Das Vehicle-Grid kommt im Tarnkostüm
Oder: Wieviel PV-Eigenstrom passt eigentlich ins Elektroauto? Auf dem Umweg über die Elektromobilität bekommt die gebäudeintegrierte Photovoltaik neuen Schwung. Elektroauto-Pionier Tesla hat für 2,6 Milliarden Dollar den Photovoltaik-Produzenten Solar City übernommen und bringt ab 2017 Solardächer zum Laden von Elektroautos auf den Markt. Bei der Präsentation fiel vor allem eines auf: Sie sehen allesamt wie Ziegeldächer aus und geben sich optisch nicht als PV-Anlagen zu erkennen. Hat diese Camouflage-Technik das Zeug auch bei uns wieder frischen Wind in die gebäudeintegrierte Photovoltaik zu bringen um den Treibstoff für die Elektroautos zu liefern?
Die Bundesregierung hat gerade ein 1,2 Mrd. €-Programm für die Elektromobilität aufgelegt. Kernpunkt dabei ist die Förderung für den Einbau von 15.000 Ladestationen und Wallboxen. Noch konkreter wird es bei der EU-Kommission. Sie will nicht nur fördern sondern fordern. Ab 2023 soll bei Neubauten und Sanierungen der Einbau einer Ladestation für Elektroautos obligatorisch sein. Jedes Haus soll dann mindestens eine Lademöglichkeit besitzen und in großen Gebäuden, Parkhäusern und Tiefgaragen mindestens jeder zehnte Stellplatz. Das soll die leidige und oft sogar zeitkritische Suche nach einem Stromanschluss entschärfen und das Elektroauto attraktiver machen.
Die PV-Anlage macht vollständig CO2-freies Fahren möglich
Aber steht ein Elektroauto, betankt mit normalem Netzstrom, in seiner Klimabilanz wirklich so viel besser da als ein Verbrenner? Leider nein, denn trotz mittlerweile 30% Anteil von Strom aus erneuerbaren Energieträgern sorgen die vielen Kohlekraftwerke in Deutschland dafür, dass bei der Erzeugung einer Kilowattstunde immer noch 535 g CO2-Emissionen entstehen. Auf 100 Kilometer sind das bei einem Elektroauto mit einem Verbrauch von 17 kWh Netzstrom immer noch 9,1 kg CO2. Das schafft aber auch schon ein sparsamer Benziner mit 3,9 l oder auch ein Dieselfahrzeug mit 3,5 Liter Verbrauch. Fazit: Nur mit Strommix betankt ist die Elektromobilität zurzeit kein Gewinn fürs Klima.
Es besteht natürlich die Möglichkeit den Autoakku mit Ökostrom zu füllen. Doch der Goldstandard ist ganz klar das Auftanken direkt an der Photovoltaikanlage. Eine PV-Anlage auf dem eigenen Dach oder auf dem der Firma ermöglicht unter Alltagsbedingungen heute schon fast vollständig CO2-freies Fahren. In Kombination mit einem Solarstromspeicher im Gebäude ist sogar die vollständige Versorgung mit Fahrstrom von der Photovoltaikanlage möglich. Erst das Aufladen an der PV-Anlage löst so das Versprechen vom sauberen und klimafreundlichen elektrischen Fahren ein - und dann macht Elektromobilität wirklich Sinn.
Auch der Preisunterschied beim solaren Tanken ist nicht zu verachten. Denn ein durchschnittlicher Benziner mit einem Verbrauch von 5,9 l pro 100 km kostet bei 1,30 €/Liter 7,67 € pro 100 km. Ein Elektroauto mit einem Verbrauch von 17 kWh pro 100 Kilometern kostet dagegen, angetrieben mit Netzstrom zu 26 ct/kWh, nur 4,42 €. Mit Strom von der eigenen Photovoltaikanlage sind es sogar nur rund 1,70 €. Laut Kraftfahrtbundesamt beträgt die durchschnittliche jährliche Fahrleistung in Deutschland 14.259 km. Hochgerechnet ergibt sich damit pro Jahr ein Preisvorteil von rund 463 bzw. 581 €. Diese Kostenersparnis beim Treibstoff können sich Elektroautofahrer mit eigener Photovoltaikanlage gutschreiben. Gleichzeitig wird so der Eigenverbrauch an selbst erzeugtem Solarstrom wesentlich erhöht. Zumutungen wie der 70%-Abregelung und der niedrigen Einspeisevergütung lässt sich so ein Schnippchen schlagen.
Hightech im Tarnkostüm
Für das Tanken mit Solarstrom direkt vom Dach rührt auch der Chef von Tesla, Elon Musk, mächtig die Werbetrommel. Der Elektro-Auto-Pionier Tesla hat gerade den Solar-Produzenten SolarCity übernommen und propagiert den Dreiklang von gebäudeintegrierter Photovoltaik mit Solarspeicher und dem Elektroauto. Bei seiner letzten Präsentation gab er sich betont bodenständig. Denn es ging diesmal nicht um neue Pläne zur Marsbesiedlung oder das Reisen in der Hyperloop sondern um - Dachziegel! Oder besser gesagt um dachintegrierte PV-Module, die alles daran setzen, so auszusehen wie ganz normale Dachziegel auf einem ganz normalen Eigenheim und damit den bürgerlichen Durchschnittsgeschmack treffen sollen. Das Haus sieht dann weiter wie das Ideal vom trauten Eigenheim aus, ist aber eben auch ein Solarkraftwerk mit maximiertem Eigenverbrauch und Elektroauto am Vehicle-Grid - eine neue Normalität eben. Das ist Hightech im Tarnkostüm, um die Akzeptanz im Alltag ganz selbstverständlich zu machen und Vorurteile gegen die neue Technik zu unterlaufen.
Auch bei uns nahm die gebäudeintegrierte Photovoltaik ja schon einmal Anlauf. Wer erinnert sich noch an den 5% Bonus des EEG für gebäudeintegrierte PV-Module? Er wurde 2009 wieder abgesetzt, seine Wirkung war zu gering und in den Nuller Jahren lag der Fokus der Anlagenbauer noch eindeutig auf einem möglichst hohen Ertrag und vollständiger Netzeinspeisung. Dazu kamen ästhetische Vorbehalte, denn Fassaden und Dächer aus Glasmodulen erfordern eben auch ein Umgewöhnen und Umdenken in der Wahrnehmung von Gebäuden. Genau hier setzt Musk an, indem er PV-Kunden keine neue Ästhetik verordnet. Er lässt Hightech in einem regelrecht biederen Tarnkostüm daher kommen, als herkömmliche Dachsteine, die das Haus als Ganzes dennoch in ein Solarkraftwerk mit maximalem Eigenverbrauch verwandeln. Auch bei uns setzen Hersteller wie Braas deshalb auf Solarziegel, die sich in die Dachhaut integrierten.
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Matthias Brake