Bauen ist politisch
Holz eignet sich als Baustoff auch für Hochhäuser: Durch die Unterstützung klimaschonender Projekte ist, so wird oft suggeriert, "klimabewusstes Reisen" möglich. Fliegt man beispielsweise von München nach Palma de Mallorca, müsse man nur zwei Bäume pflanzen, schon hätte man die knapp 900 Kilo CO2 pro Person wettmacht, die zuvor durch die Verbrennung von Kerosin in die Atmosphäre eingebracht wurden. Pflanzt man drei Bäume, sei man gar im grünen Bereich. Mal abgesehen davon, dass die wenigsten Fluggäste Bäume pflanzen, gibt es da noch ein ganz anderes Problem: Erst einmal emittiertes CO2 heizt das Klima für Jahrtausende an. So schnell kann die Menge an Bäumen gar nicht wachsen, um hinterherzukommen.
Und die Realität ist ohnehin eine ganz andere: Von 2000 bis 2012 ist die Welt um 1,5 Millionen Quadratkilometer Wald ärmer geworden. Das entspricht einer Fläche, vier Mal so groß wie Deutschland. Zum anderen findet das Binden von CO2 über einen langen Zeitraum statt. Beispielsweise speichert eine etwa 100 Jahre alte Fichte über ihr Trockengewicht von knapp 1,4 Tonnen etwa 0,7 Tonnen Kohlenstoff. Das entspricht einer CO2-Absorption von 2,6 Tonnen. Bei Buchen mit gut 100 Jahren sind es bei einem Trockengewicht von 1,9 Tonnen rund 0,95 Tonnen Kohlenstoff und eine Absorption von 3,5 Tonnen.
Auch findet der Flug heute statt, die Speicherung in den Bäumen jedoch erst im Verlauf der nächsten 100 Jahre. Der Wald hat, wenn seine Bäume nicht zu schnell "geerntet" werden, eine wichtige Funktion im Kohlenstoffhaushalt der Erde. Zum einen entzieht er der Atmosphäre CO2, zum anderen speichert er es. Wird das Holz dann noch zu Möbeln oder dem Hausbau weiterverarbeitet und nicht verbrannt, verlängert sich die Bindung des CO2 zudem noch für einen langen Zeitraum. Praktischer Klimaschutz: Weniger Flugverkehr, dafür mehr Wälder und Bauen mit Holz. Denn wenn aus Wäldern erst mal Weiden wurden, Weiden zu Äckern und Äcker zu Städten gewandelt werden, dann geschehen Landnutzungsänderungen die kaum rückgängig zu machen sind. Diese Wälder fehlen uns als Kohlenstoffsenke.
Wann ist Holz klimaneutral?
Naturbelassene, ausgewachsene Wälder haben eine CO2-Bilanz von Null, denn die Bäume wachsen nur noch langsam, und was sie an CO2 binden, wird gleichzeitig beim Verrotten abgestorbener Bäume freigesetzt. Bewirtschaftete Wälder können deshalb einen vielfach höheren Beitrag zum Klimaschutz leisten als naturbelassene - je nach dem, was mit dem geernteten Holz geschieht. Nur vor dem Hintergrund, dass das beim Verbrennen von Holz freiwerdende CO2 beim Verrotten sowieso freigeworden wäre, kann die Holzenergiebranche behaupten, ihre Energie sei klimaneutral. Für den Klimaschutz wesentlich besser ist allerdings, wenn das CO2 durch stoffliche Holznutzung für weitere Jahrzehnte bis Jahrhunderte gebunden bleibt, denn es geht ja darum, in den nächsten Jahrzehnten die CO2-Emissionen so schnell wie möglich und so stark wie möglich zu senken, damit die Ökosysteme Zeit haben sich anzupassen - ansonsten kollabieren sie.
