Das Ende vom Fracking-Geschäft
Neue Studie zeigt die Schattenseiten des Schiefergas-Booms auf: Das konventionelle Energierohstoffgeschäft mit Erdöl, Erdgas, Kohle und Uran ist wohl das größte Geschäft dieser Erde. Zudem hängen eine Vielzahl der größten Industrien: die Automobilindustrie, Luft- und Schifffahrt, Energieerzeugung, Chemieindustrie, Bauwirtschaft und sogar die Landwirtschaft existenziell von der Verfügbarkeit dieser konventionellen Energierohstoffe ab.
In einer Weltwirtschaft, die in diesem hohen Maße von den konventionellen Energierohstoffen abhängig ist, gibt es unendlich viele Aktivitäten genau diese Rohstoffabhängigkeit aufrecht zu erhalten. Dies sind nicht nur wirtschaftliche Aktivitäten zu Rohstoffgewinnung, sondern auch politische Unterstützungen bis hin zur militärischen Sicherung der Rohstoffquellen und Rohstofftransportwege.
Wirkungsvoller Lobbyismus, Medienbeherrschung, Parteienfinanzierungen und Finanzierungen für Staatshaushalte bis hin zur Korruption gehören zu den politischen und wirtschaftlichen Aktivitäten der fossilen und atomaren Energierohstoffindustrie, genauso wie die willfährige Bedienung der Interessen der fossilen und atomaren Wirtschaft durch politische Entscheidungsträger.
Die Abhängigkeiten vieler nationaler Ökonomien und Regierungen von der fossilen und atomaren Energierohstoffwirtschaft sind so hoch, dass viele wichtige Staatsziele, wie Klimaschutz, örtlicher Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte, ja sogar Friedenssicherung der Notwendigkeit der Rohstoffbeschaffung zum Teil völlig untergeordnet werden.
Um die Interessen der alten Energiewirtschaft zu schützen, werden wirklich tragfähige Lösungen wie der Ausbau der Erneuerbaren Energien vor allem als Kostentreiber diffamiert, um eine Legitimation zu haben, weiterhin die Energiepolitik auf die Rohstoffbeschaffung zu konzentrieren. So wird konsequent versucht, eine kostengünstige und energierohstofffreie Energiewirtschaft mit Erneuerbaren Energien lange aufzuhalten und deren Wachstum auszubremsen, damit die Geschäfte der konventionellen Energierohstoffe noch lange Jahre weitergehen können.
Warum Öl derzeit so billig ist
Etwa seit dem Jahre 2006 stagniert die Förderung des leicht gewinnbaren Erdöls, das sogenannte Crude oil. Seit wenigen Jahren ist sie sogar rückläufig. Seitdem ist der Ölpreis massiv gestiegen und eine leicht gestiegene Weltölförderung mithilfe von unkonventionellem Öl und Gas konnte die steigende Weltenergienachfrage stillen, wenn auch nur unzulänglich mit hohen Ölpreisen.
Infolge der Nachfragesenkung nach Erdöl hat der wirtschaftliche Rückgang in vielen Teilen der Weltwirtschaft zu einer Erhöhung des Ölangebotes geführt. Verbunden war dies auch mit einer leichten Fördersteigerung im unkonventionellen Öl- und Gassektor insbesondere in der US Frackingindustrie. Deshalb sind die Ölpreise seit Mitte 2014 gesunken. Außerdem hat die weltweit immer erfolgreichere Substitution von Erdöl durch Erneuerbaren Energien dazu beigetragen. Die niedrigen Erdölpreise werden aber vermutlich nur von kurzer Dauer sein. Wegen gesunkener Ölpreise wird die Weltwirtschaft wieder anspringen und die Ölnachfrage wieder steigen.
In dieser Phase erscheint es aus Sicht der alten Energiewirtschaft nur konsequent weiter auf unkonventionelles Erdöl und Erdgas zu setzen, unter Hintanstellung ökologischer und sogar ökonomischer Vernunft. Genau in dieser Phase der Verknappung der Rohstoffverfügbarkeit steckt seit einem Jahrzehnt die weltweite fossile Energiewirtschaft. Aber die Geschäftsmodelle der Erdöl- und Erdgaswirtschaft sind nicht mehr lange tragfähig.
In den USA ist die Gasförderung aus konventionellem Erdgas schon seit dem Jahre 2000 stark rückläufig. Immer mehr Erdgasfelder erschöpfen sich. So war es kein Wunder, dass im Jahre 2005 Präsident Bush die Umweltgesetze für das Fracking von Erdöl und Erdgas massiv lockerte. Großflächige Umweltverschmutzungen mit Bohrschlammverseuchungen und Vergiftungen von Trinkwasservorkommen wurden in Kauf genommen.
Infolge des Frackingbooms stieg die US-Gasförderung seitdem wieder steil an, obwohl die konventionelle Gasförderung weiterhin stark abnimmt. Dies verleitete viele zu dem Trugschluss, zu einem angeblich über Jahrzehnte andauernden Erdöl- und Erdgasfracking Hype. Befördert wurde diese Euphorie durch eine Propaganda der Mineralölkonzerne in Verbindung mit entsprechenden willfährigen Regierungsaktivitäten.
