Wem gehört der Himmel
Die Erklärung der Menschenrechte ist zu wenig: George Adamson formulierte einst: „Darüber, wer die Welt erschaffen hat, lässt sich streiten. Sicher ist nur, wer sie vernichten wird.“ Übersetzt ins Heute heißt das: Um die Katastrophe noch abwenden zu können, ist ein radikales Umdenken erforderlich. Insbesondere gilt es eine revolutionäre Erkenntnis zu erlangen: Alle begrenzten Ressourcen wie Atmosphäre, Meere oder Böden müssen völkerrechtlich verbindlich geregelt werden. Denn noch heute kann sie jeder eigenmächtig als Deponieraum nutzen.
Gemeinschaftseigentum
In der Ökonomie spricht man von „Common-Pool-Ressourcen“, die als Gemeinschaftseigentum von jedem in Anspruch genommen werden können. In unseren Maßstäben erscheinen sie oftmals unendlich groß. Und auch wenn gemeinhin angenommen wird, dass die Erde dem Menschen gehört, ist das natürlich Blödsinn. Jedoch funktioniert das Leben auf unserem Planeten gemäß dieser Prämisse. Deshalb muss auch die Atmosphäre zu einem gemeinsamen Eigentumssystem (Common Property System) der Menschheit werden. Damit ist der Zugriff auf die Ressource Luft nicht frei, da sie kein öffentliches Gut mehr ist. Um klimapolitische Ziele zu erreichen, bedarf es verbindlicher Nutzungsrechte, da nur so der Erhalt und Verbrauch des gemeinsamen Eigentums geschützt ist. Ändert man nichts an den Eigentumsverhältnissen, kommt es unweigerlich zu Überlastung, Überbeanspruchung, Verschmutzung und letztendlich Zerstörung. Sicherlich lässt es sich trefflich über den Begriff des Besitzes streiten, aber die Festlegung auf ein klimapolitisches Ziel erfordert globales Gemeinschaftseigentum. Eine Begrenzung des Temperaturanstiegs festzulegen, ohne entsprechende völkerrechtliche Regelungen zu treffen, ist wenig erfolgversprechend.
Dummerweise müsste der Deponieraum Atmosphäre längst geschlossen werden, da dort bereits zu viel eigenmächtig abgelagert wurde. Im Gegensatz zu einer Mülldeponie können wir die prekäre Lage unserer luftigen Umgebung mit unseren Sinnen nicht wahrzunehmen. Auch deshalb ist es möglich, dass wir noch überwiegend nach dem Ideal der „Open-Access-Ressourcen“ wirtschaften. Global betrachtet bedeutet dies, dass alle Zugang zu den Ressourcen haben, aber nur wenige davon profitieren. Ein Paradebeispiel ist die Fischerei. So sind Fische relativ einfach zu erbeuten und gemäß der Theorie reguliert sich die Ressource von selbst. Entweder gibt es mehr Fischer und weniger Fische (zu hohen Preisen), oder weniger Fischer und mehr Fische (zu niedrigeren Preisen). Jedoch hat unser Handeln längst jene Balance verloren, die das ermöglicht. Es gibt immer weniger Diversität in unserem Tun. Anstatt saisonal und auf unterschiedlichste Weise zu fischen um den Bestand zu wahren, wird mit der groben „Vollernte-Methode“ so lange geplündert, bis der letzte Meeresbewohner im Netz zappelt.
Menschenpflicht
Der Kardinalfehler unseres Handelns liegt in unserem Wirtschaften und in einer selbstherrlichen Überhöhung der Spezies Mensch. Denn es gibt keine Rechte ohne Pflichten und mit Ansprüchen allein keine Verantwortung. Das soll die Erklärung der Menschenrechte als solches keineswegs in Frage stellen, aber wir müssen uns in den Kontext des Lebens einordnen. Das dachte sich auch der InterAction Council, als er die „Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten“ zur Diskussion vorlegte. Es gab prominente Erstunterzeichner, aber viel ist seitdem nicht passiert. In der Erklärung geht es vor allem um die Pflicht, andere Menschen menschlich zu behandeln. Ein einziger Artikel beschränkt sich nicht auf unser Leben, sondern schließt Tiere, Pflanzen, Erdboden, Wasser und Luft mit ein und verpflichtet die Menschen, dafür Sorge zu tragen, dass Natur und Mitgeschöpfe geschützt und erhalten werden.
Leben mit beschränkter Haftung
Um die Natur in der wir leben zu erhalten, müssen wir jedoch, wie erst kürzlich formuliert, von unserem anthropozentrischen Denken Abstand nehmen. Denken wir in Kategorien wie Menschen-, Natur- und Tierrechten, haben wir noch nicht verstanden, dass alles zusammengehört.
Zudem sollten wir uns darüber klar sein, warum gerade wir es sind, die in der Verantwortung stehen. Heute besitzen wir die faktische Gewissheit darüber, welche irreversiblen Auswirkungen unser Handeln hat. Als wir mit der Sesshaftigkeit im Neolithikum damit begonnen hatten, uns die Welt untertan, sprich Boden, Tiere und Pflanzen uns dienstbar machten, ahnten wir noch nicht, was diese Verhaltensänderung nach sich zog. Selbst zu Beginn der industriellen Revolution, der wir die Katastrophe letztendlich zu verdanken haben, waren die Konsequenzen nicht in der Klarheit zu erkennen, auch wenn es bereits genügend Mahner gab. Die Menschenpflicht lässt uns keine Wahl. Wir sind bereits mitten in der Katastrophe und benötigen keine genaueren Vorhersagen mehr um den notwendigen Kulturwandel zu starten. Es ist eigentlich ganz einfach: Da wir etwas ändern können, müssen wir es auch tun!
Dabei sollten wir jedoch nicht so überheblich sein, zu denken, dass es nur um uns selbst geht. Vielmehr tragen wir Verantwortung für alle Spezies und deren Lebensräume. Denn Artenschutz ist nichts Abstraktes, wir sind auch nur eine Art. Sollten wir uns für die Krone der Schöpfung halten, müssen wir uns auch so benehmen. Aber auch wenn wir weniger bedeutend sind, steht uns nicht an, über andere Lebensformen zu bestimmen. Egal wie wir uns sehen, wir sind an dem Scheitelpunkt angekommen, an dem wir uns in die Natur einordnen müssen.
Letztendlich ist es auch eine Frage der Intelligenz, die eigenen kognitiven Dissonanzen aufzulösen und den Zusammenhang zwischen Verhalten und Wirkung nicht weiter zu verdrängen. Auch wenn es unangenehm ist, Verantwortung zu übernehmen, ein Leben als gäbe es kein Morgen ist egoistisch, unmoralisch und eines zivilisierten Menschen nicht würdig. Und überhaupt: Annie Lennox motiviert mehr als Adamson wenn sie singt: „Hey hey I saved the world today, everybody‘s happy now, the bad things gone away“.
Matthias Hüttmann