Fossiles Endspiel
Die Jahrestagung der ASPO-„peak oil“-Experten in Basel hat aufgezeigt, wo die Zusammenhänge zwischen Energiewende, Ölpreis, Ukraine-Krise, Fracking-Hype und Geopolitik zu finden sind.
Offiziell hatten sich die kritischen Erdölgeologen erstmalig im Jahr 2002 international unter dem Dach der „Association for the Study of Peak Oil and Gas“ (ASPO) zusammengefunden. Seit 2006 finden auch in der Schweiz und in Deutschland nationale Treffen statt. In diesem Jahr gab es eine gemeinsame Tagung in Basel, mit dem Schwerpunktthema „Peak Oil und die Energiewende“.
Realitätscheck
Jörn Schwarz, der Vorsitzende der ASPO Deutschland, zeigte in seinem Beitrag auf, dass die Ziele der Energiewende und der CO2-Reduktion mit dem aktuellen Tempo und Engagement eindeutig nicht erreichbar sind; weder in Deutschland noch international.
Sein Vorstandskollege Jörg Schindler ging auf die widersprüchlichen Botschaften in den Medien ein. Er zeigte u.a. auf, dass in Studien die Zusammenfassungen für die Führungsetagen oft andere Aussagen treffen, als der eigentliche Inhalt der jeweiligen Studie belegt. Oft wird zudem von Jahr zu Jahr die Botschaft nach dem politischen Wind gedreht.
Im Kern hat sich an den Peak Oil Analysen und Vorhersagen der letzten 10 Jahre nichts geändert. Die konventionelle Erdölförderung befindet sich seit 2005 auf einem Plateau (Bild 1). Die etablierten westlichen Erdölkonzerne verzeichnen seit Jahren in Summe sinkende Produktionsmengen. In Europa ist die Erdölproduktion seit dem Jahr 2000 um mehr als 50 % eingebrochen (von 6,5 auf unter 3 Mio. Fass Erdöl pro Tag). Alles kein Wunder.
Fracking-Mythos
Sehr ausführlich wurde auf die unkonventionellen Erdöl- und Erdgasvorkommen eingegangen, deren Förderung nur auf der Basis der „Fracking“-Technologie möglich ist. Sowohl die Lagerstätten als auch die Technologie ist schon seit vielen Jahrzehnten bekannt, dennoch ist erst kürzlich ein regelrechter Hype um diese Vorkommen entstanden.
Auf der ASPO Tagung machte ein Bericht des US-Magazins „Mother Jones“ die Runde, dem zufolge Ex-US-Außenministerin Hillary Clinton eine Truppe von Lobbyisten und Beratern in die Welt geschickt hat, um den erhofften „Fracking“-Boom durch die Änderung von Gesetzen und die Sicherung von „Schürfrechten“ vorzubereiten. Vor allem in Osteuropa (Polen, Ukraine, etc.) wurde der „Pro-Fracking“-Propagandafeldzug intensiv und auch politisch erfolgreich geführt.
Faktisch wird Fracking maximal ein sehr teures Strohfeuer, das sehr viele Umweltschäden hinterlassen wird. Eine echte und langfristige Lösung für den Rückgang konventioneller Produktionsmengen wird „Fracking“ nicht werden (siehe Bild 2 und 3). Die Fördermenge je Bohrloch kollabiert in der Regel extrem schnell, oft sind es 90 % Rückgang in nur 3 Jahren. Gleichzeitig sind die Projekte sehr teuer, was bei derzeit sinkenden Öl- und Gaspreisen zum Ruin der Unternehmen führt.
Sinkender Erdölpreis
In den Medien wird aktuell wieder viel über den Rohölpreis berichtet, da dieser auf das Niveau von 2010 gefallen ist. All zu gerne wird dann der Schluss gezogen, dass Peak-Oil nur Panikmache sei, denn wenn es einen echten Mangel gäbe, müsste ja der Preis immer weiter steigen und nicht fallen.
Der Ölpreis war schon immer eine undurchdringliche Mischung aus „Markt“ und „Politik“. Auf der einen Seite hat der hohe Ölpreis der letzten Jahre gerade in den westlichen Ländern, allen voran den USA, zu einem spürbaren Wirtschaftsabschwung geführt. So zeigen u.a. die US-Mobilitätstatistiken, dass weniger Auto gefahren wird. Also sinkt regional die Nachfrage und damit fällt der Preis.
Ein anderer Erklärungsversuch besagt, dass der hohe Ölpreis viele Spekulanten angezogen hat, die nun jedoch auf überzogen hohen Preiswetten hocken und langsam wieder aus dem Spiel aussteigen wollen. Um die Verluste zu minimieren sei man auch mit weniger Geld zufrieden; also fällt der Ölpreis.
