Die Wärmepolitik hat in eine Sackgasse geführt
Angesichts der Fehlkonstruktion EnEV ist ein besseres MAP vergebene Liebesmüh: Seit dem 1. April gilt eine modifizierte Förderung aus dem Marktanreizprogramm (MAP). Eilig wurde sie quer durch die betroffenen Branchen als attraktives Update begrüßt. Sigmar Gabriel sieht darin einen „weiteren Schritt“ zur Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Energieeffizienz (NAPE) und verspricht, mit den „innovativen Elementen, wie beispielsweise der Einführung einer ertragsabhängigen Förderung bei Solarthermie und anspruchsvollen Effizienzkriterien“, würden neue Maßstäbe für die Heizungsbranche gesetzt. „Über verbesserte Förderanreize wollen wir so den Zubau Erneuerbarer Energien im Wärmemarkt deutlich beschleunigen.“
Die Worte stehen im merkwürdigen Gegensatz zur realen Entwicklung im Wärmemarkt und in der Baubranche. Was will der Minister denn beschleunigen? Die Entwicklung des Jahres 2014 könnte man eher als „Entschleunigung“, wenn nicht gar als wirtschaftlichen Sturzflug ansehen. So meldete der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) für das Geschäftsjahr 2014 einen Umsatzrückgang beim Gesamtmarkt der Wärmeerzeuger von vier Prozent. Sogar das bislang als stabil geltende Geschäft mit Gas-Brennwert-Kesseln war davon betroffen. Solarthermie und Wärmepumpen befinden sich eher im finalen Landeanflug mit der Aussicht, auf einer entlegenen Parkposition in Vergessenheit zu geraten. So ist die verkaufte Fläche bei Solarkollektoren nach Angaben des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW) abermals zurückgegangen, auf nun rund 900.000 Quadratmetern. Aber auch die Dämmstoffbranche melden Umsatzeinbußen, vor allem bei der Altbausanierung. „Der Rückgang im Vergleich zum Vorjahr beträgt mindesten zehn Prozent“, klagt Klaus Franz, Geschäftsführer des Gesamtverbands Dämmstoffindustrie GDI.
Aus einer aktuellen Förderstatistik des BAFA geht ferner hervor, dass in den ersten neun Monaten 2014 in den Bereichen Solar, Biomasse und Wärmepumpen insgesamt nur noch rund 41.200 Anträge im Rahmen des MAP gestellt worden sind – ein Rückgang von 23,4 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres (Januar bis September 2013: rund 53.800 Anträge). Am stärksten, so meldete der Branchendienst IWR-Online, gingen die Antragszahlen 2014 in den Bereichen Solar und Biomasse zurück. Bei Solar sind die Anträge um 24 Prozent auf 17.800 gesunken (Januar bis September 2013: 23.500) und im Biomasse-Sektor um 25 Prozent auf 19.500 (Januar bis September 2013: 25.900). Bei den Wärmepumpen hat sich die Zahl der Anträge in den ersten neun Monaten 2014 gegenüber dem Vorjahr um rund 14 Prozent auf 3.900 verringert (Januar bis September 2013: 4.500). Warum sich die Zahl der Anträge 2014 rückläufig entwickelt habe, sei auch der BAFA unklar. Man sei ratlos wegen der rückläufigen Zahlen, kolportiert IWR.
Modernisierungsrate bleibt im Keller
Wischt man den PR-Sprech des Wirtschaftsministers beiseite, wirft die Stagnation im Wärmemarkt und in der Baubranche – auch der Neubau ist in 2014 steckengeblieben (Wohngebäude +4,5 %, EFH -1,4 % und ZFH -5,8 %) – grundsätzlich Fragen auf. Nachdem es ein halbes Jahrzehnt nicht gelungen ist, die Technologien der erneuerbaren Wärme im Markt zu etablieren, kränkelt nun auch die fossil basierte Heizungstechnik. Ist das eine erfolgreiche Politik oder hat man den Karren an die Wand gefahren? Die von der damaligen Bundesregierung 2011 im Rahmen der Energiewendebeschlüsse angepeilte Modernisierungsrate von zwei Prozent plus ist nicht nur nicht erreicht worden, sie steckte von Anfang an im Keller, aus dem sie mit 0,8 Prozent bis heute nicht rausgekommen ist. Von einer Energiewende im Wärmebereich ist Deutschland weiter entfernt denn je. Rund 60 bis 70 Prozent der Gebäude und der Gebäudetechnik in der Bundesrepublik Deutschland sind veraltet. Die Haltung bei Haus- und Immobilienbesitzern, diesen Zustand erst einmal hinzunehmen oder sich notgedrungen einzuigeln, hat sich verfestigt. Gemessen an diesen Ergebnissen, muss man diesen Teil der Energiewendepolitik als gescheitert ansehen.
Die Zahlen markieren eine Verdichtung der Verunsicherung, die, verstärkt durch weitere wirtschaftliche und soziale Faktoren, an Sprengkraft zunehmen wird. Die These sei erlaubt, dass es nicht mehr ausreicht, mit Förderpolitik zu reagieren, ist diese doch nur ein nachgelagertes Element in der gesamten Wärmepolitik. Zur Disposition steht die gesamte Philosophie, mit der Energieeinsparpolitik und Klimaschutz betrieben werden. Der Blick geht damit vor allem auf die rechtlichen und gesetzlichen Grundlagen, welche die entscheidenden Leitlinien für dieses Politikfeld setzen. Da angesichts des Übergewichtes der Bestandsgebäude ein Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) von geringerer Relevanz ist, rückt die Energieeinsparverordnung (EnEV) in den Fokus der Problemsuche. Auch wenn die EnEV inzwischen eine Reihe von Novellierungen auf den Buckel hat, ist ihre Grundphilosophie bislang unverändert geblieben. Ein Gebäude muss erst einmal bis zu einem vorgeschriebenen Standard wärmegedämmt werden, bevor der verbleibende Restwärmebedarf mit moderner Heiztechnik gedeckt werden kann. Nur so könne der Primärenergiebedarf gesenkt werden.
