Was kann ich denn dafür?
Wir möchten an dieser Stelle einmal nicht über den Klimawandel sprechen, der nervt bisweilen gewaltig. Er passt so gar nicht in unsere schnelllebige Zeit der Sensationen und Rekorde, die kurz nach ihrem Aufkommen schon wieder Schnee von gestern sind. Apropos verschwundenes Gletschereis. Es ist gar nicht so einfach von dem Thema abzulassen, zu umfassend betrifft uns dieses Drama, das wir live erleben "dürfen". Denn irgendwie scheint alles, was wir tun, den Untergang unserer Zivilisation zu befördern. Und wenn Harald Lesch formuliert "Die Menschheit schafft sich ab" fühle ich mich durchaus angesprochen.
Zur Beruhigung: Niemand von uns kann etwas dafür, dass er hier ist. Das gilt für den Einzelnen im Allgemeinen, aber auch für die Menschheit im Speziellen. Beide haben sich nicht erschaffen. Wir müssen uns also wegen all der anderen nicht unbedingt einen Kopf machen. Über die Menschheit nicht, aber wie ist es mit uns? Auch wenn wir nicht verantwortlich für unser Sein sind, bewirkt unser Dasein doch so einiges. Genau genommen alles das, was ohne uns nicht passieren würde. Oder wie hier schon einmal stand: So lange wir leben, tun wir etwas und es ist immer möglich etwas anders zu tun.
Um auf unsere Existenz zurückzukommen: Es gab eine Zeit vor unserer Entstehung und wird wohl auch eine danach geben. Die wird gerade maßgeblich durch uns geprägt, wir bestimmen was passiert. Genau deshalb sind es eben auch wir selbst, die etwas bewirken können. Überspitzt formuliert, wir müssen etwas ändern, weil wir es können.
Rebound-Gesellschaft
Nach diesem pseudophilosophischen Einstieg jetzt ein weniger konkreter: Wir tun in Deutschland vermeintlich sehr viel für „die Umwelt“. Das kann man daran festmachen, dass Gegner unserer Lebensweise von einer links-grün-versifften Gesellschaft sprechen. Nur geht das, die Kritik wie auch unsere Selbstwahrnehmung, leider weit an der Realität vorbei. Unser Fußabdruck ist derart heftig, dass wir ihn gar nicht mehr zu erkennen scheinen, so tief stecken wir im Sumpf. Das hindert aber nicht, uns selbst ein vorbildliches Verhalten zu attestieren. Aus diesem guten Gefühl heraus kommt es gar zu gegenteiligen Effekten. In dem Glauben, in einer hochentwickelten, effizienten Gesellschaft zu leben, sind es ja nur Kleinigkeiten, die man sich ab und an mal gönnt, ganz nach dem Motto „Das habe ich mir verdient, das kann ich mir leisten“.
Es gibt für alles eine Lösung
Die Technikgläubigkeit führt dazu, dass nicht das eigene Verhalten verändert wird, sondern es auf materielle Weise von Profis gerichtet werden soll. Wir haben schon immer einen Ausweg gefunden, so sind wir sozialisiert. So versuchen wir Probleme mit genau den Mitteln lösen, ohne die wir gar nicht so sehr in der Bredouille gekommen wären. Wir haben es uns vielmehr bequem gemacht, in dem wir auf unsere Erfolgsgeschichte zurückblicken und jeglichen Zweifel an unserer Überlegenheit zerstreuen. Hier sei an den Ausspruch eines Wissenschaftlers erinnert, der überzeugend darlegte, warum der Mensch nicht aussterben könne: „Dafür ist er viel zu dominant, etwas Vergleichbares wie ihn gab es noch nie, man sollte ihn nicht unterschätzen. Mit seiner Technik wird er auf jeden Fall überleben“.
Na dann wird es eben die anderen treffen. Auf die blicken wir verächtlich herab, ohne zu merken, dass wir selbst maßgeblich an den Plünderungen beteiligt sind, die deren Existenz bedroht. Wir sind in hohem Maße an den „Zuständen“ woanders involviert. Denn vielerorts wird immer weniger für die eigenen Bedürfnisse produziert. Die Rohstoff- und Humanausbeutung gibt es unseretwegen, damit wir günstig leben können. Oder wie hörte ich erst vor kurzem wieder, als ein Billigangebot entdeckt wurde: „Bei dem Preis kannst Du nichts falsch machen“. Von wegen! Wir rechnen unsere Klimabilanz schön, indem wir nur die Prozesse in unseren Landesgrenzen betrachten und gleichzeitig sagen, dass Alleingänge beim Klimaschutz sinnlos sind. Wir blenden damit aus, dass unser Wirtschaften nicht auf die von uns bewohnte Fläche begrenzt ist.
Eine Frage des Charakters
Die Forderung, dass es zu einer ehrlicheren Politik kommen muss, die davon wegkommt, von einem möglichst kostenneutralen Umbau zu schwafeln ist wichtig. Gleichermaßen muss aber auch dafür gesorgt werden, dass die Phrasen von Freiheit und Wohlstand, der uns zusteht, nicht honoriert werden. Die Politik muss hier in die Verantwortung gezogen werden. Jedoch nicht mithilfe unerfüllbarere Erwartungen, die wiederum helfen, selbst nichts unternehmen zu müssen. Denn wenn Politik versagt, gibt es eine prima Ausrede, nichts tun zu müssen.
Es erscheint immer wichtiger, dass Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, und der Einzelne nicht getrennt betrachtet werden. Solange Politik die Verantwortung auf den Verbraucher schiebt, der Einzelne sich auf die Mehrheit beruft und die Wirtschaft unangreifbar bleibt, gibt es für alle Protagonisten jede Menge Schlupflöcher. Sich den schwarzen Peter gegenseitig zuzuschieben ist nicht hilfreich, genau genommen ist das organisiertes Drückebergertum.
Rette dich selbst
Niemand mit gesundem Menschenverstand würde behaupten, dass das Leben heute einfach ist oder dass uns Silicon Valley zu Glückseligkeit verhelfen wird. Ebenso wird uns die Energiewende alleine nicht retten. Auch wenn das schon wieder eine eigene Geschichte wert wäre, muss uns klar sein, dass es nicht darum geht, einzelne Dinge zu substituieren, sondern darum sie zu hinterfragen.
Dabei hilft es im Übrigen auch, sich ein wenig mehr Gedanken über sich selbst, als über den Nachbarn oder Volksvertreter, zu machen. An der Welt lässt sich sonst recht schnell verzweifeln. Wer versucht die Erde zu retten, würde an der Last wohl zerbrechen. Und das wäre fatal, denn wir dürfen nicht aufgeben!
Matthias Hüttmann