Wieviel Wandel muss sein
Die Rolle der Stadtwerke bei der Förderung Erneuerbarer Energien bei Streitgespräch in Nürnberg diskutiert
N-ERGIE-Chef Herbert Dombrowsky hatte keinen leichten Stand bei dem Streitgespräch „Kommunale Stadtwerke und erneuerbare Energien – eine Chance für den Klimaschutz?“, das vom Bildungszentrum BZ und der Stadt Nürnberg organisiert worden war.Der Vorstandsvorsitzende des regionalen Versorgungsunternehmens musste sich mit vielen Kritikern auseinandersetzen: Auf dem Podium und im Publikum.
„Als Bürger interessiert mich die Sache sehr wohl“, bekennt BZ-Chef Wolfgang Eckert. Scheinbar vertritt er da eine äußerst kleine Minderheit seiner Nürnberger MitbürgerInnen. Denn die Besucherzahl im Fabersaal des Gewerbemuseums ist überschaubar: „Lauter Fachleute, die alle auch auf dem Podium sitzen könnten“ hat Nürnbergs Umweltreferent (Umweltstadtrat) Dr. Peter Pluschke festgestellt.
Dessen Anfangs-Angst, das Streitgespräch könne zum Kuschelabend werden, erweist sich schnell als unbegründet: Rosa Hemmers, früher Geschäftsführerin der Stadtwerke-Organisation ASEW und heute freiberufliche Versorger-Beraterin, vertritt vehement die Interessen der überparteilichen Eurosolar-Vereinigung. „Nur die Erschließung von Erneuerbaren Energien (EE) schafft einen Gegenpol zu Öl, Kohle, Gas, Kernkraft und senkt den CO2-Ausstoß“, ist sie überzeugt.
Energiestruktur passt nicht für Erneuerbare
Doch „die hiesige Energiestruktur hat Machtverhältnisse, die für Erneuerbare nicht passen“, erklärt Hemmers. Denn die EE-Erzeugung sollte möglichst nah am Ort des Verbrauchs stattfinden. Das stünde aber völlig im Gegensatz zur bestehenden Energieversorgung, gerade bei Strom aus konventionellen Großkraftwerken.
Doch „eigentlich sind Stadtwerke als Vollversorger die richtigen Partner für die neuen Erzeuger“, deren bisherigen Kunden nämlich: Die speisen nun selbst Strom aus Solar-, Wind- oder Biokraftwerken in Netze ein, beziehen aber weiterhin auch Energie aus den Leitungen.
N-ERGIE ein Bürger-EVU?
Nur: Sind Stadtwerke wie die N-ERGIE überhaupt noch echte Bürger-Energie-Versorgungsunternehmen? „Small is beautiful. Die Zeiten der kleinen EVU sind nicht vorbei, wenn es ihnen gelingt, Marktkenntnis, Kundennähe und Glaubwürdigkeit zu bewahren und gleichzeitig den Nachteil ihrer zu geringen Größe durch einen starken Verbund zu kompensieren“, kokettiert Dombrowsky gerne in Fachjournalen.
Dabei steht der fränkische Versorgungskonzern den „Vier Großen“ Eon, Edf, Vattenfall und RWE kaum nach bei Umsatz und Ertrag. Auch wenn, wie eine Kundin es ausdrückt, „die Stadt mit den N-ERGIE-Gewinnen unterstützt wird“: Quersubventionierung heißt das offiziell, wenn Überschüsse aus Strom-, Gas- oder Wasserverkauf in den Betrieb von Hallenbädern oder von Bussen und Bahnen fließen.
Beim Umgang mit EE kann Tomi Engel vom Landesverband Franken der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) jedenfalls kaum Unterschiede zwischen den „Vier Großen“ und der N-ERGIE erkennen: „Auch hier gibt es noch kein Anlagenregister für EE-Anlagen, wie es der Gesetzgeber seit Jahren verlangt“, kritisiert Engel. Das sei eine Missachtung – nicht nur des Parlaments, sondern auch der Erneuerbaren-Potenziale selbst. Doch die EE ließen sich einfach nicht aufhalten, weiß der DGS-Mann: Die Öko-Strommarktanteile stiegen wesentlich stärker als von allen „Fachleuten“ erwartet.
Größter Solarstrombetreiber der Stadt
Dabei sieht sich auch N-ERGIE-Chef Dombrowsky als Fan der Erneuerbaren Energien: „Wir nehmen EE sehr wohl ernst. Wir sind mit 1,2 Megawatt Leistung der größte Solarstrombetreiber in Nürnberg.“ Und für eine geplante, große Bioerdgasanlage bei Gollhofen seien bereits Verträge mit einer ausreichenden Anzahl an Landwirten geschlossen worden.
Doch von der N-ERGIE-Netz-Tochter seien „7.000 Einspeiseanträge bis jetzt in 2009 nicht zu bewältigen. 2008 waren es insgesamt nur 4.000“: Er hofft auf Verständnis bei Betreibern, Bundesnetzagentur und Verbraucherorganisationen wie der DGS für das fehlende Anlagenregister.
