Solar Decathlon Europe 2010
Teil 3 Heizen-Lüften-Kühlen: Der Solar Decathlon Europe (SDE) ist ein internationaler studentischer Wettbewerb, bei dem 19 verschiedene Universitäten aus der ganzen Welt ihren Entwurf eines Plus-Energiehauses, welches sich allein durch Sonnenenergie versorgt und dabei höchste Ansprüche an Wohnkomfort und -qualität erfüllen muss, präsentieren. Zum Finale des Wettbewerbs (dieses fand erst nach Redaktionsschluss statt) transportieren alle teilnehmenden Teams ihre Prototyphäuser nach Madrid, wo sie sich vom 18. bis 27. Juni 2010 in zehn verschiedenen Wettbewerbsdisziplinen messen.
Die in den vorangegangenen beiden Ausgaben der SONNENENERGIE vorgestellten vier deutschen Finalteilnehmer des SDE 2010 – aus Berlin, Rosenheim, Stuttgart und Wuppertal – schildern nun, wie sie mit Hilfe ihrer HKL-Systeme (Heizen-Kühlen-Lüften) den Häusern Leben einhauchen. Ziel ist es, höchst effiziente und vernetzte Systeme zu entwickeln, die standortabhängig optimale klimatische Raumbedingungen erzeugen und somit den Bewohnern des Hauses einen hohen Wohnkomfort ermöglichen. So müssen bei Wohnraumtemperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftqualität des Innenraumes die engen Vorgabefenster des Wettbewerbs genauestens eingehalten werden. Die Systeme werden nach Funktionalität, Effizienz, Innovation und Nachhaltigkeit bewertet und stellen für alle vier deutschen Teams eine große Herausforderung dar. Wie all dies gelingen soll und welche Techniken zum Einsatz kommen werden, stellen die Teams im Folgenden vor.
HTW Berlin
Das Berliner Team „living EQUIA“ versucht bereits durch verschiedene bauliche Maßnahmen, den gesamten Energiebedarf des Hauses auf ein Minimum zu reduzieren. Dazu gehören die effektiv wärmegedämmten Wände, Decke und Boden. Zusätzlich wurde auf hohe Luftdichtigkeit, die Vermeidung von Wärmebrücken unter Verwendung von Lehmbauplatten mit integrierten Latentwärmespeichermaterialien geachtet.
Die aktive Wärmegewinnung wird mit Hilfe einer Solarthermieanlage, einer reversiblen Wärmepumpe, einem Lüftungsgerät mit Sorptionsrad und durch Unterstützung wassergeführter Lehmbauplatten an der Decke, sowie einer Abstrahlfläche auf dem Norddach bereitgestellt. Diese Systeme sind sehr umfangreich und wurden von den Studierenden selbst entworfen. Es handelt sich um viele verschiedene in sich geschlossene Kreisläufe, die auf unterschiedliche Weise miteinander vernetzt sind.
Obwohl das Haus primär für den Sommerfall optimiert wurde, bleibt es natürlich auch im kalten Winter funktionsfähig. Soweit es möglich ist, wird warmes Wasser aus dem von den in der Südfassade integrierten Sonnenkollektoren versorgten Warmwasserspeicher zum Heizen verwendet. Wenn nicht mehr genügend gespeicherte Solarwärme vorhanden ist, setzt eine hocheffiziente Wärmepumpe ein, die zusätzlich durch einen integrierten Heizstab unterstützt werden kann.
In den Sommermonaten wird die im Haus benötigte Kälte durch eine innovative Abstrahlfläche erzeugt. Diese ist auf dem Norddach integriert und kann bei klarer Nacht durch den Strahlungsaustausch zwischen der Fläche und dem Himmel Kälte für den nächsten Tag erzeugen. Die Abstrahlfläche besteht aus 26 quadratischen, schwarz lackierten Metallplatten mit rückseitig angeklebten Kunststoff-Kapillarrohrmatten. Es handelt sich um ein geschlossenes System ohne zusätzlichen Wasserverbrauch.
Die Abstrahlfläche ist an einen 1,5 m3 großen Wassertank angeschlossen, der unter der Terrasse im Nord-Osten gelagert ist. Dieser speichert die Wärme tagsüber. In den Nachtstunden wird das Wasser aus dem Wassertank durch die Abstrahlfläche gepumpt und abgekühlt. Sofern die von der Abstrahlfläche erzeugte Kälte nicht ausreicht, wird die reversible Wärmepumpe aktiv.