Häuser und Möbel als Kohlenstoffsenke
Durch die stoffliche Holznutzung werden kurzfristig sehr große Mengen CO2 nicht freigesetzt, die ansonsten beim Verrotten oder Verbrennen in die Atmosphäre gelangen würden. Bei einer durchschnittlich großen Wohnung in Holzbauweise sind das immerhin 15 bis 30 t CO2. Vergleicht man das mit dem CO2, das bei einem Hin- und Rückflug nach Mallorca freigesetzt wird, sieht man die große Bedeutung, die Bauen mit Holz für den Klimaschutz haben könnte.
Eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) stellte erst vor Kurzem einen Zusammenhang zwischen ambitionierten internationalen Klimazielen und dem umfassenderen Konzept der Planetaren Grenzen her. So schreibt das PIK, die Anpflanzung von Bäumen oder Gräsern im großen Stil in Plantagen könne der Atmosphäre gezielt CO2 entziehen und so auch langfristig einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Jedoch würde dies den Planeten in anderen Bereichen über die ökologischen Belastungsgrenzen treiben. Denn wenn Biomasse-Plantagen, in denen Pflanzen beim Wachstum Kohlenstoffdioxid binden, massiv ausgeweitet würden, bedeute das für ohnehin belastete Bereiche wie Biodiversität, Nährstoffkreisläufe, Wasserhaushalte und Landnutzung enorme Risiken. Das Fazit der Forscher: Biomasse als CO2-Speicher kann nur in begrenztem Umfang einen Beitrag leisten, das Klima zu stabilisieren. Nicht überraschend: Das alles Entscheidende ist und bleibt die rasche Senkung von Treibhausgas-Emissionen aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas. Wo wir wieder beim Ausgangspunkt angekommen sind.
Neues Bauen mit Holz
Ein Mittel gegen den Klimawandel könnte also sein, mehr Bäume zu fällen und ihr Holz zu nutzen. Dank moderner Technik kann man daraus heutzutage sogar Hochhäuser errichten. Einer Studie der Universität von Yale zufolge, könnte eine Holz-Revolution in der Baubranche den globalen CO2-Ausstoß um 14 bis 31 Prozent senken. Denn damit würden energieintensive und durchaus knappe Materialien wie Stahl und Beton, die zudem die "Mobilität der Substanzen" immer mehr eskalieren lässt, verdrängt und CO2, das die verbauten Bäume beim Wachstum aus der Atmosphäre gezogen haben, langfristig fixiert.
Holz als Baustoff auch bei Hochhäusern gewinnt neuerdings an Bedeutung. So soll 2019 in Heilbronn Deutschlands erstes Holzhochhaus errichtet werden. Das 30 Meter hohe Gebäude mit zehn Stockwerken wird in Hybridbauweise errichtet. Aus Brandschutzgründen sind Sockel und Kern aus Stahlbeton, ebenso wie Aufzüge und das Treppenhaus werden sie nicht aus dem nachwachsenden Rohstoff gebaut. Die Außenwände sollen aus Holz, die Decken aus einem Holz-Beton-Verbund bestehen. Der Vorteil: Holz trägt gut, dämmt natürlich und reguliert Feuchtigkeit. Überall auf der Erde sind Holzhochhäuser in Planung oder wurden bereits fertig gestellt: Beispiele in Wien (Gesamthöhe ca. 84 m), Amsterdam (ca. 73 m) und Vancouver (ca. 52 m) zeigen was möglich ist. Hochhäuser aus Holz können, Stand der Technik, mehrere 100 Meter hoch sein. Der Unterschied zu vielen, schon vor längeren errichteten Häusern: Holz dient nicht nur als optische, ökologisch anmutende Verkleidung. Das Besondere an dem Baustoff ist seine Beständigkeit. Viele Holzbauwerke haben Jahrhunderte überdauert. Auch wenn Holz entzündlicher als Stahl und Beton ist, brennt es letztlich langsam und berechenbar ab. Der eigentliche Feind des Holzes ist zudem nicht Feuer, sondern Feuchtigkeit.
