Der CO2-Steuer-Lohn
Die nächste Runde der Industrialisierung wird noch mehr Arbeitslose schaffen und gleichzeitig schreitet der Klimawandel ungebremst voran. kann man beide Probleme zusammen angehen? Man will gar nicht wissen, in wie vielen Forschungsprojekten in Deutschland von angehenden akademischen Experten in den letzten Jahren die Frage geklärt wurde, ob man mit einem Elektroauto, das 80 km Reichweite hat, von den Alpen bis zur Nordsee fahren kann. Derartige Forschungsprojekte sind Luxus-Arbeitsbeschaffung. Aber immerhin haben die Forscher so ein Dach über dem Kopf und müssen sich um ihre nächste Mahlzeit keine Sorgen machen.
Die Uber Trends
Die Elektromobilität ist international ganz klar auf dem Vormarsch, und in wenigen Jahren sind E-Autos mit 300 km Reichweite selbstverständlich. Doch auch selbstfahrende Fahrzeuge werden in wenigen Jahren zum Alltag gehören. Heute sind es vor allem Tesla Motors und Google, die damit Aufsehen erregen. Aber auch Daimler und andere Hersteller sind in den letzten Monaten auf die Straße, um beispielsweise selbstfahrende LKW-Kolonnen vorzuführen.
Erst vor kurzem haben Unternehmen wie Uber durch das Konzept der „Smartphone“-basierten Mitfahrzentrale die Taxi-Branche aufgeschreckt und diese in vielen Städten massiv unter Druck gesetzt. Gerade Uber macht keinen Hehl daraus, dass man mittelfristig die Dienste mit selbstfahrenden Autos erbringen will. Sogar der Diesel-Skandal-Vorreiter Volkswagen will nun zum Mobilitätsanbieter werden und selbstfahrende E-Autos entwickeln; so wie Daimler, BMW, Ford, Volvo …
Doch was die Zahl der Verkehrstoten, die CO2-Emissionen und den Ressourcenverbrauch deutlich senken kann, wird letztlich auch die Arbeitsplätze der Taxi- und LKW-Fahrer in Frage stellen. Werden wir es deshalb verbieten? So wie die Bundesregierung die Erneuerbaren ausbremst, damit die Kohlekumpel weiterhin einem dreckigen Job nachgehen dürfen … müssen?
Arbeitslos 4.0
Neben der Unsitte jeder noch so dümmlichen Nutzung von Computern gleich das Wort „Smart“ voranzustellen, neigen wir seit kurzem auch dazu, große Worte hinten mit „Eins-größer-als-was-auch-immer Punkt Null“ zu verunstalten. Also lassen Sie uns das Kind beim Namen nennen: Arbeitslos 4.0.
Arbeitslos 1.0: die Jäger wurden von den sesshaften Bauern in den Ruhestand geschickt. Arbeitslos 2.0: Die Bauern und ihre Zugtiere wurden von der Dampfmaschine und dem Dieselmotor abgelöst. Arbeitslos 3.0: Die Kraftmaschinen haben letztlich die Industriearbeiter abgeschafft und durch Call-Center-Mitarbeiter ersetzt.
Kommen wir also zu Arbeitslos 4.0: Derzeit wird das Call-Center von Computern und die verbleibenden Facharbeiter von 3D-Druckern aufs Arbeitsamt geschickt. Wobei das Arbeitsamt ja auch nur ein „Call-Center“ ist und letztlich selber von automatischen, sprachgesteuerten Computerlösungen bedroht wird. „Hey Siri, gibt es heute einen Job für mich?“
Flachbildschirmrückseitenberatungsgespräche nennt der kabaretttaugliche Technologiephilosoph Gunter Dueck viele der heutigen Tätigkeiten. Oft sind Vertriebsfachleute meist nur noch als bessere Spracherkennungsroboter tätig.
Joe Kaeser, der Vorstandsvorsitzende von Siemens, hat unlängst bei einer Gesprächsrunde darauf hingewiesen, dass die nächste Runde der digitalen Industrialisierung („4.0“) etwa 90% der Mittelschicht treffen wird und dass heute nicht erkennbar ist, wo all diese Menschen eine neue, sinnvolle Arbeit finden sollten.
Mensch oder … und Maschine?
Das indische Kastenwesen erfüllt im Kern eine ähnliche Funktion wie die bei uns bekannten Zünfte oder heutigen Handwerkerinnungen. Sie sichern einer Gruppe von Menschen einen Platz in der Gesellschaft. Das Leben wird planbarer und damit weniger belastend, da es nicht passieren kann, dass morgen auf einmal jeder Holzbretter zusägen kann und darf.
