Rücksichtlosigkeit: Ein Erfolgsrezept?
Kürzlich sagte der Schweizer Solarpionier Josef Jenni, er habe die Erfahrung gemacht, dass Solarthermie- und Photovoltaik-Leute nicht vom gleichen Schlag seien. Thermie-Unternehmen wären ideellen Argumenten eher zugetan, bei den PV-Leuten ginge es öfters rein ums Geld. Ihm sei aufgefallen, dass so manchem aus der PV-Branche jedes Mittel recht sei. Genauso wie bei Wärmepumpen spielt es oft keine Rolle, ob es jeweils Sinn macht oder nicht. Die Hauptsache sei, man kann sein Produkt an den Mann bringen. Und Rücksichtslosigkeit, so Jenni, sei durchaus ein Erfolgskonzept.
Diese klaren Worte geben zu denken. Auch wenn sie sehr pauschal formuliert sind, gibt es durchaus Indizien, die das strukturell bestätigen ließen. Aber kann man die Diskrepanz der solaren Welten so weit runterbrechen, sind die Akteure vor Ort tatsächlich aus unterschiedlichen Unternehmenskulturen entsprungen?
Der Riese wurde eingeschläfert
Vor allem in Deutschland stagniert die Solarthermie seit Jahren auf niedrigem Niveau. Zudem versprüht sie für viele offensichtlich den Charme einer antiquierten Technik. Ganz im Gegenteil zur PV: Auch wenn der PV-Markt längst am Boden liegt, behauptete Johannes Kempmann, Präsident des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft unlängst erst, dass der ungebremste Ausbau von PV-Dachanlagen weiter ginge. Das entspricht zwar nicht den Tatsachen, spiegelt jedoch den Status der PV wieder.
Der Solarthermie wird dagegen höchstens Mitleid entgegen gebracht. Es sollte vielleicht nicht sein, die Visionen der Solarwärmepioniere haben sich nicht erfüllt. Nach Selbstbaubewegung und den anschließend gewachsenen hoffnungsvollen mittelständischer Unternehmen wurde die Solarwärme in Deutschland zu großen Teilen von der Heizungsindustrie assimiliert. Sie ist als Branche zumindest hierzulande nahezu nicht mehr existent, sondern nur noch Teil einer Unternehmenssparte die vor allem Feuerungsanlagen herstellt. Kesselbauer sind nun mal aus anderem Stahl geschmiedet, sie wollen vor allem Heizungen verkaufen. Folglich gibt man sich dort auch gar nicht übermäßig viel Mühe die eigene Solarwärmesparte offensiv zu bewerben. Die Intersolar zeigt das deutlich: Dieses Jahr werden nahezu keine Kollektoren mehr auf der solaren Leitmesse mehr zu finden sein. Aber auch auf SHK-Messen dienen sie oftmals nur als nette Staffage, nicht zu sagen wie grüne Werbeflächen eines ansonsten traditionell geprägten Zweiges.
Es gäbe viel zu tun (für Solarthermie)
Dabei hatte sich an den Rahmenbedingungen eigentlich nichts geändert. Der Wärmebedarf im Gebäudebestand ist nach wie vor sehr hoch. Auch durch ambitionierte energetische Sanierungsmaßnahmen werden diese Häuser nicht zu "nearly zero-energy buildings", wie sie die EU Ende dieser Dekade vorschreiben möchte. Die Realität ist eine andere: Bundesdeutsche Heizkessel werden weiter immer älter. Der Modernisierungsstau ist nichts beunruhigendes, man hat sich wie beim Urlaubsstau, längst daran gewöhnt.
Auch wenn eine möglichst ganzjährige Wärmeversorgung eines Hauses nach wie vor mit nichts effizienter und günstiger als mit Solarwärme erreicht werden kann ist die PV hier einfach cleverer. Das Selbstverständnis der PV-Darsteller lässt einen Widerspruch gar nicht aufkommen, Solarstrom kann alles, Solarthermie war gestern. Noch dazu lässt die EnEV nicht viel Spielraum zum Atmen.
War's das schon?
Auch wenn man mit der Situation des zögerlichen Agierens der Kesselbesitzer als solches nicht zufrieden ist, schließlich sind 5 Millionen veraltete und ineffiziente Ölheizungen nicht nur im Sinne des Klimaschutzes und der Ressourcenverschwendung ein Thema, sondern vor allem ein riesiges Marktpotential, frohlockt man von Seiten des Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie trotzdem: 2015 war ein "erfolgreiches Jahr"! Sozusagen "back to the roots" verzeichneten die gas- und ölbasierten Systeme ein Comeback. Fossil dominiert, Biomassekessel mussten erneut Markteinbußen hinnehmen. Wird der Tausch einer Ölheizung durchaus oft mit Solarthermie kombiniert, ändert das nichts an der Wertigkeit der Technik. Die Solaranlage unterstützt hier stets den fossilen Brenner, nicht umgekehrt. Langzeitspeicher, Saisonspeicher, Sonnenhaus - all das ist nur etwas für Exoten. Nicht unerwähnt lassen sollte man, dass es im letzten Quartal einen kleinen Solarwärmeschub gab. Das ganze Jahr betrachtet war es zwar erneut ein Minus von 10 Prozent, man wird sehen wie es 2016 weiter gehen wird.
Chancengleichheit
Haben sich die Zeiten geändert und ist Strom bald die monovalente Quelle unseres Antriebs? Das wird zu klären sein, noch ist es nicht so weit. Vielleicht sollte man das Augenmerk stärker auf die Dekarbonisierung lenken. Das ist schließlich ein Ergebnis von Paris. Eine CO2-Steuer könnte vieles gerade rücken, so lange sie nicht mit festen Faktoren arbeitet, sondern die jeweils eingesetzte Technologie realistisch bewertet. Hier können alle Regenerativen nur gewinnen, auch der Strom aus der Steckdose für die Wärmepumpenheizung im Winter, da sich sein Charakter mittel bis langfristig ändern wird.
Matthias Hüttmann