Sind Solaranlagen Bauprodukte?
Aufnahme Solarthermischer Kollektoren in Bauregelliste des DIBt: Ein extremer Sturm in Deutschland hat eine PV-Anlage so beschädigt, dass sich Module aus der Montagesystem gelöst haben. Die zuständigen deutschen Aufsichtsbehörden in Länderverantwortung (Zusammenschluss in der ARGEBAU) haben daraufhin das DIBt (Deutsches Institut für Bautechnik) in Berlin in 2010 damit beauftragt das Thema „Baurechtliche Einordnung von Solaranlagen (Photovoltaik, Solarthermie) zu prüfen.
Das DIBt ist gegenüber den Fachkommissionen „Bauaufsicht“ und „Bautechnik“ der ARGEBAU rechenschaftspflichtig und hat Ende September 2010 einen ersten Bericht zum Kontakt mit der Branche erstellt. Die FK „Bauaufsicht“ vertritt die Auffassung, dass Solaranlagen im rechtlichen Sinne „Bauprodukte“ sind und dass deshalb auch die entsprechenden Vorschriften gelten. Dies bedeutet:
- Solaranlagen und deren Komponenten sind baurechtlich relevant
- ein CE-Kennzeichen nach Bauprodukten-Richtlinie oder ….
- ein CE-Kennzeichen nach anderen Richtlinien oder …
- ein Ü-Zeichen wäre erforderlich.
Mit dieser Aufgabenstellung hat es bis Ende 2011 diverse Gespräche zwischen dem BSW/BDH1) und dem DIBt gegeben. Inhalt der Diskussion war der sogenannte „beschriebene Stand der Technik“ und dessen Anwendung für die Herstellung, Planung und Erstellung von Solaranlagen. Parallel wurde auf der europäischen Ebene die Überarbeitung der zuständigen Normen (EN 12975, 12976 und 12977) mit dem Ziel voran getrieben, dass zumindest für die Kollektornorm EN 12975 eine sogenannte „harmonisierte Norm“ nach der EU-Bauproduktenrichtlinie entsteht. Eine „harmonisierte Norm“ ist erforderlich, um ein CE-Kennzeichen nach der entsprechenden EU-Richtlinie zu definieren und erteilen. Liegt eine solche EU-Norm nicht vor, kann und muss jedes Mitgliedsland nationale Regeln zur Sicherstellung der Qualität erstellen und anwenden. In Deutschland wäre es dann das Ü-Zeichen des DIBt.
Die Branche konnte glaubhaft darstellen, dass die Qualität der Kollektoren auf der Grundlage der EN 12975 und dem europäischen Zertifizierungszeichen „Solarkeymark“ in der EU und somit auch in Deutschland sichergestellt werden kann. Über die normativen Anforderungen der genannten Norm hinaus hat die Branche auf die Ergebnisse aus dem „Branchentreffen Wind- und Schneelasten“ verwiesen: In diesem langjährigen Projekt wurde durch Experten der RWTH-Aachen und TNO Delft (NL) die Anwendbarkeit der DIN 1055 und EN 1991 auf die solarthermischen Anlagen untersucht. Die entsprechenden BDH/BSW-Arbeitsblätter sind in Deutschland inzwischen als beschriebener Stand der Technik veröffentlicht.
Solaranlagen in der Bauregelliste des DIBt
Anfang 2012 nahm das DIBt dann Solaranlagen in die sogenannte Bauregelliste auf und veröffentlichte zunächst als Entwurf das Blatt „Hinweise für die Herstellung, Planung und Ausführung von Solaranlagen“. Nach intensiven Diskussionen erschien dann das Blatt im Juli 2012 u.a. mit folgender Formulierung im untenstehenden Kasten.
Im Absatz a) fällt die Formulierung „mechanisch gehaltene Glasdeckflächen“ auf, gemeint sind die transparenten Abdeckungen von Flachkollektoren. Diese Formulierung bedeutet, dass die Anwendbarkeit der Norm in Bezug auf „charakteristische Materialkennwerte“ in Frage gestellt wird. Es ist hier anzumerken, dass zu diesem Punkt keine Experten der Solarbranche involviert waren. Etwa 80% der in Deutschland installierten Flachkollektoren sind mit transparenten Abdeckungen ausgestattet, die nicht mechanisch gehalten werden. Das „Einkleben“ von Glasscheiben, üblicherweise mit UV-resistenten 2-komponenten-Silikonen, ist seit mehr als 10 Jahren Stand der Technik in industriellen Anwendungen.
