Après Paris: Nur Lippenbekenntnisse?
Auf der 21. UN-Klimakonferenz in Paris 2015 haben sich die Staaten darauf verständigt, die Erderwärmung auf „deutlich unter 2°C gegenüber der vorindustriellen Zeit“ zu begrenzen1). Man hofft, dass sich dadurch irreversible, d.h. unumkehrbare Prozesse vermeiden lassen, wie etwa das unwiderrufliche Abschmelzen des grönländischen Eisschilds oder der Westantarktis mit einem globalen Meeresspiegelanstieg von vielen Metern. Andere Beispiele für dramatische Auswirkungen des Klimawandels wären drastische Änderungen in den atmosphärischen und ozeanischen Zirkulationssystemen oder das Kippen von Ökosystemen auf Land oder in den Meeren. Oder auch die Zunahme und Intensivierung von Wetterextremen. Die Lage der Schwellenwerte, bei deren Überschreitung derartige Folgen eintreten würden, unterliegt jedoch einer großen Unsicherheit. Aus diesem Grund ist immer die geringste noch mögliche Erwärmung anzustreben.
Bislang nicht mehr als ein weiteres Abkommen
Das Abkommen von Paris hat einen Sturm der Begeisterung entfacht, in der internationalen Politik, in den Medien und selbst bei einigen Umweltschutzorganisationen. Es muss sich aber erst erweisen, ob der Klimavertrag von Paris tatsächlich ein historisches Abkommen ist wie von vielen behauptet. An vollmundigen Ankündigungen seitens der Politiker hat es nie gemangelt. Bisher hat es jedenfalls nur einen „gefühlten“ Klimaschutz gegeben. Bereits 1992 hat sich die Staatengemeinschaft auf dem UN-Nachhaltigkeitsgipfel in Rio de Janeiro in der Klimarahmenkonvention darauf verpflichtet, eine „gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems“ zu verhindern. Ein Vierteljahrhundert später feiert man einen Vertrag, der genau das festschreibt, nämlich die Erderwärmung auf deutlich unter 2°C zu begrenzen. Die Treibhausgasemissionen sind seit Rio förmlich explodiert. Der Vertrag von Paris beruht auf Selbstverpflichtungen der einzelnen Länder. Nur deswegen haben ihm alle Delegationen zugestimmt. Die Selbstverpflichtungen würden bei selbst optimistischer Extrapolation der nationalen Politiken bis zum Ende des Jahrhunderts dazu führen, dass sich die Erde um knapp 3°C erwärmt. Nach der Konferenz ist vor der Konferenz!
Ursache erkannt: Folgen treten langsam zu Tage
Die Hauptursache des Klimaproblems ist der Ausstoß von langlebigen Treibhausgasen durch den Menschen, allen voran Kohlendioxid (CO2). Das Gas entsteht in erster Linie durch die Verfeuerung der fossilen Brennstoffe (Kohle, Öl und Erdgas) zur Energiegewinnung. Große Mengen Treibhausgase entstehen zudem in der Landwirtschaft und durch Landnutzungsänderungen wie die Rodung tropischer Regenwälder oder die Trockenlegung von Mooren. All dies lässt den Gehalt der Treibhausgase in der Luft seit Beginn der Industrialisierung rasant steigen, wie den von CO2. Allein der ist inzwischen so hoch wie seit mindestens 800.000 Jahren nicht. Das hat man aus Eisbohrungen anhand eingeschlossener Luftbläschen ermittelt. Gegenüber dem vorindustriellen Wert ist die CO2-Konzentration um über 40% gestiegen. Eine Trendumkehr ist nicht in Sicht. Der Zuwachs des CO2 in der Luft von 2014 auf 2015 ist der bisher größte seit 1958, als die instrumentellen CO2-Messungen auf Hawaii begonnen haben.
Infolge des Anstiegs der Treibhausgase ändert sich das Weltklima. Die Erdtemperatur steigt infolge des zusätzlichen, vom Menschen verursachten (anthropogenen) Treibhauseffekts und das hat Folgen. Der sogenannte Weltklimarat, der IPCC5, sagt in seinem letzten Sachstandsbericht aus dem Jahr 2013 kurz und knapp: „Der menschliche Einfluss auf das Klimasystem ist klar“. Seit Beginn der Industrialisierung ist die globale Durchschnittstemperatur der Erde um etwa ein Grad Celsius gestiegen. Für Deutschland liegt der Temperaturanstieg seit 1881 bei 1,4 Grad. Dreizehn der vierzehn global wärmsten Jahre seit Beginn der flächendeckenden instrumentellen Messungen liegen in diesem Jahrhundert. Das wärmste Jahr ist 2015.
