegungen nicht mehr als eine Randnotiz. Tatsächlich könnte sie aber den Löwenanteil des Problemkomplexes lösen.
Putin sei Dank
Als Unwort kommt die Energiewende noch vor, ihre Befürworter tun sich schwer gegen den Pendelschlag in der Meinungsbildung. Muss es also heißen: Die Wende ist tot, es lebe die Wende? Beim zweiten Anlauf wäre jedenfalls mehr drin, und dafür können wir Wladimir Putin danken. Sein Gehabe warnt uns, dass sibirisches Gas schon mal weniger oder auch mal woandershin fließen kann, auf alle Fälle wird es teurer, denn bald werden wir mit neuen Großkunden um sibirisches Gas wetteifern, das zahlungspotente China wird die Preise treiben.
Es sei denn, wir drehen die verpatzte Wende zu einem beherzten Wandel in unserem Umgang mit Energie. Dazu gibt es Ansätze, die wir in dem Buch diskutieren. Was der Öffentlichkeit fremd bleibt, ist der Beitrag, den die Solarthermie leisten könnte, wenn man sie ließe. Denn ohne Solarthermie bleibt es bei energetischen Winkelzügen, die zwar manchen Anbietern zupass kommen, aber zur Energiewende wenig beitragen. Nehmen wir den Stand der Technik der Solarthermie in die Strategie auf: Was wäre zügig mit welchem Aufwand zu erreichen?
Die Gesetze der Physik wie der Ökonomie gelten auch, wenn sie stören. Verbrauchen wir einen Rohstoff, bis das Ende der Vorräte absehbar wird, müssen wir mit steigenden Preisen rechnen. An diesem Punkt sind wir beim Öl angelangt, mancherorts auch schon beim Gas. Noch gibt es Öl in Mengen, trotzdem ist der Höhepunkt der Ölförderung bereits überschritten. Die Kosten steigen, da machen die Produzenten auch mit weniger Förderung die gleichen Gewinne. Bevor sie in noch kompliziertere Verfahren investieren, warten sie ab, bis auch diese durch hohe Preise rentabel werden.
So läuft es bei allen Rohstoffen, auch ohne Krisenherde im russischen Einzugsbereich. Zwar fällt uns Menschen immer eine Lösung ein, die auf Kosten der Zukunft geht, so die Gewinnung von Schiefergas (englisch: fracking), aber auch sie verlangen ihren Preis, ungestraft lässt sich die Natur nicht ausbeuten; allenfalls lassen sich die Reparaturen auf spätere Generationen abwälzen. Wie bei der Atomkraft. Da gelten auf einmal die Risiken beim Abbau der Atomkraftwerke und der Endlagerung als „unüberschaubar“. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Das wissen die Experten schon lange, aber die Entscheider wissen nur, wie man sich drückt vor Expertenwissen. Ein pazifischer Tsunami und ein Imperialist im Kreml ermuntern uns nun zur strengeren Überprüfung, wie es um die Energieversorgung steht. Nicht nur sollen unerschöpfliche, saubere, verlässliche Energiequellen die endlichen ersetzen, sie sollen es tun, bevor die Chinesen mitspielen. Das ist kaum noch zu schaffen, aber entschärfen lässt sich das Problem.
Ein Beispiel, wie wir um die Wende betrogen werden
Zuvor müssen wir unserer Allgemeinbildung etwas hinzufügen, das wir zu kennen glauben: den Ablauf der Jahreszeiten. Er entzieht sich dem politischen Handel („Gebt Ihr nach bei der Maut, unterschreiben wir bei der Frührente“). Politiker übersehen, dass die Natur an Verhandlungen nicht teilnimmt, sie feilschen um ihre Kompromisse daher im Namen der Natur. So sehen die Lösungen dann auch aus. Die vorige Bundesregierung hat dafür ein Beispiel in die Welt gesetzt, wie man mit viel Geld einen Beitrag zur Energiewende fördert, der eines beweist: Wie es nicht geht. Das Effizienzhaus Plus in Berlin-Charlottenburg war – ist es hoffentlich nicht mehr – als Modell für künftige Standards des klimaneutralen Bauens gedacht. Dabei handelt es sich um ein – elegant gezeichnetes – Einfamilienhaus, dessen Wärmehaushalt durch eine Wärmepumpe bestellt wird. Ihren Strombedarf sollen Photovoltaikmodule decken. Systemisch bedingt, braucht bekanntlich die Wärmepumpe Strom, weil sie daraus Wärme hervorzaubert: Aus einer Kilowattstunde Strom kann sie, je nach Bauart, zwischen drei und vier kWh Wärme generieren.