Doch selbst Rosa Hemmers hat hier kein Einsehen: „Alle haben mit Start des Erneuerbare-Energien-Gesetzes EEG im Jahr 2000 gewusst, was auf sie zukommt: dass das Netz nicht nur verstärkt, sondern auch auf Einspeisung umgebaut werden muss.“ Sie hat kein Verständnis dafür, dass dies fast zehn Jahre lang versäumt wurde.
Netz-aktive Versorger
Dabei hätten Stadtwerke „die gute Chance, aktive Netzbetreiber zu werden“: Sie sollten ihre bisherigen Kunden als „Pro-Sumer, also Produzenten und Verbraucher gleichermaßen“ anerkennen. Solche netz-aktiven Versorger könnten auch finanzielle Forderungen gegenüber der scheinbar allmächtigen Bundesnetzagentur (BNA) geltend machen, meint Hemmers: Sie kritisiert das Gejammer der Energiewirtschaftler in Richtung BNA, sie müssten ja die Netzkosten ständig nach unten korrigieren.
Der Kunde bezahlt und schweigt
„Der Kunde bezahlt ohnehin alles“, pflichtet ihr Tomi Engel bei, der die Publikums-Kritik, der Stromaufschlag für EE werde sich 2010 verdoppeln, mit „einer Pizza pro Monat“ kontert: „Für den 40 Jahre alten Stromzähler aus Bakelit im Keller zahlt der Kunde heute schon mehr als für den Ausbau der einzigen Wachstumsbranche in Deutschland, der Erneuerbaren Energien. Allein eine halbe Million Photovoltaik-Anlagen; 300.000 Arbeitsplätze: Das ist doch gigantisch!“
Dem stimmt auch Herbert Dombrowsky zu und nennt noch eine weitere „Branche, der die Zukunft gehört: Die Elektromobilität.“ Hier sieht der Vorstandsvorsitzende der N-ERGIE die Möglichkeit, „die Stromlücke zu decken“, die die seiner Meinung nach unkalkulierbare Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenkraftwerken verursache: Man könne Batterien von E-Autos als Puffer verwenden.
Zwar ist die Speicherforschung auch für Rosa Hemmers wichtig, aber „viele kleine dezentrale EE-Systeme sind doch eine Risikominimierung gegenüber wenigen Großkraftwerken“, widerspricht sie Dombrowsky vehement. So ist es kein Wunder, dass die Großtechnik-Pläne der N-ERGIE auf Kritik auch aus dem Publikum stoßen: Dombrowsky will mit einem 300-MW-Anteil am konventionellen, von der Donau gekühlten Gaskraftwerk „Irsching 4“ sowie einer „100-Megawatt-Kohlescheibe“ vom umstrittenen Nordsee-Kraftwerk Brunsbüttel den Anteil an selbst erzeugtem Strom hochfahren.
Komplexe Firmenverflechtungen
Zumal die N-ERGIE sich mit 20,75 Prozent in die Thüga AG einkaufen will: Diese „strategische und operative Holding für die kommunal bestimmten Versorgungsunternehmen“ (Dombrowsky) gehört bisher zum Eon-Konzern. Thüga ist selbst wiederum mit etwa 40 Prozent N-ERGIE-Eigner: Mit der Eon-freien Thüga entstehe „der drittgrößte Energiekonzern Deutschlands“, freut sich Dombrowsky.
Dabei wünscht sich nicht nur Rosa Hemmers „wenns richtig läuft keine Trennung von Kommunen und ihren Kommunalunternehmen“: Durch die Überkreuzbeteiligung zwischen N-ERGIE und Thüga werde die Unübersichtlichkeit jedoch eher zementiert. Herbert Dombrowsky dagegen kann auch bei der 100-prozentigen Münchner Stadttochter SWM nicht erkennen, dass dort ökologischer gearbeitet werde als bei den Nürnberger Versorgern: „München hat weniger EE im Stadtgebiet – und SWM ist außerdem am Kernkraftwerk Isar II beteiligt“, rechnet er vor.
Doch das Publikum will mehr. Der Erlanger Physikprofessor Dr. Martin Hundhausen beispielsweise fordert: „Nicht Energie Großverbrauchern hinterher schmeißen: Durch den hohen Grundtarif bei Gas oder Fernwärme lohnt sich Energiesparen nicht.“ Ein Vertriebsverhalten, das der EE-Befürworter bei einer Vielzahl von Versorgern kritisiert.
„Erst wenn die sinnlose Verschwendung verschwindet, hat die Energie einen Wert“, findet auch Tomi Engel. Rosa Hemmers sieht hier gerade auch die jeweiligen Stadträte in der Pflicht. „Mehr Flexibilität und nicht mehr Schema F“ verkündet dagegen Herbert Dombrowsky als N-ERGIE-Strategie für Neue Energien. Ob die zum Ziel führt?
Heinz Wraneschitz