Kleinwindkraftanlagen
Wie Photovoltaik-Branche vor 15 Jahren: Kleine Windanlagen können Solaranlagen in der Energiebereitstellung optimal ergänzen. Wer die Installation eines Mini-Windrads beabsichtigt, wird sich auf einen vergleichsweise hürdenreichen Weg machen. Bei vielen Dingen steht man im Kleinwindkraft-Markt noch am Anfang. Die Projektabwicklung ist aufgrund des Genehmigungsrechts oft mühsam und zeitintensiv, die spezifischen Installationskosten hoch und der Angebotsmarkt unübersichtlich. Es gilt das brachliegende Potenzial zu erschließen: Gute Anlagentechnik und windstarke Standorte sind vorhanden.
Anwendung von Kleinwindanlagen in der Praxis
Kleinwindanlagen werden in unmittelbarer Nähe des Betreibers aufgestellt, um diesen mit Energie für den Eigenverbrauch zu versorgen. In Bezug auf Anwendungsformen und Betreibergruppen zeigen Kleinwindkraftanlagen mehr Gemeinsamkeiten mit PV-Anlagen als mit Großwindkraftanlagen und Windparks. Letztere werden fernab der Verbraucher auf extra dafür ausgewiesenen Vorrangflächen installiert, um den Strom ins öffentliche Netz einzuspeisen und zu verkaufen.
In der Praxis haben Kleinwindkraftanlagen in Deutschland in den meisten Fällen eine Leistung unter 30 kW und eine maximale Höhe von 30 m. Eine Beeinträchtigung des Landschaftsbilds findet nicht statt. Im Vergleich mit Multimegawattanlagen sind die Dimensionen von Mast, Rotor und Gondel winzig.
Marktentwicklung: Vom EEG vernachlässigt
Die Marktentwicklung von Kleinwindanlagen steht noch am Anfang, wie bei der PV-Branche vor rund 15 Jahren. Während Solarstromanlagen durch das EEG einen gewaltigen Schub erfahren haben, gab es für Kleinwindräder nie einen speziellen Einspeisetarif. Während der Einspeisetarif für eine kleine PV-Anlage zeitweise über 50 Cent pro Kilowattstunde betrug, wurde der Strom einer Kleinwindanlage mit nie mehr als rund 9 Cent vergütet. Eine 3 MW Enercon-Anlage und eine 3 kW Kleinwindturbine wurden gleichgestellt. Der wirtschaftliche Betrieb einer Kleinwindkraftanlage erfolgt folglich über eine Maximierung des Eigenverbrauchs. Produziert und verbraucht man den Windstrom selbst, spart man den individuellen Strompreis ein. Das ist lukrativer als der aktuelle Einspeisetarif von 8,5 Cent pro Kilowattstunde. Die Belastung des Eigenverbrauchs mit der anteiligen EEG-Umlage nach dem EEG 2014 erfolgt bei Kleinwindkraftanlagen wie bei PV-Anlagen. Entsprechend greift die Bagatellgrenze: Kleine Anlagen mit einer Leistung unter 10 kW sind von der Eigenverbrauchsabgabe befreit.
Offensichtlich gab es in Deutschland nie eine Lobby für Kleinwindkraftanlagen, wie es in anderen Ländern der Fall ist. In Großbritannien, Italien und Japan wurden ähnlich wie für kleine Solarstromanlagen Einspeisetarife festgesetzt, die den wirtschaftlichen Betrieb der Anlage begünstigen. Nach dem Reaktorunfall in Fukushima wurden in Japan Einspeisetarife für Kleinwindräder von über 50 Cent pro Kilowattstunde verabschiedet.
Der Übergang in die Massenfertigung und die damit verbundenen Stückkostensenkungen lassen in der Kleinwind-Branche noch auf sich warten. Der Markt für Kleinwindkraftanlagen entwickelt sich in Deutschland langsam, das Potenzial wurde erst geringfügig erschlossen. Die Projektabwicklung ist noch hürdenreich, als Betreiber ist man in seiner Gemeinde oft ein Pionier. Doch es gibt auch in Deutschland aussichtsreiche Standorte für kleine Windturbinen.
Unterschiede zwischen Kleinwind- und Solaranlagen
Ein wesentlicher Unterschied von Solar- und Windanlagen spricht für deren gemeinsamen Einsatz: Die Energieproduktion in Bezug auf Jahres- und Tageszeiten differiert stark. Einfach ausgedrückt: Wenn die Sonne nicht scheint, weht oft der Wind. Herbst und Winter sind die windstarken Jahreszeiten. Wird eine Batterie von Wind und Sonne gemeinsam gefüllt, kann ein kleinerer und somit günstigerer Stromspeicher zum Einsatz kommen. Da die Heizperiode in der windstarken Jahreszeit liegt, werden Kleinwindanlagen auch zur Warmwassererwärmung eingesetzt. In der Regel wird der Überschuss-Strom in Form von Gleichstrom direkt in einen Heizstab in den Warmwasserspeicher geleitet.
Ein häufiger Fehler von Solaranlagen-Betreibern ist die Überschätzung des Windenergiepotenzials eines Standorts. Viele für Solaranlagen geeignete Standorte eigenen sich nicht für Kleinwindanlagen. Die Ursache liegt in den unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten von Wind- und Solarenergie. Die Solarstrahlung erfolgt vor allem in der sonnenstarken Jahreszeit in vertikaler Richtung in Bezug zur Erdoberfläche. Kurz gesagt: Die Sonne kommt von oben. Ganz anders der Fluss der Windenergie, da der Wind sich parallel zur Erdoberfläche bewegt. Anders ausgedrückt: Der Wind kommt von der Seite. In Deutschland vor allem aus westlicher Richtung, dies entspricht der Hauptwindrichtung. Die Sonne wird viel seltener von Objekten wie z.B. Bäumen abgehalten wie der Wind. Ein 5 Meter hoher Baum in der Nähe eines Hauses wird kaum das Solarstrahlungspotenzial beeinträchtigen. Der Wind dagegen wird durch den Baum verwirbelt, die Standorteignung des Grundstücks für ein Kleinwindrad kann dadurch hinfällig sein.