So weit, so gut. Zwar ist Elektrizität eine Edelenergie, die zum Betreiben von Kaffeemaschinen und Rechnern unersetzbar ist (Heizen könnte man auch mit Stroh), aber wenn man sie kostenlos aus dem Licht der Sonne beziehen kann? Verführerisch: Über das Jahr scheint mehr Sonne, mehr Kilowattstunden lassen sich gewinnen, als der gesamte Haushalt benötigt, Heizen und Fernsehen inklusive. Mit einem Schönheitsfehler (bei dessen Erwähnung die Politik den Raum bereits verlassen hat): die jahreszeitliche Phasenverschiebung. Vier Fünftel der Wärme benötigen wir, wenn es durch die Ritzen pfeift, geliefert werden vier Fünftel im Sommerhalbjahr. Zur Überbrückung muss ein Zwischenlager eingerichtet werden. Das war früher der Stapel Holz, das beizeiten geschlagen, über zwei Sommer getrocknet und im Winter verbraucht wurde.
Mit anderen Worten, im Winter kauft der Betreiber des Effizienzhauses Plus die fehlenden Kilowattstunden aus dem öffentlichen Netz, genau dann, wenn es alle anderen auch tun. Das sind Höchstpreise, wenn die Kombination Wärmepumpe und Photovoltaik Schule macht und alle direkten und versteckten Subventionen wegfallen, was irgendwann nicht mehr zu vermeiden sein wird. Höchstpreise, die er glaubt, aus der sommerlichen Einspeisung seines Stromüberschusses finanzieren zu können. Fehlanzeige: Das möchten im Sommer auch alle anderen Besitzer von Photovoltaikanlagen. Sie strapazieren in beiden Fällen das Netz und das wiederum drückt die Preise im Sommer und treibt sie im Winter.
Ausgangsbedingung war aber, dass das Effizienzhaus Plus genügend Energie produziert um einen Nullsaldo aus Produktion und Verbrauch zu erzielen. Der fromme Denkfehler dabei: Die Produktion aus den unerschöpflichen erneuerbaren Quellen würde die Versorgungslücke schon schließen. Theoretisch könnte das sogar schon mal zutreffen, nämlich im Durchschnitt, aber der besagt nichts. Nach der gleichen Kurzschlusslogik bekämen die Bürger von Nouakchott mehr zu trinken, wenn die Nürnberger beim Zähneputzen den Hahn zudrehen.
Gestapelte Energie und Turbolader
Holz lässt sich stapeln. Auch Strom kann man speichern, wie in der Autobatterie, aber teuer. Nur bei der Wärme ist Zwischenlagerung preiswert möglich, in der Solarthermie spricht man vom Puffern. Ein Langzeitwärmespeicher oder -puffer kostet in der Anschaffung je Kilowattstunde nutzbarer Wärme zehn bis dreißig Euro. Darin bleibt die im Herbst gebunkerte Wärme über Tage und Wochen bis tief in die Heizperiode verfügbar. Sonnenhäuser heizen das Eigenheim zu mindestens fünfzig Prozent, im Extremfall sogar restlos mit der Sonne und zwar ganzjährig. Hingegen kosten Batterien für die Speicherung von Strom das Vielfache, bei Lithium Ionen Akkus ist es etwa Faktor 100, obendrein verlieren sie im Laufe der Zeit ihre Aufladbarkeit. Für das Heizen zahlt sich Speicherung von Elektroenergie daher nur unter ganz speziell definierten Bedingungen und nur begrenzt aus.
Ein prominenter Architekt verstieg sich mal auf einem Münchener Energieforum zu der zornigen Bemerkung, die Solarthermie sei eine „antiquierte“ Technik. Kein Wunder, dass sich bei solcher Überheblichkeit auch die Macher und Entscheider des Berliner Hauses nicht nur in den Sonnentabellen vergriffen haben. Sie sind der saisonalen Illusion aufgesessen. Sie entsteht, wenn man das Angebot und den Verbrauch der Energie in jährlichen Statistiken bilanziert, statt sie in wöchentlichen, täglichen und stündlichen Zahlen für eine Art Gewinn- und Verlustrechnung zu notieren. Die Erneuerbaren sollte man sowieso besser fluktuierende Quellen nennen. Sie liefern nicht vorhersehbar wie Ebbe und Flut, sondern mal mehr als gebraucht wird, mal zu wenig, und zwischendurch nichts. Ein flüchtiger Blick auf Bild 1 lässt den Laien sogar vermuten, dass die Sonne zum energetischen Wandel nicht genug beitragen werde. Sein Eindruck ist falsch.