Nomen est omen
Ein weiteres ambitioniertes Projekt, das dann höchste Holzhaus Deutschlands, ist die von den Hamburger Architekten Störmer Murphy and Partners geplante "Wildspitze". Es wird in der östlichen HafenCity Hamburg entstehen. Ein Partner, die Deutsche Wildtier Stiftung, lässt aufhorchen. Dank der Stiftung soll in dem Holzhochhaus nicht nur gewohnt werden, das Gebäude wird auch eine gemeinnützige Nutzung mit besonderem Ausstellungsformat zum Thema Natur-und Artenschutz beinhalten. Auf rund 2.200 m² wird eine multimediale Ausstellung zu den Wildtieren Deutschlands und ihren Problemen mit uns Menschen entstehen. Menschen sollen sich dabei in die Situation von Wildtieren und ihren Bedürfnissen besser hineinversetzen können. Neben der Ausstellung wird auch Deutschlands erstes Naturfilm-Kino mit Tierfilmproduktionen und Dokumentarfilmen zu ökologischen Themen integriert. Das Ziel: Menschen für die Natur zu begeistern. Als drittes Element sind ganzheitliche, naturpädagogische Angebote geplant, bei denen Kindern und Jugendlichen unter fachlicher Begleitung lebendiges Naturwissen vermittelt werden soll. Zudem ist ein Drittel der 190 Wohnungen öffentlich geförderter Wohnungsbau.
Auch bei diesem Bau wird vorwiegend Holz eingesetzt. Mit Ausnahme der aussteifenden Treppenhauskerne werden sowohl die tragenden Bauteile als auch die Gebäudehülle vollständig aus Holzwerkstoffen hergestellt. Markanter Orientierungspunkt wird dabei der rund 64 m hohe, 18-geschossige Turm sein. Die natürlichen Vorteile des Holzes, seine gute Dämmeigenschaft, sein Potential für die Schaffung eines angenehmen, behaglichen Raumklimas, sind weitere positive Aspekte, die das bautechnische Konzept dieses Projektes reizvoll machen.
Bauen ist politisch
Um auf den Titel dieses Artikels zu kommen: Das Bauen mit Steinen oder Beton verschlingt Ressourcen, belastet die Umwelt und unsere Gesundheit. Der Bausektor gehört zu den weltweit ressourcenintensivsten Wirtschaftssektoren. So wird Sand für die Zementherstellung knapp, auch ist für Transport und Produktion von Beton ein hoher Energieaufwand mit entsprechendem CO2-Ausstoß in Rechnung zu stellen. Trotzdem landet ein Großteil der hochwertigen Baustoffe später auf der Sondermülldeponie, die Lebensdauer von Gebäuden nimmt immer weiter ab und wiederverwertet oder recycelt wird wenig. Verwendet man heimisches Holz, bindet man CO2 langfristig. Deshalb ist eine gute Ökobilanz (eng. Life Cycle Assessment LCA) eines Gebäudes so wichtig, da sie die systematische Analyse der potenziellen Umweltauswirkungen im Lebenszyklus eines Gebäudes wiederspiegelt. Nur wenn Gebäude mit vertretbarem Aufwand erstellt werden und auf das Energiekonzept, die Recyclingfähigkeit und die gezielte Wahl von Bauprodukten geachtet wird, ist es überhaupt vertretbar den hohen Aufwand des Errichtens eines Gebäudes zu betreiben. Holz als Baustoff ist hier ein guter, wenn nicht der einzige gangbare Weg. Auch Lehm, Stroh oder Recyclingmaterialien können hier künftig eine bedeutsame Rolle spielen. Als wichtige Ökobilanz-Indikatoren sind hier der kumulierte nicht erneuerbare Primärenergieaufwand (graue Energie) oder auch der Carbon Footprint (der Beitrag zum Treibhauspotenzial/GWP) zu nennen.
