Fortschrittliche Wärmeversorgung
Die Zukunft muss nicht ausschließlich elektrisch sein: Unsere Wärmeversorgung ist überwiegend eine Technologie von "vorgestern". Meist werden fossile, auf Kohlenstoffverbindungen basierende Brennstoffe verwendet. Erdgas hat alleine einen Anteil von mehr als 50 %, das betrifft Gebäude wie auch Wohnungen. Etwa ein Drittel aller Wärmeerzeuger werden mit Heizöl beschickt. Neben dem Hauptenergieträger Erdgas gibt es bei Mehrfamilienhäusern einen relativ hohen Anteil an Fernwärmeanschlüssen, Heizöl spielt dort eine geringere Rolle. Absolut betrachtet werden Ein- und Zweifamilienhäuser relativ selten mit Biomasse oder Strom beheizt. Bei neueren Gebäuden gibt es einen signifikanten Anteil an Wärmepumpenheizungen und Biomasse-Heizkesseln. Auch hier nimmt der Anteil an Heizöl ab. Jedoch ist nicht allein der Ist-Zustand unserer Heiztechnik problematisch, ebenso stellt die schon seit Jahren schleppende Modernisierungsrate ein großes Problem dar. Hierzu haben wir an dieser Stelle schon mehrfach ausführlich berichtet. Das alles hat zur Folge, dass der Anteil von Solarthermie bei allen Heizungsarten nach wie vor leider sehr gering ist und ein Wechsel von fossil zu regenerativ nur auf einem niedrigen Level stattfindet. Von einer Solarisierung unserer Wärmeversorgung sind wir demzufolge weit entfernt, genau genommen bewegen wir uns auch nicht in diese Richtung. Denn auch wenn Solarwärme installiert wird, kommt sie meist nicht über den Status einer Alibi-Technologie hinaus.
Anhand von zwei aktuellen Projekten zeigen wir auf, wie modern und interessant Solarwärme ist und wie sie entscheidend zur Dekarbonisierung beitragen sollte. Es ist strategisch von Bedeutung, den Ausstieg aus der fossilen Verbrennungstechnik nicht über die Umwege von Brückentechnologien und Hybridsystemen, sondern über den massiven Einsatz von regenerativen Heizungssystemen zu gehen. Solarthermie muss als wesentlicher Bestandteil von Verbundlösungen sowie als Schlüsseltechnologie verstanden werden.
Pauschalmiete mit Energie-Flatrate: Energieautarke Mehrfamilienhäuser
In Ausgabe 4|16 hatten wir über eine geplante Errichtung von vernetzter Energieautarkie in Niedersachsen berichtet. Nun wird die Idee in Cottbus Realität, zwei Mehrfamilienhäuser sind dort aktuell im Bau. Das auf einer "intelligenten" Eigenversorgung mit Wärme, Strom und Mobilität aus der Sonne basierende Konzept wird in zwei miteinander korrespondierenden Mehrfamilienhäusern mit je sieben Wohneinheiten erstmals umgesetzt.
Technik
Die monolithische Bauweise aus hochwärmedämmendem, einschaligem Ziegelmauerwerk ohne extra Außendämmung soll Autarkiegrade von 60 bis 70 % ermöglichen. Das Gebäude mit einem KfW-Effizienzhaus-Standard 55 verfügt über sieben Wohneinheiten mit insgesamt 634 m2 Wohnfläche.
Die Ausrichtung nach Süden und die hochdämmende Gebäudehülle ermöglichen einen stark reduzierten Heizwärmebedarf, der mit 17 kWh/m2 nahezu Passivhausniveau erreicht. Neben der passiven Solarenergienutzung ist aber vor allem die aktive Nutzung von Solartechnik und deren lokale Speicherung für die hohen Autarkiegrade ausschlaggebend. Sowohl Solarthermie mit Langzeitwärmespeicher als auch Photovoltaik mit Akkus lassen die Energiekosten dabei auf etwa 60 % unter dem klassischen Passivhaus sinken. Die Freiberger Entwickler um Prof. Timo Leukefeld gehen grob davon aus, dass 70 % Autarkie bei Wärme, Strom und E-Mobilität eine sinnvolle Größe ist. Wegen des abnehmenden Grenznutzens seien die letzten 20 bis 30 % mit Abstand die teuersten und eine Trennung vom Netz ist nicht mehr zeitgemäß.