Erdöl als Finanzwaffe
Ein weiterer Faktor, für den es ebenfalls plausible Argumente gibt, soll sein, dass der Erdölpreis wieder mal als Waffe im geopolitischen Spiel genutzt wird. Viele Länder sind für einen ausgeglichenen Staatshaushalt und den innenpolitischen Frieden extrem auf Einnahmen aus dem Erdölverkauf angewiesen. Bezogen auf die jeweilige Fördermenge ergeben sich so Grenzpreise je Fass Erdöl von 90 USD (Saudi-Arabien), 100 USD (Russland) oder bis zu 135 USD (Iran).
Vor allem Saudi-Arabien wird nachgesagt, dass es den Preisverfall diesmal geschehen lässt ohne regulierend einzugreifen, weil man den Iran und Russland unter Druck setzen will. Russland soll vor allem für seine Kooperation mit der syrischen Regierung abgestraft werden. Saudi-Arabien hatte Russlands Präsident Putin im Vorfeld der olympischen Winterspiele von Sochi sogar mit Terroranschlägen gedroht. Auf dem geopolitischen Schlachtfeld wird vor keiner noch so kranken oder menschenverachtenden Idee halt gemacht. Der Zweck heiligt die Mittel.
BRICS, der neue Rivale
Das westliche NATO-Militärbündnis hat die Sicherung der verbleibenden Ressourcen für seine Mitglieder schon vor Jahren zu einer zentralen Aufgabe erklärt. Alexandre Beaurieux, Mitglied der ASPO Deutschland, hat in seinen Arbeiten für das SIPER Institut viele Zusammenhänge und Hintergründe herausgearbeitet.
Vor allem die USA verfolgen das Prinzip der „Full Spectrum Dominance“, um durch militärische Überlegenheit auf allen Gebieten „die Wiedererscheinung eines neuen Rivalen zu verhindern“.
Dieser Rivale könnte womöglich BRICS sein. Die Abkürzung steht für das Bündnis der Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Sie stehen stellvertretend für die aufstrebenden Wirtschaftsregionen der Zukunft; alles was bei uns noch gerne unter der Überschrift „Schwellen- und Entwicklungsländer“ zusammengefasst wird. Und genau diese Staaten haben sich vor einigen Jahren auf den Weg gemacht, um unserer Form des „Wohlstandes“ durch „grenzenloses Wirtschaftswachstums“ nachzueifern.
Die BRICS Staaten haben nicht nur viele Einwohner ohne Flachbildschirm und Auto, also Menschen mit einem echten Hunger nach Konsum — die BRICS Staaten und ihre Partner sitzen auch auf dem größten Teil der noch verbleibenden Rohstoffe. Dazu kommt, dass sich diese Regionen von den alten Kolonialmächten offensichtlich nicht mehr dominieren lassen wollen.
Peak Kolonialismus?
Zu den Meilensteinen der Emanzipation zählt die Gründung der „New Development Bank“ im Juli 2014, einer eigenen Förderbank, mit der sich die BRICS-nahen Staaten vom Einfluss der Weltbank und des IMF befreien können.
Am 24. Oktober 2014 wurde auf der russischen Rohstoffbörse, der St. Petersburg International Mercantile Exchange (SPIMEX), die erste Auktion von Erdgas durchgeführt. Der Käufer braucht dafür aber den russischen Rubel. Bisher hatte bei internationalen Geschäften mit Erdöl und Erdgas der US-Dollar eine unangefochtene Vormachtstellung.
Auch im internationalen Bankenwesen bahnen sich Verwerfungen an. Bisher wurden internationale Geldgeschäfte über das Swift Netzwerk abgewickelt, welches von europäischen und vor allem amerikanischen Akteuren kontrolliert wird. Anfang 2014 erklärten China, Russland und der Iran, dass man ein eigenes „Swift“-Netzwerk für Geldtransaktionen ins Leben rufen wird.
Als Kontext sei hier am Rande darauf hingewiesen, dass im Iran 30 % und in Russland ebenfalls rund 30 % der verbleibenden, konventionellen Erdgasvorkommen lagern sollen und dass China in absehbarer Zukunft einen steigenden Bedarf an Erdgasimporten haben wird. Nicht umsonst erfolgte im September 2014 der Spatenstich für eines der größten Infrastrukturprojekte der letzten Zeit: die 4.000 km lange „Power of Siberia“-Erdgaspipeline von Russland nach China.
Die Verschiebung der Machtverhältnisse schreitet voran, womit weitere Konflikte vorprogrammiert sind.
Von Peak Oil zu Peak Everything
Sofern die Worte von Staatssekretär Florian Pronold repräsentativ sind, so glaubt man in unserem Umweltministerium (BMUB) offenbar wieder (noch?), dass „Peak Oil“ ein Mythos ist und Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten eine „Russland-freie“ mögliche Brücke für die Energiewende sein könnte. Offensichtlich sind die 10 Jahre ASPO-Aufklärungsarbeit an den politischen Führungskräften dieses Landes spurlos abgeperlt.
Nach der Verknappung des Erdöls folgt nun in absehbarer Zeit der „Peak“ beim Erdgas. Man kann nur hoffen, dass sich die Fachleute der ASPO endlich auch mal irren. Falls nicht, wird das fossile Endspiel kein Sommermärchen sondern eher ein Winteralptraum.
Tomi Engel