Umlage-Fragen beim EE-Stromverbrauch vor Ort
Über die fragwürdige Erhebung der EEG-Umlage: Ein Exkurs. Seit dem EEG 2014 ist die Eigenversorgung mit Strom aus Erneuerbaren Energien - anteilig und mit Ausnahmen - mit EEG-Umlage belastet. Die Stromlieferung aus Anlagen vor Ort sei es – in voller Höhe - schon immer gewesen, heißt es. Die Netzbetreiber beginnen jetzt damit, beide Umlagetatbestände vor Ort zu ermitteln und die Umlage einzutreiben. Mancher Anlagenbetreiber wird dabei sein blaues Wunder erleben, und womöglich auch mancher Letztverbraucher.
Familienvater Bernd Steiner reibt sich die Augen: Schon wieder ein Formular, das der Netzbetreiber ausgefüllt zurückerhalten möchte.
Die 5 kWp-PV-Anlage, die er vor einem Jahr auf dem Einfamilienhaus installieren ließ, läuft ohne Probleme. Aber der Verwaltungsaufwand! Erst der ganze Papierkram zur Anmeldung der Anlage, dann eröffnete ihm das Finanzamt, dass er wegen der EEG-Vergütung ein Gewerbe anmelden müsse, und eine Steuererklärung abgeben. Das war besonders deshalb ärgerlich, weil es nur um wenige hundert Euro Vergütung im Jahr geht. Denn fast die Hälfte des Stroms verbraucht er mit seiner Familie selbst.
Erst der Eigenverbrauch macht die im April 2014 in Betrieb genommene Anlage rentabel. Die Vergütung von 13,28 ct/kWh netto würde nicht ausreichen, die Anlage in überschaubarer Zeit zu amortisieren. Obwohl nicht mehr gefördert, ist der Eigenverbrauch des Stroms attraktiver. Bei etwas über 20 ct netto pro kWh für „grünen“ Strom aus dem Netz lohnt sich das Einsparen von Netzstrom mehr als die Vergütung. „Stromverbräuche mit Zeitschaltuhren und anderen technischen Mitteln oder einfach durch verändertes Verhalten in die Sonnenzeit zu verlegen ist zu einem kleinen Hobby von mir geworden“, sagt Steiner.
Kritische Fragen der Netzbetreiber zur EEG-Umlage
Und jetzt das: EEG-Umlage. Der Schreck über die Umlage auf Eigenstrom, die mit dem EEG 2014 eingeführt wurde, war eigentlich schon verflogen. Es gibt doch eine Bagatellklausel, nach der Anlagen bis 10 kWp umlagefrei sein sollen. Oder nicht?
Der Netzbetreiber fragt:
3. Ist Ihre Erzeugungsanlage eine PV-Anlage mit einer installierten Leistung von maximal 10 kWp und ist mit einer Eigenversorgung von mehr als 10.000 kWh zu rechnen?
- Ja
- Nein
Die Anlage von Bernd Steiner hat „maximal 10 kWp“, das ist klar. Also ja? – Moment, es geht ja noch weiter: „…und ist mit einer Eigenversorgung von mehr als 10.000 kWh zu rechnen?“: Natürlich nicht. Der Haushalt verbraucht ja insgesamt keine 5.000 kWh pro Jahr. Also Nein. Oder?
„Nein“ ist die richtige Antwort; bei PV so gut wie immer.
Denn die Frage zielt auf die Mengenbegrenzung der Bagatellklausel pro Jahr. Kaum eine 10-kWp PV-Anlage wird überhaupt so viel Strom erzeugen, dass die Grenze von 10.000 kWh überschritten werden könnte. Entsprechendes gilt für einen typischen Familienhaushalt, der selten einen solchen Verbrauch erreichen wird. Selbst mit PV-optimiertem Verbrauchsprofil und einer Batterielösung für den Abend wird PV-Strom außerdem meist nur einen Teil des Stromverbrauchs abdecken.