Für die Verteilung von Wärme- und Kühlenergie sorgen zwei Systeme. Zum einen die Heiz- und Kühldecken aus Lehmbauplatten, die von innen an der Decke des Hauses montiert sind. In den Platten wurden kleine Wasserrohre integriert, die über eine Fläche von 28 m2 für eine effiziente Erwärmung bzw. Kühlung des gesamten Wohnraumes sorgen. Das Bad verfügt außerdem über eine separate Wandheizung, durch die der Raum zusätzlich auf angenehme Temperaturen gebracht werden kann.
Zum anderen wird das Wärme- und Kühl-Verteilungssystem durch die mechanische Lüftung eines speziell angefertigten Kompaktlüftungsgerätes , welches dank eines Sorptionsrotors zusätzlich Feuchte rückgewinnen kann, unterstützt. Es dient vor allem dazu, einen Großteil der Feuchte, die von der Zuluft angesaugt wird, direkt wieder an die Abluft zu übertragen und so gar nicht erst in das Haus zu lassen. Die restliche überschüssige Feuchte wird von den Lehmbauplatten aufgenommen und erst bei Bedarf wieder abgegeben. Sollte die Speicherkapazität des Lehms einmal nicht ausreichen, wird über ein Aufheizen der Abluft das Sorptionsrad getrocknet und damit die Zuluft entfeuchtet.
Die Solarthermieanlage, die Wärmepumpe, das Lüftungsgerät, die Lehmwände und die Kühl- und Heizdecken sind gemeinsam für angenehme Temperaturen und optimale Feuchteregulierung im Haus verantwortlich. Und die elektrische Energie zum Betreiben sämtlicher HKL-Komponenten wird durch die im Haus verbauten PV-Anlagen erzeugt und erfolgt demnach mit maximaler Energieeffizienz.
FH Rosenheim
Die Leitidee des Rosenheimer Entwurfes für die südlichen Breiten (Madrid) sind in erster Linie eine hochgedämmte Gebäudehülle (Transmission), ein Maximum an Luftdichtheit (Infiltration) und ein effizienter Sonnenschutz, um zu hohe solare Lasten zu vermeiden. Dabei leistet die eigens entwickelte Verschattung einen wesentlichen Beitrag.
Das Kühlkonzept des Gebäudes beruht auf aktiven, sowie passiven/hybriden Systemen.
Grundlage des passiven Kühlungssystems ist die Strahlungskühlung über die Dachfläche. Dabei wird in den kühlen, klaren Nachtstunden ein kontinuierlicher Wasserfilm über die geneigte Dachebene geleitet. Durch Strahlungsaustausch mit dem klaren Nachthimmel, konvektiver Wärmeabgabe an die Umgebungsluft und Verdunstung wird das Wasser abgekühlt und anschließend in einem gedämmten Speicher gesammelt.
Die nötigen Wassermengen können durch Regenwasser gedeckt werden. Vorteil dieses Effekts ist, dass er in fast allen Klimazonen einsetzbar ist.
Als zweite passive Maßnahme wird ein luftdurchströmter PCM-Puffer (PCM =Phase Change Materials) eingesetzt. Dieser Speicher nimmt am Tag, durch Umluftbetrieb, die Wärme der Raumluft auf und gibt diese im Außenluftbetrieb in der Nacht wieder an die kühlere Umgebungsluft ab. Die ventilierte Nachtlüftung wird durch Außenlufttemperatur gesteuerte Klappen geregelt, damit wird der Entladungsprozess des PCM Speichers nur bei, für die Wärmeabgabe günstigen Außenlufttemperaturen, gestartet und spart somit unnötige Hilfsenergien ein.
Die reversible Luft/ Wasserwärmepumpe ist der aktive Teil des Kühlkonzeptes. Mit der produzierten Kühlleistung wird die wasserdurchströmte Kühldecke im Wohnraum betrieben. Die Vorkonditionierung des Kaltwasserspeichers durch die Wärmepumpe erfordert den Einsatz dieser nur bei möglichen Spitzenlasten.
Darüber hinaus wird die „Abwärme“ der Wärmepumpe für die Erwärmung des Warmwassers für den Hausbedarf verwendet. Eine zusätzliche Aufbereitung durch Solarmodule ist nicht nötig, dadurch konnte die Photovoltaikanlage auf der Dachfläche maximiert werden.
HFT Stuttgart
Um auch bei hohen Außentemperaturen in Madrid angenehme Innenraumbedingungen zu schaffen, bedient sich das Stuttgarter Haus home+ sowohl passiver wie auch aktiver Komponenten. Um den Energieverbrauch zu minimieren, werden die passiven Komponenten bevorzugt genutzt und nur bei Bedarf durch die aktiven Komponenten unterstützt.
