Aus der Traum
Nein, mir geht es an dieser Stelle heute nicht um Erneuerbare Energien und die Schwierigkeiten, die unsere Branche derzeit in Deutschland erlebt. Sondern um das jähe Ende eines neuen Goldrausches in den USA.
Fracking versprach goldene Zeiten. Seit die aufwändige Gewinnung von Öl aus Schiefergestein in den USA vor Jahren begonnen wurde, wurden immer positivere Szenarien entwickelt. Euphorisch malte man sich die Zukunft aus, Fracking versprach Geld und Unabhängigkeit, der Pioniergeist des 19. Jahrhunderts war wieder geweckt. So stiegen die Fördermengen schnell an und Nordamerika schwang sich zum Selbstversorger in Sachen Öl auf. Derzeit fördert die USA pro Tag mehr Öl als Saudi-Arabien.
Der Bürgermeister Koeser der Stadt Willington im Bundesstaat North Dakota war 2013 noch überschwänglich: „Zwischen 10.000 und 50.000 Einwohnern gibt es keine Stadt in den USA, die so schnell wächst wie wir. Wir haben eine Arbeitslosigkeit von 0,7 Prozent“, berichtete er 2013 stolz, als seine Stadt zum Fracking-Mekka wurde. Und heute? Anfang Januar 2015 hat die Firma WNH Energy aus Austin/Texas als erstes Fracking-Unternehmen Insolvenz angemeldet. Das passiert, kann man meinen, auch in einer Boomzeit. Doch die Finanzanalysten sind sich einig: Hier beginnt gerade ein Sterben der Branche, das genauso schnell verlaufen kann wie deren Aufstieg.
Fracking ist ein finanzintensives Geschäft. Eine Ölbohrung kostet zwischen 7 und 10 Mio. Dollar. Dieses Geld wird bei Banken aufgenommen und aus dem Verkauf des Öls zurückgezahlt. Doch aktuell hat sich der Ölpreis gegenüber seinem Höchstwert halbiert, der Fluss der Einnahmen wird dabei zum kleinen Bach. Und nach den aktuellen Prognosen zum Beispiel von Goldmann Sachs wird sich das auch kurzfristig nicht ändern. Jedoch müssen die Kredite bedient werden, jeder Dollar zählt, so wird auch weiter jedes Barrel aus dem Boden gezogen, die Förderanlagen laufen, auch wenn damit kein Geld mehr zu verdienen ist. Neue Bohrungen werden aber aus Geldmangel nicht angegangen. Die Verschuldung der Branche wächst rasant: Hatten die Öl- und Gasförderer in den USA im Jahr 2010 noch rund 125 Mrd. Dollar Schulden, so hat sich dieser Wert bei Ende 2014 auf 200 Mrd. Dollar erhöht.
Bereits 2013 haben wir in der SONNENENERGIE in mehreren Artikeln über die Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit des sogenannten „leichten Tight Oil“ berichtet. Die Reserven sind im Verhältnis zu den konventionellen Erdölreserven bescheiden. So sollte nicht übersehen werden, dass der Frackingboom nur kurzfristig dazu beitragen wird, dass die USA eine deutliche Reduktion ihrer Importabhängigkeit erlangt hat und dass man nur temporär wieder zum weltweit größten Fördergebiet aufsteigen kann. Nicht zuletzt war der Boom vor allem auf den hohen Ölpreis in Verbindung mit der Aufweichung von Umweltstandards zurückzuführen. 2005 wurden die Bohraktivitäten der Erdöl- und Erdgasindustrie der Überwachung durch die Umweltbundesbehörden entzogen.
Man darf gespannt sein, wie schnell dieser Traum vorbei sein wird.
Jörg Sutter