Steiner hat aber noch eine Frage, die ihm Probleme bereitet:
1. Wird der selbstverbrauchte Strom ausschließlich zur Eigenversorgung genutzt (Anlagenbetreiber und Letztverbraucher sind personenidentisch)?
- Ja
- Nein
Er denke, sagt Steiner, dass er den selbstverbrauchten Strom zur Eigenversorgung nutze. Wozu denn sonst, wenn er den Strom selbst verbrauche?
Spitzfindig kann man die Frage für vor Ort verbrauchten EE-Strom tatsächlich immer mit „Ja“ beantworten. Der Netzbetreiber, dessen Fragen als Übungsmaterial für Logikkurse oder in Glückskeksen für Haarspalter verwendet werden könnten, hätte es nicht besser verdient. Dennoch möchte ich spätere Probleme mit dieser Antwort nicht ausschließen.
Der Netzbetreiber hat nämlich dieser Frage im Anschreiben eine Erläuterung mitgegeben, die es in sich hat: Er erläutert, wie die Eigenversorgung, die Grundlage für die Inanspruchnahme der Bagatellklausel und anderer Vergünstigungen ist, gesetzlich definiert wurde (siehe Kasten rechts).
Das Gesetz setzt kurz gesagt voraus, dass der Anlagenbetreiber den erzeugten Strom im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit der Stromerzeugungsanlage und ohne Netzdurchleitung selbst verbraucht. Der Anlagenbetreiber ist auch derjenige, der die Förderung nach dem EEG verlangen kann. In § 5 Nr. 2 EEG 2014 wird er definiert als derjenige, der „unabhängig vom Eigentum die Anlage für die Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien … nutzt.“
Eigenversorgung ist also nur der Verbrauch durch denjenigen, der Anlage zur Stromerzeugung nutzt, nicht durch Dritte, die mit der Anlage nichts zu tun haben.
Wer im Sinne des Gesetzes die Anlage „nutzt“, wird von Juristen an Indizien festgemacht, die sich auf die wirtschaftliche Nutzungsberechtigung und die damit einhergehenden Besitzverhältnisse, den Zugriff auf die Anlage und den von ihr erzeugten Strom, aber auch auf die wirtschaftlichen Chancen und Risiken des Anlagenbetriebes beziehen. Diese Indizien gehen auf die Gesetzesbegründung des EEG 2009 zurück. Diese machte klar, dass der rein technische Betriebsführer nicht „Anlagenbetreiber“ im Sinne des Gesetzes sein soll. Sonst würde dem lediglich mit Betriebsführung und Wartung beauftragten Unternehmen die Förderung bzw. Vergütung für Strom zustehen, über den nicht das Wartungsunternehmen, sondern dessen Auftraggeber verfügen darf. Andererseits sind diese Indizien ungenau und ersetzen nicht den Gesetzestext. Diesen sollte man nicht aus den Augen verlieren, denn ungeachtet des Zugriffs auf die Anlage, etwaiger Risiken und Chancen muss der Anlagenbetreiber doch stets derjenige sein, dem infolge seiner berechtigten Nutzung der Anlage das Recht am Strom der Anlage zusteht. Denn nur dieser kann den Strom einspeisen und Vergütung oder Förderung faktisch in Anspruch nehmen. Weil der wirtschaftlich Berechtigte letztlich über den Zugriff auf die Anlage bestimmt und Chancen und Risiken des Anlagenbetriebs wahrnimmt, haben die Indizien aber eine gewisse Berechtigung.
Pragmatische Antwort für Familien
„Das ist ja schön und gut“, meint Bernd Steiner zum Autor, „wirtschaftlich berechtigt sind wir wohl irgendwie gemeinsam, meine Frau und ich. Den größten Stromverbrauch müssen Sie allerdings auf meinen Sohn verbuchen.“
Von dem Faible des Dreijährigen für Lichtschalter und die Ein-/Austaste des Familiencomputers habe ich schon gehört. Ob er dadurch im Sinne des Gesetzes „den Strom selbst verbraucht“ darf man wohl bezweifeln. Ganz sicher aber ist er nicht Anlagenbetreiber. Was nun?
