Weichenstellung für die Zukunft
Politik und Medien scheinen nach Jahren der Zurückhaltung nur noch ein Megathema zu kennen: das Klima. Seit der Europawahl ist ein Hype ausgebrochen, der nicht nur erstaunt, sondern auch misstrauisch werden lässt. Thematisch reicht das von der CO2-Bepreisung oder -besteuerung über Ernährung und Plastiktüten bis hin zur Urlaubsfliegerei. Auch politische Größen, die vor nicht allzu langer Zeit die Thesen vom Klimawandel und der Klimakrise mit Hohn und Spott überzogen hatten, spielen heute den Aktivisten, wenn es um den Klimaschutz geht. Am lautesten vernehmbar ist gegenwärtig Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der als Medienstar eine grüne Kamelle nach der anderen durch den Äther jagt. Handfestes ist bislang weder bei ihm noch bei anderen Politgrößen herausgekommen. Das ganze folgt zwei Narrativen. Zum einen wird erzählt, mit marktwirtschaftlicher Steuerung werde sich ein klimafreundliches Verhalten schon erreichen lassen und zum zweiten werde niemandem dabei ein Nachteil entstehen. Die Politik verspricht tatsächlich, beim Klimaschutz werde es gerecht und schmerzfrei zugehen.
Bei diesen hohlen Phrasen fallen spätestens dann die bunten Blätter ab, wenn man konkrete Themen anspricht. Nehmen wir z.B. den ersten Kipppunkt, vor dem die Klimawissenschaft gewarnt hatte und der jetzt zur bitteren Realität geworden ist: Das Auftauen der arktischen Permafrostböden. Dazu hört man nichts weiter aus der Politik. Und der Sonderbericht des IPCC, aktuell am 8. August veröffentlicht, der sich mit der Landnutzung beschäftigt und enthüllt, dass über ein Viertel aller Klimagase aus der industriellen Nahrungsmittelproduktion stammt, hat keinen Politiker bislang provoziert, konkrete Maßnahmen vorzuschlagen. So wartet alles auf die Beschlüsse des sogenannten Klimakabinetts, das die große Koalition erfunden hat. Die spannende Frage wird sein, ob aus diesem illustren Kreis regierungsamtlicher Klimafriseure ordnungspolitische Maßnahmen vorgeschlagen werden oder ob das weichgespülte Marktregulations-Gesäusel fortgesetzt wird. Der Markt werde schon alles regeln ist eine Parole für die Doofen bzw. die gut bezahlten Propagandisten dieses Unfugs.
Auch die DGS muss sich fragen, ob sie sich auf die veränderte Lage der Klimakrise eingestellt hat. Sicher, die DGS thematisiert die Wärmewende, das Thema Steckersolargeräte läuft gut und findet mehr und mehr Anwender. Aber die Treibhausgaskonzentration ist inzwischen auf rund 420 ppm angestiegen. Das sind gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter 140 ppm mehr. Reichen als Gegenmaßnahme die 100% Erneuerbare Energien oder kann das nur ein Element neben weiteren sein? Die Bewegung der jungen Aktiven von Fridays for Future und Extinction Rebellion unterscheiden sich nicht nur altersmäßig von den alteingesessenen Aktiven aus der Energiewendebewegung. Sie haben auch andere Prioritäten. Wie reagiert die DGS darauf und ist sie in der Lage, eine produktive Verbindung zu dieser Bewegung herzustellen? Denn das Wissen über Erneuerbare Energien ist für die Jungen ebenso wichtig, wie das Wissen um die Zusammenhänge des sich verändernden Klimas. Wie können diese Wissens- und Erkenntniskomplexe zusammengeführt werden und welchen Anteil wird und will die DGS daran haben?
Das ist beileibe keine akademische Frage. Auch wenn die DGS wieder einen Mitgliederzuwachs zu verzeichnen hat, sollte nicht übersehen werden, dieser Zuwachs speist sich nicht aus der Gruppe der jungen Rebellen. Die wichtige Frage lautet: wohin gehen diese jungen Leute bzw. wo organisieren sie sich in Zukunft und wie können sie für das überhaupt nicht unwichtig gewordene Thema der Erneuerbaren Energien gewonnen werden? Für die DGS wird die Verbindung zu den jungen Klimaaktivisten auch zu einer Frage des eigenen Überlebens. Darüber müssen die Solarfreunde die Diskussion führen und sich Klarheit verschaffen. Dafür dürfte nicht beliebig viel Zeit zur Verfügung stehen, denn der Prozess einer Herausbildung neuer Strukturen bei den Klimaschützern verläuft sehr dynamisch. Die Solarfreunde sollten darauf achten, dass sie dieses Fenster der Gelegenheiten nicht verpennen.
Klaus Oberzig