Vom Hausbesitzer zum Hausnetzbetreiber
Teil 1: Von der Volleinspeisung zur Summenmessung: Selbst erzeugten Sonnenstrom nicht einfach in das Stromnetz einzuspeisen, sondern vorrangig selbst zu verbrauchen, ist für die Besitzer kleiner PV-Anlagen in den letzten Jahren zum Regelfall geworden. Seit sich eine Volleinspeisung kaum mehr lohnt, fragen sich Anlagenbesitzer aber auch zunehmend, wie sie ihren Strom zu anderen Verbrauchern im gleichen Gebäude oder sogar zu Nachbarhäusern leiten können. Der Aufwand, den PV-Anlagenbetreiber in diesem Zusammenhang auf sich nehmen, stieg in den letzten Jahren nicht nur aufgrund stetig sinkender Einspeisevergütungen, sondern auch aufgrund steigender Strompreise für Letztverbraucher.
Unerkannter Vorreiter
Noch weit niedriger als die Einspeisevergütung für PV-Strom ist allerdings seit jeher die Vergütung für Strom aus kleinen Blockheizkraftwerken (BHKW), wenn diese als hocheffiziente stromerzeugende Heizung in Wohngebäuden verwendet werden. Entsprechend dem 2002 in Kraft getretenen KWK-Gesetz ist die Einspeisevergütung für BHKW-Strom an den durchschnittlichen Börsenpreis für Grundlaststrom an der Strombörse aus dem vorangegangenen Quartal gekoppelt – derzeit 3,21 Cent je Kilowattstunde. Bedingt durch die noch wesentlich höhere Differenz zwischen Einspeisevergütung und Strombezugskosten wurden BHKWs im Wohngebäudebereich, anders als PV-Anlagen, von Anfang an für einen vorrangigen Eigenverbrauch eingesetzt und so setzte auch die Suche nach Möglichkeiten zum gemeinsamen Stromverbrauch aus Eigenerzeugungsanlagen wesentlich früher als bei PV-Anlagenbetreibern ein.
Überschusseinspeisung
Messtechnisch ist der Eigenverbrauch durch den Betreiber einer kleinen Erzeugungsanlage einfach zu handhaben: An Stelle des bisherigen Strombezugszählers wird ein Zwei-Richtungs-Zähler installiert, der Überschusseinspeisung und Reststrombezug mit zwei separaten Zählwerken erfasst. In einem Wohnhaus mit mehreren Wohneinheiten verfügt in der Regel jede Partei über einen eigenen Stromzähler. Da hinter den typischerweise vom örtlichen Netzbetreiber installierten Verbrauchszählern auch das öffentliche Netz beginnt, ist eine direkte Weitergabe von Strom vom Anlagenbetreiber an andere Letztverbraucher allerdings nicht möglich. Als Lösung dieses Problems ersonnen die Betreiber kleiner BHKWs unbewusst das spätere Summenzählermodell: Hinter dem üblichen Zwei-Richtungs-Zähler wurden einfach Unterzähler installiert und die bisherigen Bezugszähler der nunmehr mitversorgten Letztverbraucher abgemeldet. Da dies nur im kleinen Rahmen, zumeist in Doppelhäusern oder kleinen Mehrfamilienhäusern, geschah, störten sich die Netzbetreiber daran über Jahre hinweg nicht.
Machtwort der Bundesnetzagentur
Mit steigenden Strompreisen nahm aber nicht nur die Anzahl von Summenmessungen zu, sondern auch deren Größe. Consulting-Unternehmen begannen Wohnungseigentümergemeinschaften „GbR-Modelle“ zum gemeinsamen Betrieb einer Eigenerzeugungsanlage zu offerieren und mit dem Aufkommen freier Messstellenbetreiber im Zuge der Liberalisierung des Messwesens ab 2005 wurde das Ansinnen auf Summenmessungen den Netzbetreibern auch direkt „angemeldet“, statt dass einfach nur ein paar Wohnungszähler abgemeldet wurden. Den Austausch von 30 Wohnungszählern gegen nur einen Zwei-Richtungs-Zähler und den damit einhergehenden Wegfall von Netzentgelten sowie Messkosten wollte ein Netzbetreiber 2006 nicht akzeptieren. Im Zuge eines durch den betroffenen Messstellenbetreiber der projektierten Summenmessung angestrengten besonderen Missbrauchsverfahrens bei der Bundesnetzagentur stellte diese 2007 erstmals das Recht auf Realisierung des „Summenzählermodells“ fest (Az. BK6-06-071).