Weltweit werden auf den von der fossilen Wirtschaft dominierten Energiekonferenzen die Möglichkeiten von Fracking und anderen unkonventionellen Fördermethoden überzeichnet, die Umwelt- und Klimaschutzprobleme, sowie die Kostenrisiken ignoriert. Ein Bild der fast unendlichen billigen Verfügbarkeit von Frackingöl- und -gas wird bewusst gezeichnet.
Energiepolitiker, unter anderem die EU-Energiekommissare und die Energieminister in europäischen Staaten, von Großbritannien über Polen bis in die Ukraine glauben diesen Bildern einer weiteren problemfreien und billigen Energieversorgung mit fossilen Rohstoffen und suchen die Lösung der Energieprobleme vor allem im Fracking. Angesichts einer gerade in Europa stark rückläufigen Erdöl- und Erdgasförderung und einer steil zunehmenden Importabhängigkeit (inzwischen muss die EU über 50% ihres Energiebedarfes importieren) erscheint vielen das Fracking als wesentlicher Ausweg.
Dabei sind gerade in der EU die Frackingpotentiale sehr niedrig. Insbesondere in Polen sind die großen Frackinghoffnungen trotz erheblicher politischer Unterstützung bereits am Zerplatzen.
Die Fracking-Euphorie bröckelt
Neu ist, dass jetzt auch in den USA die Frackingindustrie unter starken finanziellen Druck gekommen ist. Massenentlassungen, ja sogar Insolvenzen zeigen ein völlig anderes Bild, als das des jahrelangen sicheren Aufschwunges der fossilen Wirtschaft. Noch ist aber mit dieser neuesten Entwicklung keine Umkehr der politischen Pro-Fracking Rhetorik zu sehen und dies obwohl gerade die Energie Information Agentur (EIA) der USA verkündete, dass im September 2015 die Frackinggasförderung zurückgehen wird. Eine Meldung, die die vor zwei Jahren veröffentlichten Analysen der Energy Watch Group (EWG) bestätigt, aber nicht in das Bild der propagandistischen Fracking-Euphorie passt. Gerade der neue EU Kommissar Sefkovic setzt insbesondere in seiner Energiepolitik auf Fracking und andere fossile Rohstoffe, um eine heimische, von russischen Energielieferungen unabhängige europäische Energieversorgung zu ermöglichen. Mangels genügender Ressourcen innerhalb Europas ist dies jedoch innerhalb der fossilen Energieversorgung unmöglich. Nur der schnelle Umstieg auf Erneuerbaren Energien kann dies leisten.
Trotz der politischen Unterstützung von Brüssel über London, Warschau oder Berlin hat es die Frackingindustrie und die sie unterstützende Politik in allen europäischen Ländern mit massiven Bürgerprotesten zu tun, die in einigen Ländern, wie Frankreich bereits zu einem langjährigen Frackingmoratorium führten.
Dabei sind die lokalen Umweltverschmutzungen nicht das einzige ökologische Problem des Frackings. Die hohen CO2-Emissionen bei Nutzung des Frackinggases müssten bei einer verantwortungsvollen Klimaschutzpolitik längst zu einer Ächtung des Frackings führen. Doch davon ist nicht zu sehen. Offen oder verdeckt wird in den meisten europäischen Ländern an der Einführung des Frackings gearbeitet.
Fracking in Deutschland
In Deutschland ist diese Politik besonders gravierend. Mit einer Rhetorik für Trinkwasserschutz und Eingehen auf die Forderungen der Frackinggegner wurde von der Bundesregierung im April 2015 ein Gesetzesentwurf beschlossen, der in Wirklichkeit dem Fracking in Deutschland breit und großflächig den Weg bereitet.
Es zeigt sich auch hier, dass insgeheim alle anderen politischen Werte- und Zielvorstellungen, wie Klimaschutz, lokaler Umweltschutz, Schutz der Heimat und Schutz des privaten Eigentums der Grundbesitzer dem Beschaffungsdiktat fossiler Rohstoffe untergeordnet werden.
Dabei wäre dies überhaupt nicht erforderlich und ist auch ökonomisch widersinnig, wenn man die Möglichkeiten einer Energieversorgung mit Erneuerbaren Energien und stärkerer Energieeffizienz in den Mittelpunkt stellt. So ist heute schon die Stromerzeugung aus Wind- und Solarkraft wesentlich kostengünstiger als aus (Fracking-) Gaskraftwerken. Auch die Heizungen aus Erneuerbaren Energien sind oftmals selbst bei mittelfristigen Kostenbetrachtungen billiger als Erdgasheizungen.