Bauen mit Holz hat für den Klimaschutz eine große Bedeutung. Mittlerweile gibt es, neben den bekannten Ein- und Mehrfamilienhäusern in Holzbauweise, auch in vielen Städten Pläne Hochhäuser aus Holz zu errichten. Wie nachhaltig diese sind und was genau dahinter steckt, dazu haben wir Dipl.-Ing Architekt Jan Störmer von Störmer Murphy and Partners GbR, dem für die Wildspitze verantwortlichen Architekturbüro, ein paar Fragen gestellt.
SONNENENERGIE: Welche realisierten Beispiele von Holzhäusern gibt es bereits, was ist in Planung?
Massivholzbauweise in dem Bereich bis zu sieben Geschossen gibt es seit längerem an vielen Orten. Seit kurzem werden Holzhochhäuser weltweit mit großem Interesse verfolgt. Es gibt beispielsweise Studien und Planungen für Türme mit großen Höhen in London, Chicago oder Tokio.
SONNENENERGIE: Wie viele Stockwerke umfassen solche Holzhochhäuser oder Türme und wo sind hier die technischen Grenzen?
Die technischen Grenzen lassen sich nicht für die Zukunft bestimmen. Es gibt Planungen von mehr als 300 Metern - vorerst aber im Forschungsbereich, es wird noch lange dauern solche Höhen zu erreichen. In Europa sind diverse Projekte bis zu 100 Metern Höhe in Planung
SONNENENERGIE: Was ist alles aus Holz und was nicht. Werden andere Werkstoffe verwendet, was sind die Gründe dafür?
Nur die Untergeschosse, der Sockel bis zur Decke über Erdgeschoss sowie die Treppenhauskerne sind aus Beton - aus Gründen der Statik, des Brandschutzes und der baurechtlichen Anforderungen.
SONNENENERGIE: Wie sieht die Energieersparnis bzw. der CO2-Aufwand im Vergleich mit anderen Bauweisen aus?
Im Gegensatz zu Beton speichert Holz CO2. Beispiel: Als Größenordnung kann man davon ausgehen, dass z.B. 1.000 Kubikmeter Holz 850 Tonnen CO2 speichern.
SONNENENERGIE: Welche weiteren ökologischen Vorteile gibt es für Mensch und Welt?
In der Welt wird durch den riesigen Bauboom inzwischen Raubbau an Sand getrieben, auf unverantwortlicher Weise durch gigantische Saugbagger, die vom Meeresgrund den Sand mit allem Lebensraum für die Meeresbewohner vernichten. Korallenriffe verlieren ihre Stabilität. Der Holzbau kann hier vieles verhindern. Weiterhin bietet ein Holzbau ein gesundes Raumklima, und die Schmutz- und Lärmbelastung während der Bauphase ist geringer als bei einer Bauweise aus Beton.
SONNENENERGIE: Wer sind die Kunden und Auftraggeber?
Projektentwickler, Baugesellschaften und private Bauherren
SONNENENERGIE: Welche Holzarten werden verwendet, gibt es spezielle Ansprüche an das Holz und woher kommt es?
Vorwiegend Nadelhölzer wie Kiefer, Tanne und Fichte, seltener bei hoher Beanspruchung Harthölzer.
SONNENENERGIE: Mit welcher Lebensdauer rechnen Sie und muss man die Fassade speziell pflegen?
In Sachen Lebensdauer und Wertbeständigkeit stehen moderne Holzhäuser konventionellen Bauten in nichts nach. Holz kann in der Oberfläche unbehandelt verbaut werden, es darf je nach Wettereinfluss seine natürlichen Grauwerte annehmen, so braucht es kaum Pflege.
SONNENENERGIE: Wie sieht es von Seiten der Planung und Genehmigung aus?
Holzhochhäuser sind immer noch im Bereich der Forschung, die Planung muss von Beginn an zwischen allen Fachdisziplinen und Behörden entstehen, die Planungszeit ist erheblich länger.
SONNENENERGIE: Wo liegen die Kosten im Vergleich zu anderen Bauweisen?
Derzeit liegen die Kosten ca. 8% über der konventionellen Bauweise. Dafür wird durch eine kürzere Bauzeit Kosten ausgeglichen.
Matthias Hüttmann