Der postfaktische Irrsinn der falschen Energiewendefreunde
Der Frühling 2017 war bisher in vielerlei Hinsicht unangenehm. Das gilt für das Wetter, wie auch für die Entwicklung dessen, was wir Energiewende- und Klimapolitik nennen. Nicht dass wir hier darüber spekulieren wollen, ob die schräge Witterung Ausdruck des Klimawandels sei. Aber zum bescheidenen Wetter passte dennoch eine Pressemeldung, wonach Deutschland neben seinen Klimaschutzzielen auch sein Erneuerbare Energien-Ziel für 2020 deutlich verfehlen werde. So das Ergebnis einer aktuellen Trend-Prognose des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE). Demnach wird der Anteil Erneuerbarer Energien von derzeit 14,6 Prozent bei Fortsetzung des jetzigen Ausbautempos bei lediglich 16,7 Prozent landen. Wir erinnern uns an die einst populäre Formel 20-20-20. Bis zum Jahr 2020 sollten 20 Prozent weniger CO2-Emissionen und eine Zunahme der Erneuerbaren auf ebenfalls 20 Prozent erreicht werden. Das ist längst passé, die offiziellen Klimaschutzziele rufen heute vielfach nur ein hilfloses Schulterzucken hervor.
Richtungswechsel bei den TreibhausgasenDenn auch bei den Treibhausgasemissionen ist die Latte längst gerissen. Wie das Umweltbundesamt jüngst mitteilte, wurden in Deutschland 2016 insgesamt fast 906 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt, etwa vier Millionen Tonnen mehr als 2015. Um die Klimaschutzlücke zu schließen, müsste der Treibhausgasausstoß von 2017 bis 2020 jährlich um fast 40 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxidäquivalente gedrückt werden. Aber wer glaubt daran, dass dies unter den gegenwärtigen politischen Bedingungen zu schaffen sei? Die bittere Wahrheit ist, dass die Erneuerbaren Energien im Jahr 2016 wie auch in den beiden Vorjahren kaum noch zur weiteren Emissionsminderung beitragen konnten. Besonders schmerzlich ist, dass bei der Wärmeversorgung von Wohngebäuden die Emissionen wieder ansteigen. Am stärksten nehmen sind sie jedoch im Verkehrssektor zu. Ohne massiven Ausbau von Erneuerbaren Energien in allen Sektoren ist das Gerede von der Energieeffizienz nichts wert.
Politisches Unvermögen mit Historie
Diese Zahlen markieren die Bilanz der Energiepolitik nicht nur der jetzigen Bundesregierung, sondern auch ihrer drei Vorgänger. Es ist der Erfolg der Kanzlerin Angela Merkel und ihrer Koalitionspartner, allen voran dem Kohlefreund Sigmar Gabriel, der zuerst als Umweltminister und dann als Wirtschaftsminister alle gesetzlichen Register gezogen hat, um die Erneuerbaren klein zu kriegen. Nach dessen Abgang als Parteichef und Umzug in das Außenministerium hat sich unter der Nachfolgerin Brigitte Zypries nichts an der monopolfixierten Politik geändert. Jüngstes Beispiel ist das Gesetz zur Förderung des Mieterstroms. Auch hier wurden die Intentionen der Bürgerenergiebewegung und der Wohnungswirtschaft den Absatzinteressen der fossilen Energieversorger geopfert.
Stell Dir vor niemanden interessiert das
Da klingt es heuchlerisch, wenn Energiewendefreunde und betroffene Verbandsvertreter immer noch gebetsmühlenartig jedes Gesetz "begrüßen" und im gleichen Atemzug bedauern, dass es nicht ganz ihren Vorstellungen entspreche. Und, bezogen auf das aktuelle Beispiel, dabei wieder suggerieren, die Regierenden hätten die positiven Effekte des Mieterstroms noch nicht ganz verstanden. Demgegenüber erscheint es geradezu erfrischend, wenn die Ökonomieprofessorin und DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert mit ihrem neuen Buch das Fenster der Klarheit weit öffnet und eine ehrliche Bestandsaufnahme vorlegt. "Das fossile Imperium schlägt zurück" lautet der Titel dieses lesenswerten Bandes, das den "postfaktischen Irrsinn" der Vertreter dieses falschen Modells der Energiewende angreift und auffordert, diesem nicht mehr auf den Leim zu gehen. Immerhin, ein Sonnenstrahl durchbricht die momentan geschlossene Wolkendecke.
Klaus Oberzig