Wider den real existierenden Pessimismus
Die Lage ist nahezu aussichtslos. Dies ließ auch Hans Joachim Schellnhuber gegen Ende seines beeindruckenden Buchs 'Selbstverbrennung' durchblicken. Sein Fazit nach 25 Jahren Auseinandersetzung mit der Klimawandelthematik lautet: " Verzweiflung". Denn auch wenn Paris Hoffnung macht, fällt es mitunter nicht leicht an einen globalen Sinneswandel zu glauben. Trotz Zuversicht spricht die Realität, die anhaltende Zunahme von CO2 in der Atmosphäre trotz diverser Abkommen, eine andere Sprache. So fragen sich viele, wie sie handeln sollten und wem man überhaupt vertrauen sollte.
Welche Grundhaltung ist hilfreich?Wir ordnen uns gerne gemäß unserer Lebensauffassung verschiedenen Charakteren zu. Meist hält man sich für einen Realisten, alternativ für einen Optimisten. Beides ist positiv besetzt. Der Realist glaubt soweit intelligent zu sein, dass er die Lage einschätzen kann und sich angemessen verhält. Der Optimist möchte vor allem eine positive Ausstrahlung verkörpern. Dass man als Realist gerne auch in das undankbare Lager der Pessimisten rutscht, werden die wenigsten einräumen. Jedoch ist es zuweilen einfacher sein Nichthandeln damit zu begründen, dass sachlich betrachtet, das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Der Realist steht somit durchaus für Stagnation und hat es sich im Heute bequem gemacht, möchte kein Risiko eingehen. Der drohenden Gefahren ist er sich bewusst, fühlt sich aber meist nicht berufen etwas zu tun. Streut dagegen ein Optimist zu viel Hoffnung und Zuversicht in die Runde, wird er gerne als Fantast abgestempelt. Man nimmt ihn wenig ernst und bezichtigt ihn der Blauäugigkeit. Damit ist er mit seinen Ideen schnell ausgebremst und es kann alles wieder seinen gewohnten Gang gehen. Schließlich nutzt der überzeugendste Aktionismus nichts gegen die Ausweglosigkeit des Seins. Man würde ja was tun, wenn es nur Sinn machen würde, das hat schließlich nichts mit Bequemlichkeit zu tun.
Besitzstandswahrung lähmt
In Politik und Wirtschaft sieht es meist nicht viel anders aus. Auch hier ist Pragmatismus die Grundlage allen Handelns. Alternativlose Realpolitik als Status Quo statt Visionen. Schließlich gilt es im Heute Problemfelder zu beackern bzw. Geschäfte zu tätigen. Die "Diktatur des Jetzt", wie sie Schellnhuber bezeichnet, wägt nicht ab, sondern handelt für eine beschränkte Gruppe in einem definierten Zeitraum. So hat der Kapitalismus, wenn nicht treffender der Neo-Liberalismus, wenig Interesse an Veränderung und tarnt sich als Realismus in der Welt von heute. Der Optimismus, der die Welt von morgen im Visier hat passt nicht so recht in die Ordnung.
Genau hier liegt ein Systemfehler. Wir alle in der Welt von heute treffen stets Entscheidungen für morgen. Es ist ein Irrglaube, dass man etwas bewahren kann, indem man nichts ändert. Strukturkonservativ zu denken ist in der Regel passiv und führt letztendlich nur zum Verfall. Möchte man etwas konservieren, sprich seine natürliche Haltbarkeit in die Zukunft hinein verlängern, muss man aktiv werden. Ansonsten bleibt nur noch der Verschleiß oder das museale Erhalten. Grundsätzlich sollte man bedenken, dass alles, was man bewahren möchte, auch einmal neu war. Vielmehr ist ein intelligenter, nachhaltiger Fortschritt anzustreben.
Business as usual ist unkalkulierbar
Der politische Konservatismus in allen seinen Schattierungen schmückt sich gerne mit der Attitüde des Bewährten und der Sicherheit. Jedoch ist sein Bestreben einzig daran ausgerichtet, Vorteile zu behalten und auszubauen. Und der Markt und seine Geldströme kennen keine Moral, weshalb auch. Im Gegenteil: Je niedriger das Ethos desto größer der Profit. Ganz abgesehen davon, ob unser fossiles Betriebssystem überhaupt gesellschaftsfähig ist, sollte man sich mit den finanziellen Risiken von Investitionen in emissionsintensive Anlagen auseinandersetzen. Noch profitieren nicht wenige von der Ausbeutung unserer Ressourcen, aber es gilt mehr denn je zu prüfen, womit die eigene Kasse gefüllt wird. Es ist wenig nachhaltig, den Lohn seiner Arbeit in "Kohlenstoffblasen" anzulegen. Möchte man seinen Nachkommen ein möglichst sorgenfreies Leben ermöglichen, finanziell wie auch existentiell, passt das doppelt nicht. Das ökonomische Risiko ist enorm, die Finanzblase noch allgegenwärtig. Die Auswirkungen einer "fossilen Blase" sollte man sich besser gar nicht ausmalen. Schellnhuber gibt auch zu bedenken, dass diese Mächte und Kräfte nur deshalb so zerstörerisch wirken können, weil fast alle Menschen Komplizen der Untat sind.
Klimaschutz als Weltbürgerbewegung
Um uns von diesen unkalkulierbaren Risiken befreien zu können, müssen wir als Zivilgesellschaft beginnen ethisch zu funktionieren und ein entsprechendes Handeln entwickeln. Das ist gar nicht so schwer! Die klimazerstörerische Profitgier lässt sich am besten mit ihren eigenen Waffen bekämpfen. Das Stichwort heißt: Divestment. Dabei werden Unternehmensbeteiligungen wie Aktien, private Beteiligungen oder Unternehmensanleihen aus ökologischen, politischen oder ethischen Gründen aus fossilen Energien abgezogen und nach Möglichkeit in nachhaltige Anlagen reinvestiert. Das ist nichts Neues, schließlich hat die Divestbewegungen in den USA bereits die Tabak- und Rüstungsindustrie als auch das Apartheidsystem Südafrikas in die Knie gezwungen.
Beispielsweise wurden im EU-Parlament kürzlich Regeln für die betriebliche Altersvorsorge bekanntgegeben. Bei Investitionen müssen diese zukünftig eine Divestment-Strategie verfolgen, sich also von fossilen Brennstoffen verabschieden. Das Geld der Kundinnen und Kunden darf nur noch nach sozialen und ökologischen Kriterien angelegt werden und muss eine gute Unternehmensführung berücksichtigen. Das betrifft ein Volumen von derzeit etwa 3.500 Mrd. Euro, kein Pappenstiel. Weitere Beispiele findet man im Sondergutachten "Klimaschutz als Weltbürgerbewegung" vom wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU). Wir werden uns in der SONNENENERGIE in den nächsten Ausgaben ausführlich mit Divestment beschäftigen.
Matthias Hüttmann