Da selbst die ökonomischen Vorteile der Erneuerbaren Energien gegenüber dem Nutzen von Frackinggas weit überwiegen, ist es völlig unverständlich, dass immer noch zu Lasten von Umweltschutz und gegen den Willen der betroffenen Bevölkerung eine Regierungspolitik für das Fracking dominiert und andererseits die Regierungspolitik in der EU vielfach den Ausbau der Erneuerbaren Energien immer weiter unter Druck setzt.
Öl- und Gaswirtschaft in der wirtschaftlichen Falle
Inzwischen sind ja die Energieerzeugungskosten aus neuen Erneuerbaren Energien Anlagen meist kostengünstiger als aus neuen Kohle-, Erdgas- und Erdölkraftwerken, so die Untersuchungen verschiedener US Analysten wie Lazard oder Bloomberg. Infolge dessen beschleunigt sich der Ausbau der Erneuerbaren Energien weltweit enorm. Nur in Europa außer Skandinavien, Schottland und Irland ist durch enormen politischen Gegenwind der Ausbau der Erneuerbaren Energien massiv gebremst worden. Doch die krampfhaften politischen Maßnahmen vieler EU-Politiker zum Stützen der überkommenen fossilen und atomaren Energieversorgung werden nicht tragfähig sein.
Die fossile Energiewirtschaft steckt in einer ökonomischen Doppelfalle. Bei niedrigen Energiepreisen, wie sie aktuell mit einem Ölpreis von ca. 50 Dollar pro Barrel vorliegen, ziehen sich immer mehr Finanzinvestoren aus Beteiligungen der großen Konzerne zurück und vermeiden Neuinvestitionen, die aber zur Bedienung der Rohstoffnachfrage dringend gebraucht werden. In Folge dessen, wird es wieder zu einer Verknappung des Rohstoffangebotes kommen, weshalb dann die Rohstoffpreise wieder deutlich anziehen werden.
Bei steigenden fossilen Rohstoffpreisen aber werden immer mehr Energiekunden sich mit Investitionen in die viel billigeren Erneuerbaren Energien endgültig aus der fossilen Energiewelt verabschieden. Rasant nimmt die Bewegung für 100% Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien zu. Immer mehr Privatleute, Unternehmen, Energieversorger, Kommunen, Großstädte, ja ganze Nationen haben dieses Ziel ausgerufen und es werden immer mehr. So hat beispielsweise im März 2015 Costa Rica eine für 2021 angepeilte 100%ige Ökostromversorgung bereits erreicht.
Große Banken wie die Bank of England warnen inzwischen vor Neuinvestment in fossile Energieerzeugung als neue Blase an der Börse (Carbon Bubble). Der weltweit größte Finanzinvestor – der norwegische Pensionsfonds – steigt aus Beteiligungen in fossile Energie aus, genauso wie Warren Buffet, einer der größten privaten Finanzinvestoren. Gleichzeitig steigen sie immer mehr in Erneuerbare Energien ein.
Die Finanzgrundlage der fossilen Wirtschaft erodiert in hoher Geschwindigkeit. Die IEA warnt, dass die Investitionen in die fossile Rohstoffversorgung bei weitem nicht ausreichen, um die Rohstoffversorgung auf bisherigem Niveau aufrecht zu erhalten und zeigt zudem auf, dass Investitionen in Erneuerbare Energien und Energieeffizienz sich lohnt. 52 Billionen Euro würde sich die Weltgemeinschaft bis 2050 dann an Kosten für die fossile Energieversorgung unter dem Strich sparen können.
Diese Erkenntnisse sprechen sich immer mehr in Finanzkreisen herum. Sie führen letztendlich zu einem Zusammenbruch der ökonomischen Basis der fossilen Energiewirtschaft.
Um so abstruser sind die krampfhaften Versuche vieler Regierungen Europas mit antiökologischen Gesetzen der Fracking-Industrie und der fossilen Energiewirtschaft insgesamt doch noch eine wirtschaftliche Zukunft zu eröffnen. Dies wird nur zur Folge haben, dass die europäischen Staatshaushalte wegen hohen Importrechnungen und hohen fossilen Subventionen noch stärker unter Druck geraten und vor allem, dass China, USA und viele andere Länder der Welt Europa zunehmend ökonomisch überholen.
Die letzte Studie der Energy Watch Group (EWG) zeigt viele Details auf, dass Frackinggas keine ökonomisch sinnvolle Energieoption darstellt und die erheblichen Umwelt- und Klimaschäden nicht verantwortbar sind. Und die jüngsten Meldungen aus den USA bestätigen die Analysen der EWG und nicht die der großen fossilen Energiekonzerne und ihren vielen willfährigen Energieanalysten, wie der Internationalen Energie Agentur IEA, die in der Vergangenheit sowie so nur Fehlprognosen produzierten und weiter das Propaganda Bild einer US-Shale Gasrevolution aufzeigen, die längst vorüber ist.
In der SONNENENERGIE haben wir uns in drei Artikeln mit dem Thema Fracking und Ölschiefer auseinandergesetzt, siehe Ausgabe: 2013|3 und 2013|4.
Hans-Josef Fell