Mehrfamilienhäuser
In der Praxis werden bei der Umstellung auf das Summenzählermodell oftmals die alten Zählerschränke einfach weiter genutzt. Die bisherigen Verbrauchszähler des Netzbetreibers werden gegen Stromzähler des Anlagenbetreibers – oder eines Messstellenbetreibers seiner Wahl – ausgetauscht. Zusätzlich wird zwischen den alten Zählerkästen und dem Hausanschlusskasten ein neuer Zählerschrank installiert. Dieser neue Zählerplatz enthält den Zwei-Richtungs-Summenzähler und den Erzeugungszähler.
Problematisch blieben jedoch Letztverbraucher innerhalb einer Kundenanlage, die ihren Strom nicht vom Anlagenbetreiber, sondern von einem dritten Stromlieferanten beziehen wollen. Die freie Wahl des Stromlieferanten eines Letztverbrauchers darf durch lokale Stromvermarktungskonzepte nämlich keinesfalls eingeschränkt werden. Zur Sicherstellung dieser Wahlmöglichkeit musste früher eine separate Anschlussleitung vom Hausanschluss zu den drittbelieferten Stromzählern gelegt werden. Wechselten diese drittversorgten Letztverbraucher später zum Anlagenbetreiber, wurde deren Stromzähler von einem Elektriker umgeklemmt. Der physische Wechselprozess war nicht nur aufwändig und durch die ständigen Umbaumaßnahmen teuer, sondern führte auch zu einem kurzen Stromausfall während der Neuverlegung der Leitungen.
Durchbruch dank Durchleitung
Diesen Geburtsfehler des Summenzählermodells behob der Gesetzgeber 2009 durch die Schaffung von § 4 Abs. 3b KWK-Gesetz sowie für PV-Anlagen im Jahr 2011 mit § 20 Abs. 1d EnWG: An die Stelle der „doppelten Sammelschiene“ trat die „bilanzielle Durchleitung“. Statt bei jedem Wechsel die Stromleitungen neu zu verlegen, verpflichtet sich der Anlagenbetreiber, den Strom von drittversorgten Letztverbrauchern kostenfrei durchzuleiten und messtechnisch zu erfassen. Zur Abrechnung des durchgeleiteten Stromverbrauches soll nach dem Willen des Gesetzgebers „erforderlichenfalls eine Verrechnung der Zählwerte über Unterzähler“ stattfinden.
Prinzipiell kann daher einfach der Verbrauch der drittversorgten Letztverbraucher vom Bezugszählwerk des Summenzählers abgezogen werden. Dazu ist es erforderlich, den realen Messwert des Summenzählers durch einen virtuellen Zählpunkt zu ersetzen, bei dem der nur durchgeleitete Strom vom tatsächlichen Ablesewert des Zählers abgezogen wird. Der Verbrauchswert dieser fiktiven Zählernummer wird dann dem Bezugsstromlieferanten für den Summenzähler gemeldet, damit dieser den Bezugsstrom mit dem Anlagenbetreiber abrechnen kann. Die bloße Verrechnung der Jahresablesewerte entspricht allerdings nicht dem physikalischen Stromfluss, was bei einem hohen Anteil drittversorgter Letztverbraucher zu Problemen führen kann. Aber auch ohne die Einrichtung einer registrierenden Leistungsmessung (RLM), lassen sich die Ablesewerte normaler SLP-Zähler auf synthetische Lastprofile legen und miteinander verrechnen.