Doch neue Maschinen und Technologien haben das — oft geheime — Fachwissen der Handwerkermonopole überflüssig gemacht. Ein deutscher Bauer kann mit seinem Traktor heute mühelos mehrere hundert Hektar bearbeiten und so über 100 Mitmenschen ernähren. Früher waren über 100 Menschen zur Bearbeitung dieser Fläche notwendig.
Als Gesellschaft brauchen wir immer weniger Mitmenschen, um zu überleben. Doch jeder von uns braucht viele seiner Mitmenschen einfach nur zum Leben.
Sklavenhalter
Eine der Errungenschaften der Industrialisierung war das Konzept der solidarischen Rentenkassen und Versicherungen. Wer mitarbeitet hat auch dann einen Anspruch auf Geld (Rente), wenn er zum Arbeiten zu schwach wird. Das sichert den sozialen Frieden.
Die damals aufgekommene Forderung nach Vollbeschäftigung ist eine logische Konsequenz, da ja nur die Beschäftigung das Anrecht auf Rente erschaffen konnte.
Es gebe „kein Recht auf Faulheit“, sagte vor einigen Jahren Bundeskanzler Gerhard Schröder. Doch gleichzeitig ist Vollbeschäftigung unmöglich und auch nicht gewollt. Denn, wie bereits aufgezeigt, sinkt der Bedarf an Arbeitssklaven. Maschinen können vieles besser. Und Währungshüter wie Alan Greenspan verfolgten ganz offen das Ziel, immer ein gewisses Maß an „Worker Insecurity“ aufrechtzuerhalten.
All das ist völlig normal … für eine Gesellschaft, die noch immer mental über die Weltanschauung der Sklavenhalter nicht weit hinausgekommen ist.
Bedingungslose Flatrate
Einen Ausweg aus der skizzierten Entwicklung könnte das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) sein. Anstatt für „Arbeit“ ein „Schmerzensgeld“ zu kassieren und durch die Ökosteuer zu versuchen, die produktive Nutzung von Energie und Maschinen soweit uninteressant zu machen, dass immer noch genug menschliche (Energie)Sklaven benötigt werden … warum sollte die Gesellschaft nicht einfach jedem Mitbürger pauschal und ohne Vorbedingungen ein Grundeinkommen überreichen, damit er keine Existenzängste haben muss? Man darf am Tisch sitzen und mitessen, und zwar nicht nur dann, wenn man mitgeholfen hat, das Mammut zu erlegen. Man darf mitessen, weil es mehr als genug von allem gibt. Schließlich leben wir schon heute in der Überflussgesellschaft, die auch noch deshalb so viel wegwirft (Stichwort „geplante Obsoleszenz“), damit sinnlose „Arbeit“ weiterhin erhalten bleibt.
Das Grundeinkommen soll, wie es der Name schon andeutet, nur ein Grundstock sein. Es soll nicht jeden möglichen und denkbaren Luxus für jedermann ermöglichen. Es geht um die normalen Grundbedürfnisse.
Das Ganze klingt nach einer Utopie und wurde auch schon 1516 im Roman „Utopia“ von Thomas Morus als Gesellschaftselement beschrieben. Rein utopisch ist es dennoch nicht. Mitte 2016 wurde in der Schweiz in einer Volksabstimmung darüber abgestimmt, ob man ein Bürgergeld einführen will. In einer Demokratie sind 23% Zustimmung noch lange nicht ausreichend, aber immerhin waren die Schweizer zu einer realen, politischen Debatte über ein „Flatrate“-Grundgehalt bereit.
Die CO2-Steuer
Für die konkrete Ausgestaltung eines Grundeinkommens gibt es viele Ideen und Konzepte. Eine der wohl größten Hürden ist die fast schon reflexartige Frage: „Aber wer soll das bezahlen?“
Frei nach dem Motto „Wer Geld einnehmen will, der muss es erstmal ausgeben“ vertreten einige Konzepte die Position, dass das BGE Teil der normalen Geldschöpfung sein könnte. Andere Konzepte suchen nach einer klassischen Gegenfinanzierung über den regulären Staatshaushalt, also aus Steuermitteln.
Die DGS möchte in diesem Zusammenhang die Gegenfinanzierung über eine CO2-Steuer ins Gespräch bringen. Der Klimaschutz ist ja, so wurde in Paris beschlossen, eines der großen politischen Ziele. Ohne klare Preissignale wirkt dies jedoch halbherzig. Ein Lebensstil, der „CO2-Dreck“ verursacht muss teurer sein, als einer, der nicht die Vernichtung unserer Lebensgrundlagen zur Folge hat.