Lassen sich Angebot und Nachfrage im Ablauf der Jahreszeiten entkoppeln? Die Solarthermie tut es, allerdings sehr begrenzt mit den verbreiteten Kleinanlagen. So ist sie das Aschenputtel unter den Technologien. Sie leistet aber wie nebenher, was die anderen nicht zustande bringen: Sie speichert Energie preiswert, ihr gelingt ein Ausgleich zwischen Überangebot und Unterversorgung.
Transport und Speicherung von Energie
Streit gibt es um die Milliarden, die für die gesicherte Versorgung aufzubringen sind. Da müssen gegebenenfalls ganze Kraftwerke vorgehalten oder neu gebaut werden, die nur der Deckung von Spitzenlasten dienen, also nicht wirtschaftlich produzieren können. Strom lässt sich mit geringen „Verlusten“ transportieren, aber nur teuer speichern. Wärme hingegen lässt sich ohne teuren Aufwand speichern, aber nur über kurze Strecken sinnvoll transportieren. Wie also könnte Solarthermie trotzdem die Versorgungslage beim Strom entspannen? Ein Blick auf den eigentlichen Bedarf enthält bereits die Antwort. Strom beziehen wir für den Rechner, die Waschmaschine, die Espressomaschine. Der Strom für die Lampen fällt nicht ins Gewicht. Tatsächlich benötigt der deutsche Privathaushalt etwa 83 von 100 Kilowattstunden für das Heizen und Baden. Wer wirklich einsparen will, lässt sich da kein schlechtes Gewissen am Lichtschalter einreden. Beginnt er beim Heizen, müsste er von allein auf die Frage stoßen: Was leistet die Sonne?
Heizen wir solarthermisch, so viel wie es ökonomisch Sinn stiftet, statt per Wärmepumpe über den Umweg mit Strom, dann reduzieren wir den gesamten Verbrauch aus produzierter Energie, und zwar massiv. Benötigen wir Strom nur noch als Hilfsenergie (wie für das Steuern der Ventile), so strapazieren wir das öffentliche Netz weniger. Hausbesitzer und Mieter müssen dann auch keine Straftarife für Über- und Unterlast befürchten.
Auf diesem anscheinenden Umweg wird über die Produktion und Speicherung von Energie aus der Solarthermie ein Beitrag zum grundlegenden Wandel. Genügt der Beitrag? Zunächst einmal: Wenn er sich für Betreiber und Mieter rechnet, nützt jeder Beitrag, und er nützt sofort. Zusammen mit den anderen ähnlichen Beiträgen reduziert er über die Jahre auch die Nachfrage nach Öl und Gas. Das geht umso schneller, je öfter Putin mit dem Gashahn droht, oder ihn tatsächlich mal probehalber zudreht. Entscheidend daran ist nur eines: Dass begonnen wird, dann wirkt es, und wenn eine Sache wirkt, sorgen die Bürger von alleine für ihre Beschleunigung.
Dennoch erneut die Frage im Hinblick auf Wandel statt Wende: Genügt der Kniff mit der Solarthermie? Die Antwort leuchtet ein, wenn wir das Prinzip des abnehmenden Grenznutzens begreifen. Treibt man den Einsatz technischer Mittel bis zu ihren Grenzen, gelangt man zwangsläufig in die Zone, wo weiterer Mitteleinsatz möglich, in seinem Preis-Leistungs-Verhältnis jedoch immer schwerer zu rechtfertigen ist. Was an zusätzlichem Nutzen noch erreichbar wäre, kostet mehr als er nützt. Eine Scheibe Salami auf Brot schmeckt gut, zwei Scheiben übereinander intensiver, drei Scheiben kaum noch besser, und ab vier Scheiben wird aus dem Häppchen eine Völlerei.