Betätigungsfeld für Dienstleister
Beide Methoden klingen zwar kompliziert, doch § 4 Abs. 4 MessZV verpflichtet den Netzbetreiber, „die Zählpunkte zu verwalten [und] aufbereitete abrechnungsrelevante Messdaten zu übermitteln“. Im Ergebnis muss der Anlagenbetreiber daher theoretisch nur die Ablesewerte seiner Zähler übermitteln und erhält vom Netzbetreiber die abrechnungsrelevanten Verbrauchsdaten. Diesen Aufwand versuchen die meisten Netzbetreiber aber zu vermeiden und sperren sich gegen das Einrichtungsverlangen eines Summenzählers mit bilanzieller Durchleitung. Entgegen den Aussagen vieler Netzbetreiber, dass rechtliche Rahmenbedingungen fehlen würden, liegt die ablehnende Haltung wohl eher darin begründet, dass den Netzbetreibern auch nach 6 Jahren noch immer die Software zur automatisierten Abbildung des Prozesses fehlt.
Wenn es sich nicht um eine einfache Versorgung von wenigen Letztverbrauchern ohne Drittbelieferungsdurchleitung handelt, sind Anlagenbetreiber auch im Hinblick auf die komplexe Materie des Messwesens und dem kommenden Smart-Meter-Rollout gut beraten, den Messstellenbetrieb und gegebenenfalls die Abrechnung in professionelle Hände zu geben. Während sich die Zusammenarbeit mit dem grundzuständigen Messdienst des Netzbetreibers oftmals wie ein nicht enden wollender Behördengang anfühlt, agieren die beiden großen freien Messstellenbetreiber Discovergy und Mediaelektrik Bock kundenorientiert und bei weitergehendem Beratungsbedarf bieten LichtBlick mit dem ZuhauseStrom oder buzzn mit dem Produkt localpool auch Komplettpakete für PV-Anlagenbetreiber an, die neben der Messung auch die eigentliche Abrechnung und Consulting abdecken.
Neue Verkomplizierung
Einen erheblichen Mehraufwand beschert die jüngste EEG-Novelle den Betreibern von Summenmessungen, zumindest wenn in einer Kundenanlage mit Summenmessung sowohl eine Eigenstromnutzung durch den Anlagenbetreiber als auch die Belieferung von anderen Letztverbrauchern stattfindet. Während es für die Eigennutzung von Strom aus Anlagen bis 10 kWp bei einem Gesamtstromverbrauch des Eigenversorgers von maximal 10 MWh dank der Freimenge in gleicher Höhe (§ 61 Abs. 2 Nr. 4 EEG2014) theoretisch zu keiner Änderung kommt, ergeben sich für größere Anlagen oder bei einem auch nur marginalen Überschreiten der Freigrenze neue Probleme. Denn wenn nicht „technisch sichergestellt ist, dass Erzeugung und Verbrauch des Stroms zeitgleich erfolgen“, muss die Zeitgleichheit durch eine RLM nachgewiesen werden, zumindest sofern eine anteilige Reduzierung der EEG-Umlagenbelastung auf den Eigenstromverbrauch in Anspruch genommen werden soll (§ 61 Abs. 7 EEG2014).
Im Gegensatz zu sehr preiswerten SLP -Stromzählern führt eine RLM pro Messstelle zu jährlichen Kosten von mehr als 350 Euro – und es braucht mindestens zwei RLM-Zähler innerhalb der Summenmessung. Wie bei allen Problemen zuvor könnte sich dieses neue Hemmnis für die Summenmessung aber mit der Zeit von selbst auflösen: Zukünftige Messsysteme sollen entsprechend dem Eckpunkte-Papier des BMWi zum Smart-Meter-Verordnungspaket mit einer Preisobergrenze von 100 Euro ab 2017 die RLM im kleinen Leistungsbereich ablösen.
In den nächsten beiden Ausgaben werden wir uns mit der Messung sowie der Stromvermarktung aus kleinen Erzeugungsanlagen an Mieter oder Nachbarn innerhalb der gleichen Kundenanlage weiter beschäftigen.
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Louis-F. Stahl