Mit der EU-Norm EN 12975, die bis Ende 2015 als harmonisierte Norm gemäß EU-Bauproduktenrichtlinie vorliegen wird, und mit den Anstrengungen der Branche zur Interpretation der DIN EN 1991 (Einwirkung auf Tragwerke, Teil 3 Schneelasten und Teil 4 Windlasten) im Rahmen des „Branchentreffen Schnee & Wind“ sind sowohl Rechen- als auch Prüfverfahren zur mechanischen Bewertung von Sonnenkollektoren und insbesondere von geklebten transparenten Abdeckungen (i.d.R. Einscheibensicherheitsglas ESG) und Rückwänden beschrieben und evaluiert. Mit entsprechenden Sicherheitsfaktoren wird auch das wichtige Thema Dauer- und Langzeitbeständigkeit für Sonnenkollektoren, welche mindestens 20 Jahre auf dem Dach betrieben werden, berücksichtigt.
Das DIBt hat mit der Veröffentlichung dennoch nationale zusätzliche Prüfanforderungen an Sonnenkollektoren mit geklebten Glasflächen gestellt.
Ein Prüfverfahren für diese Anforderung hat das DIBt nicht definiert, sondern vielmehr die Branche aufgefordert, dieses Prüfverfahren selbst zu entwickeln und damit die bauaufsichtlichen Anforderungen des DIBt zu erfüllen und dies nachzuweisen.
Breit aufgestellter Expertenkreis tätig
Die Branchenverbände von BDH und BSW haben daraufhin einen Expertenkreis gebildet, der nun seit 2012 an der Entwicklung eines solchen Verfahrens arbeitet. Ein validiertes, mit dem DIBt abgestimmtes Prüfprogramm wird für 2015 erwartet. Involviert als Experten aus dem Sachverständigenkreis des DIBt sind das IFT Rosenheim, die Technische Universität Darmstadt, Institut für Werkstoffe und Mechanik im Bauwesen, sowie die staatliche Materialprüfungsanstalt Darmstadt. Aus der Industrie arbeiten nicht nur die Mechanik-Experten der Kollektorhersteller mit, sondern auch die Experten der Zulieferer, allen voran die Klebstoffanbieter. Hier ist ein sehr guter Dialog entstanden, der sowohl die fachliche Expertise als auch die über 30-jährige Erfahrung der Branche in die Entstehung von realistischen und sinnvollen Prüfungen einbringt.
Stellt sich die Frage, wie die bauaufsichtlichen Organe der Länder mit dieser Situation umgehen. Werden Sonnenkollektoranlagen dann vorerst verboten?
Klare Antwort: Nein!
Die Branche hat Ihre Kunden informiert und mit folgender Formulierung für die Kommunikation mit bauaufsichtlich tätigen Behörden ausgestattet:
„…die Wirksamkeit der behördlichen Anforderung einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung betrifft zwei Phasen: zum einen das „ob“, also das ordnungsrechtliche Verlangen nach einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung für ein Produkt, zum anderen das „wie“, also die Art und Weise, wie der Nachweis zur Erlangung der bauaufsichtlichen Zulassung zu erbringen ist. Im vorliegenden Fall hat der Regelsetzer bisher lediglich die Frage des „ob“ behandelt, die Ausfüllung der Anforderung durch spezifische technische Prüfvorschriften ist jedoch noch offen, so dass die Anordnung der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung faktisch nicht vollziehbar ist. Aber auch ohne dass der Verordnungsgeber die Anforderung der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung vollziehbar macht, sind nur sichere Produkte marktzulassungsfähig. Bis dahin bestimmen sich die Vorschriften über Inverkehrbringen und Inbetriebnahme von thermischen Sonnenkollektoren nämlich nach den dafür einschlägigen Vorschriften (z.B. Solarkeymark), in deren Rahmen der Hersteller ohnehin verpflichtet ist, nur ein mangelfreies Produkt zum Markt zuzulassen…“
Kommt jetzt doch alles anders?
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Ralf Koebbemann-Rengers