Wir können auch mit passiven Maßnahmen, mit dem Bau von Festungsmauern, mit meterdicker Dämmung und bald noch mit vierfach verglasten Fenstern den Grenznutzen marginal erhöhen und unsere Baubudgets erschöpfen. Solarthermie funktioniert nicht am Grenznutzen, sondern am Kern des Bedarfs. Sie zapft die Ressourcen der Sonne an. Mit Solarthermie, kombiniert mit einer Langzeitspeicherung, erreichen wir die Zone des intelligenten Verschwendens von kostenloser Energie lange bevor der abnehmende Grenznutzen uns auch hier zur Vernunft ruft.
Die Solarthermie ist bei der grauen Energie die sauberste aller Techniken, und wer in sie investiert, wird bald zur Umweltavantgarde zählen – wenn sich erst einmal herumspricht, welche schicke Lösungen in Sonnenhäusern verwirklicht werden. Bezahlt macht sich diese Technik, wenn auch weniger stringent als die fett gepäppelte Photovoltaik, aber in Wirklichkeit geht es um mehr als die Rendite. Investieren wir kurz- oder langfristig, wie sicher ist die Investition, versorgen wir uns selbstbestimmt mit Energie, welche Ansprüche stellen wir als Bewohner? So viel steht fest: Wir wünschen einen komfortablen Wärmehaushalt sowie die Schonung des Bankkontos. Unterstützung der Sonne beim Heizen versprechen andere Techniken auch, aber keine ist den Kinderschuhen so geläutert entwachsen wie die Solarthermie. Mag sie noch auf ihren Prinzen warten. Über die anderen Bräute haben sich die Medien irgendwann ausgekaspert, dann findet der Prinz zum Schuh in seiner Hand den Fuß seiner Schönen.
Für die Solarthermie spricht noch mehr. Die Wärme von der Sonne, die wir auf der Haut spüren, wird im Kollektor mit einfachster und praktisch wartungsfreier Technik vervielfacht. Die Wirkungsgrade der Solarthermie sind beachtlich. Da gewinnen wir aus einer Kilowattstunde (kWh) Hilfsstrom (benötigt für Pumpe, Steuerung und Ventile) zwischen 100 und 150 kWh Wärme. Eine Erdwärmepumpe macht aus 1 kWh Strom in aller Regel höchstens 4 kWh Wärme, die im Markt dominierende Luftwärmepumpe noch weniger.
Weshalb Solarthermie das Aschenputtel spielt
In der Energiedebatte werden die Themen von Leuten gesetzt, denen die Solarthermie nichts bedeutet, sie verdienen an ihren Heizkesseln genug. Tatsächlich erleben die Kunden der zeitgemäßen Solarthermie, dass diese Technik zu jenen passt, die für ihren Espresso nicht die billigste Billigmaschine aussuchen, sondern genauer hinschauen. Sie erkennen eine sportliche Aufgabe darin, ohne Einbußen beim Komfort wenig Energie zu verbrauchen.
Wenn Solarthermie so nützlich ist, warum weiß es keiner? Im medialen Getöse um die Einspeisevergütung, die Glühlampen und die verspargelten Landschaften wirft alle Welt die Solarthermie mit der Photovoltaik in einen Topf. Nicht nur Planer, auch Bauherren sollten sich mit den Gründen für diesen Knick in der Wahrnehmung vertraut machen. Die Rendite aus Einspeisung machte die PV-Anlagen so populär, dass in den Medien, in der Politik, sogar unter Experten „Solaranlage“ ein anderes Wort ist für „photovoltaische Anlage“ und dieser Sprachfehler klebt der Solarthermie nun wie ein Bonbon im Hemd. Sogar viele, die es besser wissen, verzichten auf die Klarstellung: zu mühsam!
Sodann hat beharrliche Werbung für das Dämmen eine schlagseitige Auffassung verewigt: Einsparen = Dämmen. Wärmedämmverbundsysteme würden Energie billiger einsparen als jede andere Maßnahme. Dieser Glaube ist so irrig wie die Behauptung, dass man auch ohne ordentliche Dämmung Energie einsparen könne. Sinnvoll sind nur das intelligente Abwägen der Tatsachen, das gesunde Augenmaß sowie ein kritischer Geist gegenüber Auslegungen, die man – netterweise – als fragwürdig bezeichnen darf. Man male sich einmal bildlich aus, wie sich der irgendwann fällige Transport zur Entsorgung der Styroporkrümel in benachbarten Müllheizkraftwerken durch „thermische Verwertung“ klimaschonend erledigt. Da müsste ja schon alle Welt in Sichtweite eines solchen Kraftwerks leben.
