Leugnen ist billig - zumindest kurzfristig
In den USA ist der Klimawandel eine Frage des parteipolitischen Standpunkts. Der Kampf um die öffentliche Meinung wird von der Öl- und Gaslobby mit Millionen Dollars unterstützt. Mit Erfolg: Jeder zweite Amerikaner glaubt, dass es keine menschgemachte Erderwärmung gibt.
Für die US-Öl- und Kohleindustrie beginnt 1998 ein bis heute anhaltender Albtraum. Der Forscher Michael Mann und seine Kollegen am Zentrum für Geowissenschaften an der Pennsylvania State Uni fügen alle verfügbaren Klimadaten zusammen und staunen über eine Grafik. Diese zeigt, dass die Temperaturkurve der Erde über viele Jahrhunderte relativ waagerecht verlief, aber seit 1850 steil nach oben steigt, also seit dem Beginn des kohle-, öl- und gasbefeuerten Industriezeitalters. Beim Weltklimarat der Vereinten Nationen sorgte der Beweis, dass der Mensch das Klima verändert, für Aufregung. Die Senkung des CO2-Austoßes ist seitdem das zentrale Thema der Klimakonferenzen. Der forcierte Ausbau Erneuerbarer Energien steht jedoch den Interessen der traditionellen Energiewirtschaft entgegen. Vor allem in den USA unterstützt diese seitdem Wissenschaftler, Institute, Politiker und Medien, welche die menschgemachte Erderwärmung als einen großen Schwindel betrachten.
558 Millionen Dollar für Klimaskeptiker
Dr. Robert Brulle, Soziologe und Umweltwissenschaftler der Drexel Uni in Philadelphia, veröffentlichte vor eineinhalb Jahren seine Forschung über die Finanzen der US-Klimawandelleugner. Seine Untersuchung zeigt, dass 140 Stiftungen über 558 Millionen Dollar an 91 konservative Institute in den Jahren von 2003 bis 2010 vergeben haben. Die Begünstigten bestreiten den Klimawandel oder zumindest den Einfluss der Menschen auf das Klima. Brulle räumt allerdings ein, dass die bezuschussten Organisationen meist auf mehreren Gebieten arbeiten und deren Jahresetat von 900 Millionen Dollar daher nicht ausschließlich zum Bestreiten des Klimawandels eingesetzt würde. Andererseits würden die Geldgeber mehr und mehr auf nicht veröffentlichungspflichtige, also verdeckte Finanzierungsformen übergehen. Trotz intensiver Recherche könne nur ein Bruchteil der Finanzgaben verfolgt werden.
Klimaskeptiker in den USA
Marc Morano ist der bekannteste Klimaskeptiker der USA. Der PR-Manager und Publizist ist in vielen Talkshows zu sehen. Er wird von den Sendern gerne als konservativer und zuverlässiger Haudrauf in Umweltdebatten gebucht. Morano hat im Auftrag des Committee for a Constructive Tomorrow die Webseite Climate Depot gegründet und nimmt für sich in Anspruch, die Klimaschutzpolitik von Präsident Obama wesentlich torpediert zu haben. Der Atmosphärenphysiker Fred Singer ist mit seinen 91 Jahren der wohl älteste Klimaskeptiker. Von 1946 bis 1950 arbeitete er am Raketenprogramm der Johns Hopkins Uni zur Untersuchung der oberen Atmosphäre. Singer hat bereits früher öffentlichkeitswirksame Außenseiterpositionen vertreten. So bestritt er die Gefahren des Passivrauchens und den Einfluss von FCKW auf die Ozonschicht. Heute hält Singer den Einfluss des von Menschen verursachten CO2-Ausstoßes auf das Klima gegenüber dem natürlichen Ausstoß für vernachlässigbar. Fred Singer wird insbesondere vom Heartland Institute unterstützt.
Willie Soon vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics ist der wohl bloßgestellteste Klimawandelleugner. Die New York Times veröffentlichte Anfang 2015 auf ihrer Homepage Dokumente, aus denen hervorgeht, dass er 1,2 Millionen Dollar aus Kreisen der Kohle- und Öllobby für seine Forschungen erhalten hat, ohne diese Unterstützung bei der Publikation seiner Arbeiten anzugeben. Soon machte bereits 2011 Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass er mit Gagen von jeweils einigen Hunderttausend Dollar von der Ölindustrie unterstützt worden war, darunter Exxon Mobil. Soon behauptet, die Sonnenaktivität sei die Ursache für den Klimawandel.
Zu den finanzkräftigen und einflussreichen Klimawandelskeptikern zählen in den USA vor allem das Heartland Institute mit seinem Center on Climate and Environmental Policy, das Committee for a Constructive Tomorrow und die Global Warming Policy Foundation. Auch die Brüder Charles und David Koch, deren milliardenschweres Industriekonglomerat laut Greenpeace einer der größten Umweltverpester der USA ist, zählen sich stolz zu den Finanziers der Klimaleugner.
Klimaskeptiker in Deutschland
In Deutschland ist der Klimaschutz überparteilicher Konsens und die Zahl der Klimaskeptiker eher gering. Zu nennen wäre hierzulande etwa der Verein Europäisches Institut für Klima und Energie (EIKE) in Jena. Das EIKE betrachtet den Klimawandel für „naturwissenschaftlich nicht begründbar und daher als Schwindel gegenüber der Bevölkerung“ und „lehnt folglich jegliche Klimapolitik als einen Vorwand ab, Wirtschaft und Bevölkerung zu bevormunden und das Volk durch Abgaben zu belasten“, wie auf der Homepage zu lesen ist.
Fritz Vahrenholt, ehemaliger Umweltsenator in Hamburg und Vorstandsvorsitzender der RWE-Tochter Innogy, erreichte 2012 mit dem Buch „Die kalte Sonne. Warum die Klimakatastrophe nicht stattfindet“ kurzzeitig Aufmerksamkeit als Klimaskeptiker. Er und Mitautor Lüning führen die Klimaerwärmung nicht auf den Menschen, sondern die schwankende Sonnenaktivität zurück. Das Umweltbundesamt konterte im folgenden Jahr mit dem Buch „Und sie erwärmt sich doch.“ Die Sonnenthese wird darin wissenschaftlich widerlegt. Das UBA listet in diesem Buch weitere deutsche Klimaskeptiker aus Wissenschaft und Medien auf. Die Medien kritisierten dies allerdings scharf als öffentliche Anprangerung.
Leicht gekürzt, im Ganzen erschienen im ON Service „09.2015“ der Availon GmbH
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