Wie man Klimagase misst
Bestimmung der Menge an Treibhausgasen in der Erdatmosphäre: Die im Jahr 1958 vom amerikanischen Chemiker Charles David Keeling (1928-2005) auf dem Vulkan Mauna Loa (Hawaii) begonnene Messreihe, die den Anstieg der Konzentration des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO2) in der Luft zeigt, ist als "Keeling-Kurve" berühmt geworden. Seit Beginn dieser Messungen ist der Kohlenstoffdioxid-Anteil der Erdatmosphäre über dem Mauna Loa von weniger als 320 ppm auf über 410 ppm angestiegen (parts per million, also die Zahl von CO2-Molekülen pro einer Million Teilchen in der Luft)1). Zur Zeit der Industrialisierung, als die CO2-Konzentration der Atmosphäre noch etwa 280 ppm betrug, ist der Kohlenstoffdioxidgehalt durch die Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Öl und Gas also bereits um fast die Hälfte angestiegen - und leider geht der Anstieg trotz weltweiter Bekenntnisse zum Klimaschutz immer noch ungebremst weiter.
Doch die Keeling-Kurve wirft immer wieder Fragen auf: Wie genau wird eigentlich die CO2-Konzentration in der Luft gemessen? Wie groß sind dabei die Unsicherheiten? Wird der Wert der CO2-Konzentration nur auf dem abgelegenen Mauna Loa bestimmt? Und wie sieht es mit anderen Treibhausgasen wie Methan und Lachgas aus? Dieser Beitrag versucht, auf diese wichtigen Fragen eine Antwort zu geben.
Direkte CO2-Messung in der Atmosphäre
Für die Messung der Kohlenstoffdioxid-Konzentration in der Luft macht man sich genau den physikalischen Effekt zunutze, der auch für die Treibhauswirkung dieses Gases verantwortlich ist: die Absorption von Infrarotlicht (Wärmestrahlung) durch die Kohlenstoffdioxid-Moleküle. Dazu wird die vorher in einer Kältefalle getrocknete Umgebungsluft langsam in einen Zylinder mit zwei Fenstern an den Enden gepumpt (Bild 1). Durch das eine Fenster wird Infrarotstrahlung in den Zylinder (und damit durch die darin enthaltene Luft) geschickt. Die Infrarotstrahlung wird dann am anderen Ende hinter dem zweiten Fenster von einem Infrarotdetektor aufgefangen, wobei mit einem Filter der Wellenlängenbereich ausgewählt wird, in dem CO2 absorbiert. Wäre die Luft frei von CO2, würde die von der Infrarot-Lichtquelle am anderen Ende ausgehende Strahlung folglich ungeschwächt am Detektor ankommen.
Da die Atmosphäre aber CO2 enthält, wird die Infrarotstrahlung je nach Kohlenstoffdioxidgehalt der Luft mehr oder weniger stark abgeschwächt, so dass die gemessene Strahlungsintensität in eine Kohlenstoffdioxid-Konzentration übersetzt werden kann. Dazu muss das Instrument allerdings laufend kalibriert werden, indem stündlich verschiedene Referenzgase mit bekannter CO2-Konzentration in das Messinstrument gepumpt werden. Zusätzlich werden die Messwerte regelmäßig mit unabhängigen Messungen, die auf anderen Methoden basieren oder von anderen Laboratorien durchgeführt wurden, verglichen. Aus diesen Vergleichen kann eine maximale Ungenauigkeit der Messungen von etwa 0,2 ppm abgeschätzt werden. Die Messungen sind also auf jeden Fall genau genug, um den oben diskutierten Anstieg zweifelsfrei nachzuweisen.
Das globale Netzwerk der WMO
Obwohl langlebige Treibhausgase wie CO2 durch die atmosphärische Zirkulation gut durchmischt werden, wäre eine Messung der Kohlenstoffdioxid-Konzentration in der Luft allein auf dem Mauna Loa sicherlich nicht repräsentativ für den globalen Mittelwert: Die anthropogenen Emissionen erfolgen ja nicht überall auf der Erde in gleicher Intensität, und auch die natürlichen Quellen und Senken von CO2 sind nicht gleichmäßig verteilt. Die Zusammensetzung der Luft wird jedoch in vielen Ländern der Welt in einem von der World Meteorological Organization (WMO) koordinierten Netzwerk gemessen (Bild 2). In Deutschland wird so zum Beispiel auch die Kohlenstoffdioxidkonzentration der Luft an mehreren Orten und in verschiedenen Höhen gemessen, unter anderem am Meteorologischen Observatorium Hohenpeißenberg. Aus den Daten der vielen Stationen im globalen Netzwerk kann dann ein globaler Mittelwert für die CO2-Konzentration errechnet werden. Das globale Mittel des gemessenen Kohlenstoffdioxid-Anteils der Atmosphäre zeigt exakt den gleichen Anstieg wie die Mauna-Loa-Daten, die Absolutwerte liegen aber etwa 3 ppm unter den auf Hawaii gemessenen Werten.