Tüchtig werben auch die Anbieter von Heizkesseln: Die Kunden möchten nicht frieren und die Umwelt soll nicht leiden. Im logischen Kurzschluss spricht daher alles für einen Kesseltausch: modern modulierend gegen alt vergeudend. Das ist wohlgemerkt nicht ganz falsch, aber weniger als die halbe Wahrheit. Es lässt sich beobachten: Hersteller, die beides anbieten, Heizkessel und Solarthermie, werben seltsamerweise nur mit Kurzzeitspeichern. Ohne Langzeitspeicher gibt es aber keine Solarthermie im Eigenheim, die auch ökonomisch Sinn stiftet.
Engagierte Mittelständler haben den Stand einer Solarthermie geschaffen, welche die naive Technik der grünen Gründerjahre übertrifft wie das moderne Taxi dem Dreirad von Carl Benz davonfährt. In den Achtzigern und Neunzigern gab es fast nur Kleinanlagen der Solarthermie. Sie nützten wenig und richteten keinen Schaden an – dachte man. Geschadet haben sie aber, denn sie hinterließen einen Leumund, den die Branche schwer loswird: „Das bringt nichts!“ Daraus folgte die falsche Reihenfolge: „Solarthermie bereitet Warmwasser und unterstützt die Heizung“. Früher stimmte sie, heute heizt eine zünftige Anlage, und das Duschwasser gibt es nebenher.
Realismus, Physik und Ökonomie
Tatsächlich hängt der Wärmebedarf von drei Faktoren ab. Das sind der Zustand der Gebäudehülle – ihre Fähigkeit Wärme zu speichern und zu dämmen –, sodann die Heiztechnik, endlich das Verhalten der Bewohner. Keineswegs erfüllt man die immer strengeren Energiestandards alleine mit der Bauphysik. Schnäppchenjäger sehen im Baumarkt billige Lösungen, vergessen aber die Frage nach den Betriebskosten und der Lebensdauer. Beim Neubau wie bei Modernisierung und Sanierung ist als erstes der Ort zu prüfen, wo die teuren Brennstoffe verbraucht werden. Als Folge des erwähnten Leumunds blieb der Kessel in seiner Hauptrolle lange unangefochten. In einer modernen Heizung des Eigenheims bewährt sich aber im Mittelpunkt der Pufferspeicher, dem Heizkessel kommt nur noch die Nebenrolle zu. Geheizt wird aus dem Puffer. Das Duschwasser ist fast schon Gratisdreingabe der gepufferten Sonnenwärme. Das leuchtet besonders im Altbau ein: Dort gelten neun Zehntel des Wärmebedarfs dem Heizen, nur der Rest dem Duschen und Baden.
Moderne Solarthermie verwendet hochtechnische Komponenten, ihre Montage stellt Ansprüche. Zumal die Hydraulik und die elektronische Steuerung verlangen mehr als in der Meisterprüfung gefragt wurde. Im Markt der 80’er und 90’er Gründerjahre wurde da geschlampt und so mancher Kunde mit einer faulen Anlage bedient. Einige haben das Heizen sogar verteuert. Gutachter kennen Anlagen, wo die Kollektoren auf der bemoosten Seite des Daches lagen – kein Sonnenstrahl biegt dorthin um die Ecke.
Gesagt werden muss aber auch, dass mancher Bauherr für seine Mitschuld sorgt, wenn er in die Werbefalle tappt: „Ich bin doch nicht blöd!“ Intelligenter wäre gewesen, er beauftragt jemand, der weiß, was er tut, auch wenn seine Dienste ein paar Euro teurer kommen. „Darf es ein bisschen mehr sein?“ bei der Dimensionierung des Heizkessels mag die Garantie für ein warmes Wohnzimmer sinnlos erhöhen: Von hundert auf hundertzehn Prozent. Ganz sicher verteuert solcher Unfug das Heizen. Wie jede Anlage muss auch die solarthermische schlüssig durchdacht und mit sauberer Sorgfalt montiert werden. Für Wertarbeit gibt es keinen Ersatz, und wer schon bei der Investition drei Installateure gegeneinander ausspielt, der bezahlt für seinen Geiz bei den Betriebskosten- wenn er Glück hat. Pech hat er, wenn der billigste, der Anbieter seiner Wahl, vor Ablauf der Garantiezeit pleitegeht. Gegenüber den Planern hat die solarthermische Branche versagt, sie hat zu selten Gelegenheit vermittelt, ihre Vorurteile an gelungenen Objekten zu überprüfen.