Produziert wird die Energie auf den südlichen Dächern und der Fassade. Mit 50 Grad ist das Dach nicht ganz so sehr geneigt wie bei anderen Sonnenhausprojekten, aber der Winkel ist trotzdem steiler als üblich, um die tief stehende Wintersonne gut nutzen zu können. Die Dachfläche teilen sich Solarthermie und Photovoltaik, die Produktion über die senkrechte Fassade obliegt ausschließlich der Photovoltaik. Insgesamt werden jeweils 100 m2 Kollektorfläche und Photovoltaik mit knapp 30 kWp montiert.
Wärme: In einem Langzeitspeicher mit einem Volumen von 24,6 m3 wird die Wärme eingelagert, die zum Zeitpunkt ihrer Produktion gerade nicht benötigt wird. Das Trinkwarmwasser wird mittels Frischwasserstationen bereitet. Weitere Überschüsse, vor allem die aus dem Sommer, werden in ein Nahwärmenetz eingespeist und zu den Nachbargebäuden transportiert. Das verdoppelt den spezifischen Solarertrag pro m2 bei gleichzeitiger Reduktion der Heizkosten der anderen Gebäude. Der übrige Heizwärmebedarf wird durch einen 40 KW Gasbrennwertkessel bereitgestellt.
Strom: Lithium-Ionen-Akkus mit einer Speicherkapazität von jeweils 54 kWh sorgen für einen hohen Eigenstromanteil. Mit dem Photovoltaikstrom werden die Haushaltsgeräte, die Anlagentechnik wie auch die Elektroautos versorgt.
Vernetzung
Der Energieaustausch findet nicht nur einseitig in Form der Lieferung von überschüssiger Wärme in Sommerhalbjahr von März bis Oktober statt. Vielmehr werden die Speicher auf unterschiedlichste Weise genutzt. Es wird Energieversorgern auch ermöglicht, Wind- und Solarstrom in Form von Wärme oder Strom zu speichern und bei Bedarf wieder zu entnehmen. Um die Energieströme auch quantitativ zu erfassen, wird das Projekt in einem Monitoring drei Jahre lang umfangreich vermessen. Durch die Öffnung der großen Speicher nach außen profitieren nicht nur die Bewohner bzw. Vermieter, sondern auch die Allgemeinheit in Form eines Umbaus bzw. eines geringeren Ausbaus des öffentlichen Stromnetzes. Der Begriff des Prosumers wird dabei wesentlich breiter gefasst als sonst üblich. Gebäude und Energieversorgung partizipieren wechselseitig voneinander.
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100% Wärme aus Sonne und Biomasse: Ausgezeichnetes Nahwärmenetz mit Vorbildcharakter
Das im Frühjahr 2017 in Betrieb gegangene Nahwärmeprojekt im fränkischen Hallerndorf, ein Biomasse-Heizwerk mit großer Solarthermieanlage, beliefert in seiner jetzigen Ausbaustufe 95 Grundstücke mit erneuerbarer Wärme. Damit gibt man sich jedoch noch lange nicht zufrieden. Ein weiterer Bauabschnitt ist bereits geplant. Er soll noch Ende des Jahres fertiggestellt werden und einen weiteren Ortsteil anbinden. Das langfristige Ziel ist ohnehin, die ganze Gemeinde mit regenerativer Wärme zu versorgen. Weitere Bauabschnitte können jederzeit wirtschaftlich realisiert werden, sobald die Wärmebelegungsdichte ausreicht. Diese ist umso höher, je mehr Haushalte pro Meter verlegtes Rohrnetz angeschlossen werden.
