EnEG/EnEV, EEWärmeG und die Klimapolitik
Bürokratie, Konzeptionslosigkeit und notwendige Gegenkonzepte: Die Umwelt- und Energieminister (innen) der Bundesländer - außer denen Sachsens (wo es erklärtermaßen keinen Klimawandel gibt) und Mecklenburg-Vorpommerns haben einen offenen Brief an die Bundesminister Hendricks und Gabriel zur Novellierung des gebäudebezogenen Energiesparrechtes gerichtet. Es geht um den Abschluss des Verfahrens, das als "zunehmend unrealistisch" erscheine. Dies eröffne "die Chance, eine grundlegende Novelle in der gebotenen Tiefe und Sorgfalt anzugehen". Maßstab der Diskussionen müsse "neben Lebenszykluskosten sowie Vereinfachung und Akzeptanz in der Regulierung die möglichst effiziente Reduzierung von THG-Emissionen" sein. Im dazugehörigen Positionspapier ist die Rede von einem "im Vollzug aufwendigen und für Anwender undurchsichtigen Paragraphendschungel", der "zunehmend ein wichtiges Anliegen diskreditiert wird": Eine Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern und die Einhaltung internationaler Verpflichtungen zum Klimaschutz, was "nur durch eine Kombination aus konsequenter Energieeinsparung und dem Einsatz Erneuerbarer Energien im Gebäudebereich möglich ist".
Klimaziele werden bewusst verfehlt
Es wird auf ein Strategiepapier der Bundesregierung von 2015 verwiesen, dass mittels "weiter-wie-bisher"-Szenarios festgestellt hat, "auf Basis der bestehenden Instrumentarien würden die selbst gesteckten Ziele verfehlt" und: die Klimaschutzziele müssten vor allem im Bestand erreicht werden. Diese würden "durch zahlreiche Ausnahmeregelungen, vor allem im Bereich eines großen Teils der selbstgenutzten Ein- und Zweifamilienhäuser" verhindert. Deshalb wird neben der Forderung von "Vollzugserleichterungen" eine Verminderung von Ausnahmeregelungen gefordert.
Konzeptionelle Änderungen bezüglich des Einbeziehens der Herstellung von Materialien und Bauteilen ("graue Energie") und damit Ressourcenverbrauch und CO2-Ausstoß werden ebenso nicht angesprochen, obwohl gerade dies für eine umfassendere - und damit zutreffendere Bewertung der Maßnahmen im Gebäudebestand im Vergleich zu Neubauten sehr wichtig wäre. Insgesamt ist dies ein für den immer größer werdenden Frust über die Bürokratisierung und inhaltliche Konzeptionslosigkeit unseres Staates typischer Fall, den weder Politiker, noch die Medien wirklich verstehen - und vor allem die Bürger nicht mehr hinnehmen wollen.
Architektenkammer wird aktiv
Unter diesen politischen Vorzeichen hat die AKBW Ende 2015 Strategiearbeitsgruppen ins Leben gerufen. Für eine Expertenanhörung im Juni in Stuttgart, in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) zur geplanten Fusion von EnEG/EnEV, EEWärmeG haben die Arbeitsgruppen Klima, Nachhaltigkeit und Energie ein Positionspapier erarbeitet:
Hierin wird insbesondere die "ganzheitliche Betrachtung des Gebäudes als System" gefordert, d.h. nicht nur sein Energieverbrauch im Betrieb, sondern auch die zur Herstellung der Baustoffe, während des Baus und zur Entsorgung eines Gebäudes notwendige Energie gefordert, "da dies für die Einhaltung übergeordneter Klimaschutzziele von großer Bedeutung ist". Die Nutzung regenerativer Energien müsse in einem Bewertungssystem "ebenso gewürdigt werden wie eine nachhaltige Gebäudeplanung, die eine flexible Nutzung und einfache Anpassung an zukünftige Bedürfnisse ermöglicht".
Für belastbare Energie(spar-)berechnungen sollten nur Bedarfsansätze gewählt werden, die im Einklang mit der tatsächlichen Nutzung stehen um den Prebound-Effect zu berücksichtigen. Es wäre nur folgerichtig, die Grenzen der Betrachtung auf das Quartier als "Bewertungseinheit" auszuweiten. Das erlaube eine "Mischkalkulation", in der Neubauten das ausgleichen, was beispielweise denkmalgeschützte Bauten nicht leisten können - ähnlich einer Solidargemeinschaft. Die einzuschließende Betrachtung der "implizierten Mobilität" erlaubt dann auch die Berücksichtigung, ob ein gut ausgebauter ÖPNV einen Beitrag zum Klimaschutz leistet, da die Menschen nicht mehr auf ein Auto angewiesen sind.
Eine gesetzliche Vorgabe dürfe nicht aus maßnahmenbezogenen Vorschriften bestehen, sondern muss feste, übergeordnete Ziele formulieren. Aus diesem Grund sei ein Paradigmenwechsel zwingend erforderlich: weg von einer bisher reinen Vergleichsbetrachtung mit Referenzgebäuden hin zu zielwertorientierten Regelungen, die alternative Lösungswege zulassen. Statt als enges Korsett von Maßnahmen sollten Rechtsvorgaben als "rahmensetzende Leitplanken" formuliert sein. Das würde auch den Umgang mit Bestandsbauten erleichtern, die zwingend in den Fokus der Betrachtung rücken müssen. Die Bestandsertüchtigung könnte festgesetzte Zielwerte einhalten, wenn die Wahl der notwendigen und sinnvollen Maßnahmen in der Hand der Planerin oder des Planers liegt. In jedem Fall muss es möglich sein, energetisch sinnvoll, aber gleichzeitig auch wirtschaftlich zu bauen.
Primärenergie- oder CO2-Ausstoß pro Kopf
Zielgrößen sollten als nachvollziehbare Parameter definiert sein. In diesem Sinne würden sich als Messwerte die "kWh pro Kopf" (Primärenergie-Äquivalent) und der "CO2-Ausstoß pro Kopf" (CO2-Äquivalent) besser eignen. Konkrete Werte für Energie- oder Treibhausgasziele könnten im Gesetz festgeschrieben worden. Statt an einer Energiesparverordnung würde so an einer Klimaschutzverordnung gearbeitet. Der Betrachtungshorizont könnte und sollte dabei sowohl die Ressourcenschonung als auch den Klimaschutz fokussieren.
Planungswerkzeuge müssten bereits im Entwurf anwendbar sowie Nachweisverfahren und Berechnungsvorgaben nachvollziehbar, praxisgerecht und praktikabel werden: "Es ist ein Paradoxon, dass die bisher in der EnEV definierten Referenzgebäude überhaupt nicht baubar sind". Die verfügbaren Werkzeuge zur Ökobilanzierung und Lebenszyklusanalyse müssten auf ein handhabbares Maß heruntergebrochen werden. Das Schweizer Leitbild des SIA-Effizienzpfads Energie (SIA 2040) für eine 2000-Watt-Gesellschaft mit seinem schlanken, aber praxisgerechten Regelwerk wird als Beleg dafür, dass dies möglich ist gesehen: Gerade die Schweizer Beispiele zeigen, dass freiwillige Zielsetzungen, appellierend an Vernunft und Eigenverantwortlichkeit, sehr erfolgreich sein können.
Hinrich Reyelts (DGS-Fachausschuss Solares Bauen)