Pragmatisch der Rat des Netzbetreibers: „Sorgen Sie dafür, dass der Anschlussnehmer auch als Anlagenbetreiber gemeldet ist, dann akzeptieren wir das als Eigenversorgung“, heißt es sinngemäß auf telefonische Anfrage. Herr Steiner findet das OK, denn er ist auch Anschlussnehmer. Verwundert ist er trotzdem. „Ob EEG-Umlage für Stromlieferung in voller Höhe oder nur die anteilige Umlage für Eigenversorgung anfällt, entscheidet sich also danach, ob Stromanschluss und Anlage zufällig auf den gleichen Namen laufen? Was macht das für einen Unterschied für den Strom oder die Umwelt?“
Auch wenn sich mir diese Frage ganz genauso stellt und diese pragmatische Lösung letztlich dem im Anschreiben dargelegten Ansatz der Netzbetreiber, personenscharf zwischen Letztverbraucher und Anlagenbetreiber zu unterscheiden, nur ungenügend entspricht, scheint sie doch für Einfamilienhäuser praktikabel. Man muss nur rechtzeitig auf die richtigen Eintragungen achten.
Dumm allerdings, wenn man bei Anmeldung von Stromanschluss und Anlage nicht gewusst hat, was man schlauerweise in die Formulare hätte eintragen sollen. Aber es kommt noch schlimmer.
Umlageerhebung in Mehrfamilienhäusern und Gewerbekonstellationen
Schon bei einem kleinen Mehrfamilienhaus oder einem vermieteten Gewerbegrundstück lässt sich das Problem nicht mehr so leicht umschiffen. Zwar laufen PV-Anlage und Verbrauchsanschluss aus technischen Gründen regelmäßig über denselben Anschluss. Hier aber werden die Übertragungsnetzbetreiber die Sache mit der Personenverschiedenheit ganz sicher nicht so pragmatisch betrachten.
Wenn der Vermieter auf dem Dach eine PV- Anlage betreibt und den Mietern unter dem Dach den damit erzeugten Strom verkauft, scheint die Rechtslage zudem klar: Hier ist eine Stromlieferung vereinbart, der Vermieter des Grundstücks oder Hauses, der den Strom verkauft, fungiert als „Elektrizitätsversorgungsunternehmen“. Nach Maßgabe des Ausgleichsmechanismus fällt damit EEG-Umlage in voller Höhe an. Anlagenbetreiber, die Strom praktisch und ohne große Förmelei vor Ort verteilen und abrechnen, wissen häufig noch nicht, dass Sie deshalb sehr bald zur Kasse gebeten werden. Denn wenn die Fragen der Netzbetreiber beantwortet sind, wird der Übertragungsnetzbetreiber die EEG-Umlage in Rechnung stellen, einschließlich Nachzahlungen.
Ob das wirklich gerechtfertigt ist? Dazu unten mehr. Zunächst zu einem Modell, das keine Stromlieferung braucht.
Anlagenmiete und -teilmiete: ebenfalls umlagepflichtig?
Barbara Meier hat eine PV-Anlage und ihr Gewerbemieter verbraucht Strom, den sie ihm aber nicht verkauft. Sie hat die Anlage anteilig vermietet. Die Eigentümerin eines vermieteten Gewerbegrundstücks hat in eine 200 kWp-Anlage investiert, die auf dem Dach installiert ist. Der Gewerbemieter hat Interesse am PV-Strom, zur Eigenversorgung. Mit der Einspeisung des übrigen Stroms ins Netz will er aber nichts zu tun haben. Daher teilen sich die Parteien den Anlagenbetrieb und dessen Ergebnis nach dem Modell „PV-Teilmiete“ der DGS Franken auf.