Selbstverständlich gibt es natürliche Schwankungen, der langfristige Trend weist jedoch klar nach oben. Weltweit erhöht sich die Zahl extremer Hitzetage, auch in Deutschland. Betrachtet man alle Landregionen zusammen, ergeben sich weitere Trends. Es häufen sich Starkniederschläge, Hochwasser und Dürren. Die Meeresspiegel steigen, einerseits weil sich die Ozeane erwärmen und das Meerwasser ausdehnt. Die Meere haben allein in den letzten 40 Jahren über 90% der Wärme aufgenommen, die durch den Anstieg der Treibhausgase zurückgehalten worden ist. Andererseits steigen die Meeresspiegel wegen der Eisschmelze. Die Gebirgsgletscher ziehen sich zurück, seit Beginn dieses Jahrhunderts besonders schnell. Die Eispanzer Grönlands und der Westantarktis haben begonnen zu schmelzen und lassen die Pegel immer schneller steigen. Seit Beginn der Satellitenmessungen 1993 stieg der Meeresspiegel im globalen Mittel schon um etwa 8 cm, seit 1900 waren es knapp 20 cm.
Und die Ozeane werden nachweislich saurer, weil sich derzeit etwa ein Viertel des vom Menschen ausgestoßenen Kohlendioxids im Meerwasser löst. Die Meere haben bisher etwa ein Drittel des seit Beginn der Industrialisierung freigesetzten CO2 absorbiert und so die Auswirkungen des Klimawandels abgemildert. Durch die CO2-Aufnahme ist der Säuregrad des Ozeans heute im Mittel um knapp 30% höher als zu vorindustrieller Zeit. Bei ungebremsten CO2-Emissionen wird sich der Säuregehalt bis zum Ende dieses Jahrhunderts mehr als verdoppeln. Je stärker die Ozeane versauern, desto weniger zusätzliches Kohlendioxid können sie aus der Atmosphäre aufnehmen, ein größerer Teil der anthropogenen Emissionen bliebe in der Luft. Damit würde sich die Erderwärmung beschleunigen. Meereserwärmung und -Versauerung bedrohen zudem neben Faktoren wie Verschmutzung und Überfischung das Leben in den Weltmeeren und damit auch eine unserer zentralen Ernährungsgrundlagen. Man kann einfach nicht mehr die Augen vor dem Klimawandel und seinen vielfältigen Folgen verschließen. Schnelles Hadeln ist angezeigt.
1,5 oder 2°C: was ist überhaupt möglich?
Aber auf welches Maß können wir denn die Erderwärmung überhaupt noch begrenzen? Eines ist so gut wie sicher: Eine maximale Erderwärmung von 1,5°C, so wie es in dem Klimavertrag von Paris als Option steht, ist schon so gut wie ausgeschlossen! Wenn zum Beispiel der CO2-Gehalt der Luft nicht weiter steigen und auf dem heutigen Stand „eingefroren“ werden soll, müssten die weltweiten CO2-Emissionen sofort um ca. 60 bis 70% sinken und sich mit der Zeit noch weiter verringern. Selbst in diesem Fall würde die Durchschnittstemperatur der Erde immer noch um mehrere Zehntel Grade Celsius während der kommenden Jahrzehnte steigen. Nur wenn die weltweiten Treibhausemissionen sofort auf nahezu null sinken würden, könnte man das Ziel erreichen, die Erderwärmung auf höchstens 1,5°C zu begrenzen. Das ist illusorisch. Selbst die Begrenzung der Erderwärmung auf „deutlich unter 2°C“ stellt eine wahre Herkulesaufgabe dar und erfordert völlig neues Denken.
Demgegenüber ist die bisherige Bilanz der internationalen Klimaschutzpolitik ernüchternd: Die globalen CO2-Emissionen sind seit 1990 um rund 60% gestiegen. Inzwischen haben sich jedoch die Bedingungen geändert, unter denen die Verhandlungen stattfinden: Die Schäden durch den Klimawandel manifestieren sich immer deutlicher in vielen Regionen der Welt. Der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung liegt derzeit weltweit schon bei über 20%, in Deutschland sogar bei über 30%. Rund um den Globus wurde 2015 im Elektrizitätsbereich erstmals mehr in Erneuerbare Energien investiert als in konventionelle Anlagen. Papst Franziskus hat 2015 in seiner Umweltenzyklika die Ergebnisse der Klimawissenschaft aufgegriffen und politische Konsequenzen angemahnt. Weiterhin haben sich 2015 die Regierungschefs auf dem G7-Gipfel im bayerischen Elmau zur Dekarbonisierung bekannt, d.h. zu einer Weltwirtschaft ohne fossile Brennstoffe. Diese müsste aber deutlich vor Ende des Jahrhunderts erreicht sein, um das Ziel des Klimavertrages von Paris nicht zu verfehlen.
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Mojib Latif