Steuern sollten eigentlich das Verhalten der Bürger … steuern. Eine Gesellschaft macht das teuer, was sie nicht will. Deshalb sollten wir eine CO2-Steuer einführen. Um ein BGE – in unserem Beispiel 500 EUR pro Monat und Mitbürger — damit gegenfinanzieren zu können, wäre dann faktisch eine Preiserhöhung beim Benzin um ca. 1,20 EUR/Liter erforderlich (siehe Kasten „Bierdeckelrechnung“). Dies klingt nach viel, doch wer weiterhin gedankenlos Benzin verheizen will, der kann dafür ja sein Grundeinkommen aufbrauchen. Wer jedoch ein bisschen über seine Konsumgewohnheiten nachdenkt und sich für CO2-freie Produkte entscheidet, der hätte am Ende des Monats tatsächlich ein zusätzliches Grundeinkommen zur Absicherung seines Lebens.
Von Rechts bis Links
Im politischen Spektrum der Weltbilder findet man am rechten Rand das eher „hierarchische Ich“ und im linken Eck das „individuelle Wir“. Wenn man an den „rechts-links“ Schubladen festhalten will, so kann man feststellen, dass es für das Grundeinkommen als auch für die CO2-Steuer auf beiden Seiten des Spektrums Befürworter gibt. Das ist in sofern positiv, da man so die Chance zu einem echten Ideenaustausch hat.
Auf der eher rechten Seite finden sich beispielsweise die Ökonomen Milton Friedman und Friedrich August von Hayek, die schon vor vielen Jahrzehnten über ein BGE schrieben. Im Vorfeld der Pariser Klimaverhandlungen sprachen sich beispielsweise der Multimilliardär und ehemalige Bürgermeister von New York Michael Bloomberg, als auch die amtierende Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) Christine Lagarde für die Einführung einer CO2-Steuer aus.
Auf der linken Seite steht beispielsweise der britische Labour-Chef Jeremy Corbyn, der aktuell das Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) prüfen lässt. Der in Deutschland wohl bekannteste Vertreter eines BGE ist Götz Werner, der Gründer der dm-Drogeriemärkte. An Befürwortern für die CO2-Steuer sollte es Links nicht mangeln, zumal der Emissionshandel ganz offensichtlich keine Ergebnisse liefert.
Realitätscheck
Als letztes Jahr Elon Musk, der Gründer von Tesla Motors, bei Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zu Gast war, wurde er gebeten seine drei Wünsche an die deutsche Politik zu nennen. Musk sagte, das er eigentlich nur einen Wunsch hätte: eine wirksame CO2-Steuer.
Da wir seit kurzem ein Gesetz zur Förderung der Elektromobilität haben, dass ausgerechnet heutige Autos der Marke Tesla für nicht förderfähig erklärt, sollte man unter Sigmar Gabriel nicht auf eine CO2-Steuer hoffen.
Wir sind dennoch der Meinung, dass gerade jetzt, in Zeiten des offensichtlichen Stillstandes beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, die Debatte über neue Wege und neue Allianzen geführt werden muss.
Die Bierdeckelrechnung
Unsere Abschätzung zu der Machbarkeit des bedingungslosen CO2-Steuer-Grundeinkommens sieht in Kurzfassung so aus.
CO2-Emissionen der BRD im Bereich …
Energie: 560 Mio. t
Verkehr: 200 Mio. t
Industrieprozesse: 70 Mio. t
Landwirtschaft: 70 Mio. t
Summe: 900 Mio. t
Bezogen auf 82 Mio. Einwohner …
Jährlich je Bürger: 11 t
bzw. pro Monat: 0,9 t
Zur Vereinfachung runden wir auf zu:
1.000 kg CO2 je Monat und Bürger
Wenn man nun jedem Bürger monatlich 500 EUR auszahlen will, so würde dies zur Refinanzierung eine CO2-Steuer benötigen in Höhe von: 0,50 EUR / kg CO2
Um den Effekt dieser Steuer auf heutige Preise einschätzen zu können folgendes Beispiel:
1 Liter Benzin verursacht 2,4 kg CO2 und wäre belastet mit einer Steuer von: 1,20 EUR / Liter CO2-Steuer
Die normalen Preisschwankungen beim Benzin im Zeitraum 2008 (ca. 2 EUR/l) bis 2015 (ca. 1,10 EUR/l) lagen in etwa der gleichen Höhe. Durch die Kopplung der CO2-Steuer mit dem Grundeinkommen (BGE) wäre es erstmal keine echte Mehrbelastung.
Die DGS und die CO2-Steuer
Bei der Delegiertenversammlung 2016 wurde auf der Strategiesitzung der Fachausschüsse festgestellt, dass die Einführung einer CO2-Steuer in Kopplung mit einem bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) ein erstrebenswertes Ziel ist. Die Delegierten hatten diesen Vorschlag begrüßt und das Präsidium will nun prüfen wie, in welcher Form und mit welchen Partnern diese Idee bis zur nächsten Bundestagswahl weiter konkretisiert werden kann. Dieser Artikel ist ein erster Beitrag zur Eröffnung der DGS-internen Debatte.
Tomi Engel