Der Mieter bezahlt für die Mitnutzung eine Miete. Diese besteht in einem Festbetrag, was die monatlichen Vorauszahlungen betrifft. Am Ende des Jahres aber wird nach Maßgabe der Stromanteile abgerechnet. Der Mieter bezahlt nur den Anteil, der dem Anteil seines Stromverbrauchs am Gesamtertrag der Anlage entspricht. Einen Preis pro „gelieferte“ kWh gibt es bei diesem Modell nicht: Denn je nach Gesamtertrag der Anlage schwankt auch der Anteil des Mieters. Verbraucht er konstant 100.000 kWh und hat die Anlage in einem Jahr 200.000 kWh Ertrag, im anderen Jahr aber nur 175.000 kWh, so beträgt sein Mietanteil im einen Jahr 50% und im anderen 57,14%. Geht man also zum Beispiel von einer Gesamtmiete von 20.000 € jährlich für die Anlage aus, so wäre die Miete im einen Fall 10.000 € und im anderen 11.428 €. Rechnerisch bezahlt der Mieter also mal 10 ct pro kWh, mal ca. 11,43 ct. Varianten ergeben sich, wenn auch noch der Eigenstromverbrauch schwankt, je nachdem wie die Anlage zur Verfügung steht und der Strom abgenommen werden kann.
Auf „Stromlieferung“ hat der Mieter keinen Anspruch. Der Strom fließt aus der Anlage, die in seinem unmittelbaren Mitbesitz steht und die er vor Ort betreut, direkt in seine Maschinen. Er hat Gewährleistungsansprüche, die sich aber nicht auf den Strom beziehen, sondern auf Fehler der Anlage, die den gemeinsamen „Gebrauch“ vereiteln oder mindern.
Der zuständige Übertragungsnetzbetreiber möchte hier trotzdem EEG-Umlage von der Vermieterin erheben, und zwar in voller Höhe: Entgegen der vertraglichen Regelung liege eine Stromlieferung vor, weil Betreiber der Anlage und Letztverbraucher nicht identisch seien. Der Mieter sei nicht Betreiber: Er könne nicht allein über den Betrieb der Anlage entscheiden und auch das Risiko „der Anlage“ trage er nur zu einem geringen Teil. Infolge der mietrechtlichen Gewährleistung habe bei einem Ausfall letztlich die Vermieterin den Schaden und müsse die Anlage reparieren. Sie sei daher alleinige Betreiberin und vom Mieter personenverschieden, also liefere sie ihm faktisch den Strom.
Der Autor teilt diese Auffassung ganz und gar nicht. Das hat viele Gründe. Zunächst liegt es daran, dass der Vermieterin nach der getroffenen Regelung der von ihr angeblich zu liefernde Strom schon bei seiner Erzeugung nicht mehr zusteht. Der Mieter ist Mitbesitzer der Anlage und hat auf diesen direkten Zugriff.
Selbst wenn man das für Haarspalterei hält, kann man jedenfalls nicht jedem Anlagenbetreiber ohne Weiteres eine umlagepflichtige Stromlieferung an die Letztverbraucher unterstellen, die den erzeugten Strom faktisch abnehmen. Es kommt auf das Vertragsverhältnis der Parteien an.
weitere Kapitel...
- Es kommt auf das Vertragsverhältnis an!
- Wer ist Letztverbraucher?
- Wann fällt Umlage beim Letztverbraucher an?
- Was ist Eigenversorgung?
- Wer ist Anlagenbetreiber?
- Fragwürdige Erhebung von EEG-Umlage auf EE-Strom
- Fragwürdige Ungleichbehandlung von Stromlieferung und Eigenversorgung
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Peter Nümann ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz. Er bloggt unter www.green-energy-law.com
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Peter Nümann