Ein weiterer trivialer Grund macht die Standortbeurteilung für Solaranlagen einfach: Den Sonnenschatten kann man aufgrund der Verdunkelung sehen. Ist ein Hausdach auch zur Mittagszeit verschattet, eignet sich die Fläche nicht für eine Solaranlage. Den Windschatten bzw. schlechte Windbedingungen kann man weder sehen noch fühlen. Der von einem privaten Hausbesitzer gefühlte starke Wind in einem Wohngebiet ist in der Realität oft ein schlechter Standort. Umliegende Gebäude, Hecken und Bäume wirken wie Windbarrieren und führen zu Windturbulenzen.
Das Kennzeichen eines aussichtsreichen Standorts für eine Kleinwindkraftanlage liegt in der freien Anströmung des Windes aus westlicher Richtung. Der Wind sollte möglichst mehrere hundert Meter frei über eine ebene Fläche wie z.B. eine Weide anströmen können. Windstarke Grundstücke können z.B. die westlichen Randlagen besiedelter Gebiete sein. Auch frei liegende Bauernhöfe oder Kläranlagen sind oft als Kleinwind-Standorte prädestiniert. Das Relief der Landschaft hat großen Einfluss auf die Windbedingungen. Höhenlagen sind vorteilhaft, die Lage in einem Talkessel dagegen nicht.
Tipps für Betreiber
Kein Ausgangswert ist so wichtig für die Beurteilung eines Kleinwind-Standorts wie die mittlere Jahreswindgeschwindigkeit in Rotorhöhe. An windschwachen Standorten wird sehr wenig Strom produziert. Nur mit einer Windmessung wird man verlässliche Winddaten in Erfahrung bringen, Windkarten sind viel zu ungenau. Die Messung sollte über mehrere Monate erfolgen, vor allem im windstarken Herbst und Winter. Geeignete Windmessgeräte kosten ab ca. 350 Euro ohne Mast. Je teurer die Kleinwindkraftanlage, desto wichtiger die Windmessung vorab. Die Kosten pro Kilowatt installierte Leistung lieben bei Kleinwindrädern zwischen 3.000 und 10.000 Euro. Wer eine kleine Hobby-Windanlage für ein paar Hundert Euro erwirbt, wird gegebenenfalls auf die Windmessung verzichten. Ein Landwirt mit Interesse an einer 10 kW Anlage wird 50.000 bis 80.000 Euro investieren müssen. Zur Beurteilung dieser Investition sollten Winddaten des Standorts zur Verfügung stehen.
Im Gegensatz zu einer Solaranlage benötigt man für eine Kleinwindanlage in der Regel eine Baugenehmigung. In manchen Bundesländern geht es für sehr kleine Anlagen bis 10 m Höhe auch ohne Genehmigung. Vor der Kontaktaufnahme mit dem Bauamt sollte man die Akzeptanz der Nachbarn einholen. Nachbarn und Bauamtsmitarbeiter werden wahrscheinlich wenig über Kleinwindkraft wissen. Deshalb sollte man gutes Informationsmaterial bereitstellen.
Auch wenn manche Anbieter in ihren Werbeprospekten das Gegenteil behaupten: Dächer von Privathäusern sind weniger empfehlenswerte Installationsorte für Kleinwindanlagen. Viel besser ist ein ebenerdiger Mast neben dem Haus. Zum einen können durch Dachanlagen Körperschallübertragungen zu unangenehmen Geräuschen innerhalb des Wohnhauses führen. Zum anderen herrschen auf Dächern oft ungünstige Windbedingungen in Form von Windturbulenzen. Das hohe Flachdach einer Gewerbehalle kann im Vergleich mit einem niedrigen Giebeldach viel besser geeignet sein. Auch hier wird eine Windmessung die Wahrheit ans Licht bringen.
Anlagentechnik: Nicht alle Windturbinen sind empfehlenswert
Ein Kennzeichen des weltweiten Kleinwindkraft-Marktes ist die hohe Anzahl von Herstellern mit sehr unterschiedlichen Konstruktionstypen. Neben den zahlreichen guten Kleinwindturbinen gibt es noch zu viele Anbieter mit minderwertiger Qualität. Spätestens beim nächsten Sturm wird die Billiganlage den Geist aufgeben. Maß aller Dinge sind Kleinwindkraftanlagen mit horizontaler Rotorachse. Nicht umsonst entsprechen auch alle Großwindkraftanlagen diesem Konstruktionstyp. In Bezug auf Effizienz, Zuverlässigkeit und Marktdurchdringung konnten sich vertikale Windanlagen noch nicht durchsetzen. Immer wieder stößt man auf Verkaufsprospekte mit unrealistischen Angaben wie zum Beispiel zu hohe Jahresstromerträge. Neben den Herstellerangaben sollte man deshalb unabhängige Informationsquellen einholen. Auf aktuellem Stand ist der Kleinwind-Marktreport 2015. Die Marktübersicht beinhaltet ausschließlich Kleinwindmodelle, die ihre Qualität unter Beweis gestellt haben. Aufgrund der regelmäßigen Aktualisierung erscheint der Marktreport als PDF-Datei. Der Bezug erfolgt über das Kleinwindkraft-Portal.
Kleinwindkraft-Portal
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Patrick Jüttemann