Garantierte Wärme auch bei Stromausfall
Die Röhrenkollektoren der gut 1.300 m2 großen solarthermischen Anlage speisen direkt, ohne hydraulische Trennung, in einen 85.000 Liter großen Pufferspeicher ein. In dem großzügig dimensionierten Speicher kann Solarwärme aus etwa drei Tagen Produktion eingelagert werden. Sie wird im Übrigen auch bei Stromausfall in die angeschlossenen Häuser befördert. Denn dank der auf dem Heizhaus angebrachten Photovoltaikanlage mit Stromspeicher, ist man auch zwei Tage ohne Netzanbindung autark. Bayerns größte Solarthermieanlage spielt in dem Konzept dieser erneuerbaren Nahwärmeversorgung eine ganz wesentliche Rolle. Sie ist so dimensioniert, dass sie im Sommer allein das Nahwärmenetz versorgen kann, der solare Deckungsgrad soll mehr als 25 % sein. Das ist durchaus ungewöhnlich, wenn auch nachvollziehbar: Zum einen ist es weder nachhaltig noch zeitgemäß, Holz im Sommer zu verbrennen, um Wärme zu erzeugen, wenn die Sonne quasi kostenlos Energie liefert. Zum anderen kommen die Planer bei ihrer Vollkostenrechnung auf einen günstigen Wärmegestehungspreis von etwa 3 ct/kWh. Das ist nicht nur heute lukrativ, auch 20, wenn nicht gar 25 Jahre, sollte der Wärmepreis nicht steigen. Der durchschnittliche Wärmetarif, Arbeitspreis plus Grundpreis, liegt im Übrigen bei 9,5 ct/kWh für den Haushaltskunden. Dass Solarthermie für Nahwärme prädestiniert ist, zeigen auch die zahlreichen dänischen Projekte wie auch die in Ludwigsburg geplante Anlage, die im Endausbau Deutschlands größte Solarthermieanlage inklusive Nahwärmenetz sein wird.
Regional und transparent
Im Heizhaus wird die in den Kollektoren und Biomasse-Heizkesseln erzeugte Wärme in das örtliche Nahwärmenetz eingespeist. Vier Holzhackschnitzelkessel mit einer Leistung von je 145 kW sowie ein Kessel mit 300 kW, erzeugen eine prognostizierte Menge von 2,25 Mio. kWh pro Jahr. Die benötigten Holzhackschnitzel und Pellets stammen aus der Region. Der Pellet- beziehungsweise Hackschnitzelbunker nimmt eine Fläche von etwa 77 m2 ein und kann bis zu 140 Tonnen Brennstoff fassen. Durch ein großes Schaufenster kann die Heizhaustechnik von jedermann bestaunt werden. Das Heizhaus ist rundherum holzverkleidet und fügt sich somit harmonisch ins Landschaftsbild ein. Das ist nicht ganz unbedeutend. Schließlich liegt man nicht weit unterhalb der Wallfahrtskirche am Fuße des Kreuzbergs von Hallerndorf, der schon immer ein Ziel für fromme Pilger war.
Viel Geduld notwendig
Um eine solche Anlage zu initiieren, ist ein größerer zeitlicher Vorlauf nötig. Von der ersten Idee bis zur letztendlichen Entscheidung, geht einige Zeit ins Land. In Hallerndorf kam die Idee, das Neubaugebiet mit Nahwärme zu versorgen, erstmalig im Frühjahr 2015 auf. Daraufhin wurden die Absprachen mit der Gemeinde soweit konkretisiert, dass auf Informationsabenden die Bewohnerinnen des Neubaugebiets als auch die des ersten Bauabschnitts für die Projektidee gewonnen werden konnten. Die Entscheidung, das Nahwärmeprojekt zu realisieren, machte man vor allem vom Rücklauf der Vorverträge abhängig. Erst durch diese verbindliche Interessensbekundung konnte die Wirtschaftlichkeit und damit die Realisierbarkeit des Projekts berechnet werden. Ab dem Zeitpunkt der letztendlichen Entscheidung, das Nahwärmenetz zu bauen, konnten die letzten Details geklärt werden.
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Matthias Hüttmann