Wirtschaftlichkeitsbremse EnEV
Diese Verknüpfung und Priorisierung, die im Laufe der Novellierungen eine mehrfache Verschärfung erfahren hat, ist ein fatales Konstrukt. Auch und gerade weil sie von Architekten, Planern, Handwerkern und Herstellern verinnerlicht worden ist und quasi als Gott gegeben hingenommen wird, ist die Kritik daran letztlich immer stecken geblieben. Mit der Verschärfung der Anforderungen an den Transmissionswärmefaktor, den berühmten H‘T , einerseits und der Weiterentwicklung der Technologie zu einem Strom-Wärme-System andererseits, hat sich die EnEV zu einer Zwangsjacke entwickelt, die bei allen an Modernisierung und Sanierung Beteiligten einen gewissen Schrecken hervorruft. „Die Bedingungen der EnEV einzuhalten, ist eine Gratwanderung, die oft nicht gelingt.“ Dieses Zitat eines Architekten ist keine Einzelmeinung, sondern drückt das Dilemma der zur Anwendung Verdammten im ganzen Land. Bauherren lässt sie geplante Investitionen auf die lange Bank schieben.
Jetzt rächt sich diese Philosophie und entfaltet in einem veränderten wirtschaftlichen Umfeld ihre negative Dynamik. Auch wenn neue Heiztechnologien am Markt sind, konnte deren Verbilligung – andere nennen das Lernkurve – mit den steigenden Kosten bei der Gebäudehülle nicht Schritt halten. Die einseitige Vorgabe, die Möglichkeiten des Primärenergieeinsatzes und den CO2-Ausstoß vom energetischen Zustand des Gebäudes abhängig zu machen oder anders ausgedrückt, dies nur als nachgeordnete Größe zu behandeln, ohne auf die Wirtschaftlichkeit eines solchen Konstrukts zu rekurrieren, ist gewissermaßen ein Geburtsfehler der EnEV. Dieser kann auch durch Förderung nicht kuriert werden. Das System der Kennzahlen der EnEV, das sich inzwischen verselbständigt hat und das auch, mathematisch betrachtet, keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr anbietet, ist an seine Grenzen gekommen. Bei einer rein regenerativen Kombianlage, etwa mit Wärmepumpe, eTank, Solarthermie und/oder PV-Anlage, stellt sich die Frage nach dem Primärenergiefaktor gar nicht. Da macht es keinen Sinn, Dämmstärken aus der Liste aufzuzwingen, die nur Kosten verursachen und in der Konsequenz das Vorhaben bedrohen. Auch die KfW-Förderung ist nicht hilfreich, folgt sie doch der gleichen Logik wie die EnEV. Mit abnehmender Wirkung lässt sich dies auch für andere Heizungskombination herunterdeklinieren, je weniger fossile Energieträger sie enthalten.
Umgekehrt führen ins Absurde aufgeblasene Dämmstärken ab einem bestimmten Punkt zu keiner messbaren Energieersparnis und zu keiner Komfortverbesserung, zerstören aber den Bewegungsspielraum für Investitionen in Erneuerbare Energien. Dafür produzieren sie neue, unnötige Probleme mit grauer Energie bei der Dämmstoffproduktion. Der Aspekt, dass bei rein regenerativen Heizungssystemen die Grenzkosten gegen Null gehen, kommt in der Philosophie der EnEV gar nicht vor. Anstatt Wege zu öffnen, wie die gegenwärtig noch höheren Investitionen einer rein regenerativen Anlage gestemmt werden können, blockt sie diese ab. Dort wo der Primärenergiefaktor belanglos wird, weil kein CO2-Ausstoss mehr stattfindet, könnte bzw. müsste die Dämmung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten flexibel gehandhabt werden. Damit ist kein Verdikt gegen die Dämmung ausgesprochen. Vielmehr geht es um ein wirtschaftlich optimiertes Verhältnis von Haustechnik und Bauphysik. Fordern und fördern sollte sich an wirtschaftlichen Kriterien orientieren, statt sich in einem System energetischer Kennzahlen zu verlieren. Auch für die Dämmstoffindustrie liegt der wirtschaftliche Erfolg übrigens nicht in den Dämmstärken, sondern in der verkauften Fläche.
Wenn hier von einem neuen Verhältnis zwischen energetischem Zustand des Gebäudes und der Qualität der Haustechnik gesprochen wird, soll dies kein gegeneinander Ausspielen vom Dämmung und Erneuerbaren Energien sein. Ganz im Gegenteil. Anstatt fester Vorgaben einer Energieeinsparverordnung sollten zum Beispiel die Möglichkeiten einer integrierten Gebäudesimulation als alternative Methode eröffnet werden. Damit könnte Wirtschaftlichkeit und Flexibilität für die Beteiligten transparent gemacht machen. Dies ist kein technisches Problem – in anderen Branchen ist umfassende Simulation zur Erreichung eines wirtschaftlichen Optimums längst üblich – es stellt sich eher als ein mentales dar. Anstelle eines Updates der Förderung ist eine grundsätzliche Renovierung des gesamten Politikansatzes erforderlich. Das mag nicht leicht scheinen, aber die Zeit drängt.
Klaus Oberzig