Energieeffizient oder klimagerecht?
Teil 3: Was steckt hinter der neuen Parole Efficiency First? In den beiden vorangegangenen Texten zum Thema Energieeffizienz hatten wir uns zuerst mit der Begrifflichkeit und dem immer mehr in den Vordergrund gepuschten Stellenwert des Themas Energieeffizienz in der Energiewendediskussion befasst und uns dann, gewissermaßen passend zur Debatte um EEG 2016, dem Strombereich gewidmet. Warum haben die beständig effizienter werdende Ökostromerzeugung und der zurückgehende Stromverbrauch nicht dazu geführt, dass weniger Kohle- und Atomkraftwerke weniger schmutzigen Strom produzieren? Unsere Antwort war, die Energieversorgungsunternehmen haben sich zum Stromexporteur transformiert und verkaufen ihren Braunkohlestrom in unsere Nachbarländer. Im nun folgenden dritten Teil wollen wir den Blick in Richtung Grünbuch Energieeffizienz der Bundesregierung lenken.
Anfang August hat die Große Koalition unter Federführung von Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel ihre politische Linie für den Fortgang der Energiewende in Form des Grünbuchs „Energieeffizienz“ veröffentlicht. Darin wird die Devise „Efficiency First“ ausgegeben, eine Parole, die in dieser Eindeutigkeit bisher nicht vorhanden war. Das neue Grünbuch ist nicht Gabriels erstes, das sollte nicht vergessen werden. Im Herbst 2014 hatte er das Grünbuch „Ein Strommarkt für die Energiewende“ vorgelegt. Es war der Beginn einer Offensive gegen den bislang recht freien Ausbau der Ökostromerzeugung. Taktisch war es über den darauf folgenden, zweiten Schritt eines Weißbuchs der Ausgangspunkt für einen ausgeklügelten Cocktail von Einzelgesetzen, dessen Höhepunkt wir im Sommer mit der Novelle zum EEG 2016 erlebt haben. Über diesen neuen ordnungsrechtliche Rahmen, der die dezentrale erneuerbare Stromproduktion der Bürgerenergie einschnürt, den Stromkonzernen Schutzräume vor dem technischen Fortschritt der Erneuerbaren sichert und die Solarbranche an den Rand ihrer Existenz gebracht hat, wurde viel diskutiert, verhindert hat es das nicht. Das Grünbuch zum Strommarkt war, das kann man rückblickend sagen, der Beginn einer Offensive, mit welcher der Energiewende-Community wie auch der Öffentlichkeit ein neues Bild der Energiewende vermittelt werden sollte.
Zentrale Thesen dieses Narrativ waren, dass die große Koalition eine „tiefgreifende Transformation der Energieversorgung“ und damit eine „Rettung der Energiewende“ eingeleitet habe. „Zunächst lag der Fokus stärker auf dem Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie sowie dem Ausbau neuer Erzeugungskapazitäten auf Basis Erneuerbarer Energien und den damit verbundenen Anforderungen für Infrastruktur (Netze, Speicher), Kosten und die konventionelle Stromerzeugung“, ist im neuen Grünbuch rückblickend über diese „historischen“ Phasen zu lesen. Am Ende der zweiten Phase habe die Große Koalition die Produktion von Wind- und Sonnenstrom in den bestehenden „Strommarkt integriert“. Die Regierungspolitik habe „Ordnung“ ins Wachstum der Erneuerbaren gebracht. Denn die Ökostromproduktion habe die Sicherheit der Stromnetze gefährdet. Deswegen sei die Deckelung des Ausbaus notwendig gewesen. Merkel hatte das beim Neujahrsempfang des BEE im Januar 2014 mit dem Wort „Atempause“ angekündigt.
Erneuerbare spielen zweite Geige
Nachdem die Erneuerbaren beim Strom gebändigt seien, geht es nun um Energieeffizienz und den Wärmebereich. Vordergründig scheint das weder neu noch verdächtig. Der Begriff verfügt sogar über ein positives Image, wie wir im ersten Teil unserer Artikelserie vermerkt hatten. Schon seit 2014 wurde von der Großen Koalition die Energiewende als „Einsparen, Energieeffizienz und Erneuerbare“ beschrieben, verbunden mit dem Hinweis, diese Reihenfolge sei entscheidend. Dies war im „Nationalen Aktionsprogramm Energieeffizienz NAPE“ im Herbst 2014 festgeschrieben worden. Im neuen Grünbuch wird es deutlich modifiziert und gleichzeitig in eingängige Thesen und politikfähige Begrifflichkeiten gegossen. Das liest sich dann so: „Deutschland hat sich ambitionierte Klimaziele gesetzt. Daraus folgt: Die Nutzung der fossilen Energieträger Öl, Kohle und Gas wird so gut wie möglich verringert. Der schnellste und direkte Weg zu diesen Zielen ist es, unseren Energieverbrauch durch Investitionen in Effizienztechnologien zu senken. Den verbleibenden Energiebedarf decken größtenteils Erneuerbare Energien.“ Zu den Effizienztechnologien zählen vor allem Sektorkoppelung, Digitalisierung und Effizienzdienstleistungen. Dafür steht nun die griffige Formel „Efficiency First“. Früher gab es einen Konsens, dass dies vor allem mit dem Umstieg auf die Erneuerbaren erreicht werden könne.
Beim „Dreiklang der Energiewende“- so die nächste begriffliche Neuschöpfung – „aus Energieeffizienz, direkt genutzten Erneuerbaren Energien und der Nutzung von Strom aus Erneuerbaren Energien ist die gesamt- und betriebswirtschaftliche Kosteneffizienz zu berücksichtigen“. Es taucht also nicht nur ein neuer „Dreiklang“ auf, er wird quasi mathematisch in ein Verhältnis gesetzt, bei dem ein Element „der Kaskade“ direkt vom anderen abhängt. Dieses Konstrukt wird direkt mit Markt, Wirtschaft und Wachstum verknüpft, nicht mehr mit Klima. Der „alte“ Dreiklang samt Begründung ist passé, stattdessen mündet dies in eine neoliberale These, Energieeffizienz bedeute „Chancen für Wachstum und Beschäftigung“. „Efficiency First“ führe „zu einer Kostenoptimierung der Energiewende und verstärkt den Dekarbonisierungseffekt der Erneuerbaren Energien“. Wer das nicht versteht, dem wird folgendermaßen nachgeholfen: Je geringer der Bedarf an Wärme- und Antriebsenergie, umso geringer sei auch „der Bedarf an Energie aus Erneuerbaren Energien, der für diese Bereiche zur Verfügung gestellt werden muss, und damit die Kosten, die hieraus entstehen“.
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Klaus Oberzig