Solarthermie ist der Photovoltaik um Längen voraus
Noch etwas hat sich seit den Gründerjahren geändert. Früher ging es um die Verknüpfung der solaren Energiequelle mit Öl oder Gas. Dann verband man die Solarthermie mit Biomassekesseln oder Wärmepumpen. Moderne Anlagen ermöglichen die Zuschaltung von mehr als zwei Quellen. So kann der Betreiber den Energielieferanten immer neu aussuchen je nach den Bedingungen der Versorgung, der Sicherheit und den Preisen, ohne die Anlage zu verändern. Natürlich ist so eine Anschaffung teurer als ein Kesseltausch.
Es blieb nicht aus, dass jemand beweist: Die Sonne genügt zum ganzjährigen Heizen auch ohne jede zusätzliche Unterstützung. Erster über die Ziellinie war 1989 Josef Jenni mit einem Eigenheim im Emmental. Nach seinen Berechnungen würde die im Spätsommer und Herbst gespeicherte und an sonnigen Wintertagen nachgeladene Sonnenwärme genügen, um bis zum Frühjahr kompromisslos zu heizen und zu duschen. Die Medien setzten darauf, dass die Familie frieren würde. Sein Vorhaben sei physikalisch unmöglich, schon gar im nebligen Schweizer Mittelland, versicherten die Experten, in deren Wahrnehmung ein Wärmespeicher nur Stunden überbrückt, aber niemals Wochen. Tatsächlich war gegen Ende des Winters so viel Wärme im Speicher übrig, dass Jenni die Medien zu einem Freiluft-Badespektakel im Februar einlud. Die meisten Medien blieben fern. In Josef Jennis Tradition stehen die Sonnenhäuser.
Solarthermie als Problemlöser
Soweit spricht schon die Betriebswirtschaft für eine Prüfung, was Solarthermie leistet. Betroffen ist auch die Volkswirtschaft. Solarthermie ist schon deshalb attraktiv, weil sie dezentral funktioniert, in Millionen neuen und alten Gebäuden. Es muss nicht großkotzig zentral investiert werden, die Lösung entfaltet sich überall, gleichzeitig und nacheinander, und sie nützt zugleich der vorhandenen zentralistischen Infrastruktur. Wo in Gebäuden ohnehin investiert werden muss, gibt es – für ein Quäntchen mehr Kapitaleinsatz – jeweils einen weiteren Beitrag zum grundlegenden Wandel. Er nützt allen: Dem Investor durch eine langfristige – steuerfreie – Rendite, und der Volkswirtschaft durch intelligentere Nutzung der Ressourcen bei zugleich drastisch verbesserter Versorgungssicherheit.
Die Energiewende wurde verpatzt und kleingeredet. Auch deshalb verdient die weiterhin notwendige Umkehr einen anderen Namen: Wandel statt Wende. Es geht ums ganze, in vieltausendfachen kleinen Schritten, die jeder mitvollziehen kann. Das verspricht nachhaltigen und sympathischeren Erfolg als Großprojekte, die – aus offenbar unwiderlegbaren Gesetzmäßigkeiten – stets viele Milliarden mehr kosten als eingangs angegeben.
Modern heizen mit Solarthermie
Sicherheit im Wandel der Energiewende
Preis: 21,85 EUR
ISBN: 978-3-933634-34-4
Umfang: 180 Seiten
Verlag Solare Zukunft, Erlangen
(Vor-)Bestellungen: www.dgs-franken.de/bestellungen
Im September erscheint ein neues DGS-Fachbuch zum Thema Solarthermie. Die Autoren Timo Leukefeld, Oliver Baer und Matthias Hüttmann zeigen auf, wie man durch den bevorzugten Einsatz von Solarthermie die Energiewende schafft. Für Photovoltaik und Windstrom verbleibt dann immer noch ein üppiger Rest zur Versorgungssicherheit, jenseits allen Zweifels über die Krisen in Lieferantenstaaten. Die SONNENENERGIE veröffentlicht als Appetithäppchen einen kleinen Auszug, in dem die Autoren verdeutlichen weshalb sie dieses Buch für notwendig halten.
Timo Leukefeld, Oliver Baer, Matthias Hüttmann