Zusätzlich zu den bodengebundenen Messungen stehen seit einiger Zeit auch Messdaten von Satelliten in der Erdumlaufbahn zur Verfügung. Als Beispiel sind in Bild 3 CO2-Messungen des Satelliten Orbiting Carbon Observatory 2 (OCO-2) aus dem Herbst des Jahres 2014 gezeigt, der die Kohlenstoffdioxid-Konzentration aus der Abschwächung des von der Erdoberfläche reflektierten Sonnenlichts in für CO2 charakteristischen Wellenlängenbereichen bestimmt. Diese Messungen können nicht nur die unvermeidlichen Lücken zwischen den bodengebundenen Messstationen füllen, sondern erlauben auch ein detailliertes Bild der regionalen und zeitlichen Veränderungen von Kohlenstoffdioxid-Quellen und -Senken.
Und die anderen Klimagase?
Neben Kohlenstoffdioxid gibt es natürlich auch noch viele weitere Treibhausgase, die für das Klima auf der Erde entscheidend sind. Dazu zählen beispielsweise Methan (CH4) und Lachgas (N2O). Auch die Konzentration dieser und anderer Spurengasse wird weltweit an den oben genannten Stationen mit ähnlichen Techniken wie beim Kohlenstoffdioxid gemessen. Auch bei Methan und Lachgas spielen neben natürlichen Quellen anthropogene Emissionen eine wesentliche Rolle. So ist zum Beispiel die Konzentration von N2O seit Beginn der Industrialisierung von etwa 270 ppb auf über 330 ppb gestiegen (Bild 4), vornehmlich durch den Einsatz stickstoffhaltiger Dünger in der Landwirtschaft. Dabei bedeutet ppb parts per billion, also die Zahl von Molekülen pro einer Milliarde Teilchen in der Luft. Der beobachtete Anstieg der Lachgas-Konzentration scheint sich leider nicht zu verlangsamen, sondern geht ungebremst weiter.
Beim Methan beobachten wir einen Anstieg von rund 720 ppb in vorindustrieller Zeit auf etwa 1.860 ppb heute (Bild 5), wobei hier insbesondere die Nutztierhaltung, der Reisanbau, Mülldeponien, die Verbrennung von Biomasse sowie Verluste bei der Öl- und Gasförderung als wichtige menschliche Emissionsquellen zu nennen sind. Obwohl die Konzentrationen von Lachgas und Methan deutlich geringer sind als die von Kohlenstoffdioxid, ist ihre Treibhauswirkung keinesfalls vernachlässigbar. Im Gegenteil: Sowohl Methan als auch Lachgas sind sehr starke Treibhausgase, die über 100 Jahre in etwa die 30-fache (CH4) bzw. 300-fache (N2O) Treibhauswirkung von Kohlenstoffdioxid aufweisen!
Methan nimmt wieder zu
Die in Bild 5 dargestellten Messungen zeigen, dass nach einer Phase der Stabilisierung die Methan-Konzentrationen seit etwa 2007 wieder stark ansteigen. Leider sind die Gründe für diesen Anstieg noch nicht gut verstanden und werden daher derzeit intensiv erforscht. Einige Wissenschaftler befürchten, dass insbesondere natürliche Quellen wie Feuchtgebiete oder Permafrostböden im Zuge der globalen Erwärmung mehr Methan in die Atmosphäre abgeben. Was immer die Gründe für den aktuellen Anstieg sein mögen, sie haben wegen der starken Treibhauswirkung von Methan auch Auswirkungen auf die Klimapolitik. Sollen die Ziele des Abkommens von Paris2), die Erderwärmung auf maximal 2°C, wenn möglich sogar nur 1,5°C zu begrenzen, eingehalten werden, so müssen neben den CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger auch die Emissionen anderer Treibhausgase wie Lachgas oder Methan reduziert werden. Sollten aufgrund des Klimawandels in der Tat natürliche Quellen verstärkt zu Methan-Emissionen führen, bedeutet dies im Umkehrschluss auch, dass die dadurch verursachte zusätzliche Erwärmung durch stärkere Reduktion der anthropogenen Emissionen ausgeglichen werden müsste, wenn die Ziele von Paris umgesetzt und gefährliche Klimafolgen vermieden werden sollen.
Fußnoten
1) siehe auch den Beitrag in SONNENENERGIE 5|2014, Seite 28
2) siehe auch den Beitrag in SONNENENERGIE 2|2016, Seite 42
Dr. Georg Feulner