Im Innenraum nehmen PCM in der Deckenkonstruktion tagsüber die Wärme auf. Nachts werden sie mit kühlem Wasser, das durch Rohre an der raumabgewandten Seite der PCM geführt wird, wieder entladen. Das dafür benötigte Wasser wird durch die Abstrahlung gegen den kalten Nachthimmel gekühlt. Dazu wird es nachts in Rohren an der Rückseite der auf dem Dach montierten Photovoltaik-Module entlang geführt. Die Oberfläche der PV-Module steht im Strahlungsaustausch mit dem Nachthimmel und kühlt stark ab. Es ist dasselbe Phänomen, das auch zur Reifbildung auf den Windschutzscheiben von Autos führt. Die abgekühlten PV-Module entziehen wiederum dem Wasser die Wärme, die dieses aus den PCM aufgenommen hat.
Durch die nächtliche Abstrahlung wird wesentlich mehr Kühlenergie generiert als zur Aushärtung der PCM erforderlich ist. Der Überschuss wird in einen Pufferspeicher eingespeist. Das dort gespeicherte kühle Wasser kann dann über Rohrschlangen im Fußboden zur Kühlung des Raumes genutzt werden. Der Pufferspeicher dient auch als Rückkühlspeicher für den Betrieb einer reversiblen Wasser-Wasser-Wärmepumpe im Kühlbetrieb (Kühlleistung ca. 2,7 kW). Diese wird allerdings nur in extrem heißen und feuchten Zeiten zur Kühlung eingesetzt, um die im Wettbewerb eng gesetzten Komfortbedingungen einzuhalten.
Im Heizfall wird der Pufferspeicher über Vakuumröhrenkollektoren aufgewärmt und dient der reversiblen Wärmepumpe somit als Wärmequelle für den Heizbetrieb. Die Wärmeübergabe an den Raum erfolgt über die Fußbodenheizung und ein Nachheizregister am Lüftungsgerät. Ein Kreuzstromwärmetauscher im Lüftungsgerät minimiert die Lüftungswärmeverluste. Im Kühlfall kann die Abluft im Lüftungsgerät zusätzlich befeuchtet und damit abgekühlt werden, über den Kreuzstromwärmetauscher dient sie dann als Zuluft. Dabei wird diese nicht befeuchtet.
Das Klima in Madrid ist in Zeiten mit hoher Außentemperatur allerdings meist sehr trocken. Dies nutzt der Energieturm von home+. Der über das Gebäude hinausragende Teil des Energieturms ist so ausgerichtet, dass warme und trockene Außenluft aus der vorherrschenden Windrichtung eingefangen wird. Im Inneren des Turms hängen befeuchtete Gewebe, an denen die Luft entlang streicht und über Verdunstung gekühlt wird. Die abgekühlte Luft fällt nach unten und wird in das Gebäudeinnere geführt, wo sie sich nach dem Quellluftprinzip verteilt. Seitlich neben dem Energieturm befinden sich zwei Solarkamine, die über hoch liegende Öffnungen in der Turm-Fuge verbrauchte Luft aus dem Gebäude abziehen. Energieturm und Solarkamine stellen also eine gute Durchströmung des Gebäudes mit gekühlter Luft sicher und das ohne den Einsatz mechanischer Energie.
Bergische Universität Wuppertal
Das Lüftungs- und Heizungskonzept basiert ebenso wie das gesamte Energiekonzept auf dem Entwurfsprinzip des „Europäischen Hauses“. Um das Haus klimatisch an verschiedene europäische Standorte anpassen zu können, wurde ein Lüftungskompaktgerät als Herzstück des Klimakonzeptes ausgewählt.
Dieses beinhaltet bereits alle für die Lüftung sowie die luftgeführte Heizung und Kühlung eines Gebäudes notwendigen Komponenten. Herzstück ist eine Luft-/Wasserwärmepumpe, die durch hydraulische Umschaltung in der Lage ist, sowohl die Zuluft zu erwärmen wie auch abzukühlen und zudem eine Bodenheizung/-kühlung zu bedienen. Im Lüftungssystem befindet sich ein Plattenwärmetauscher zur hocheffizienten Wärmerückgewinnung aus der Abluft. Das Gerät ist mit einem 250 Liter Trinkwassertank ausgestattet und bietet die notwendigen Anschlüsse für die Ankopplung der thermischen Solaranlage. Zum Einsatz kommt ein 6 m2 großes Vakuumkollektorfeld nach dem Heat Pipe Prinzip. Die Röhrenkollektoren wurden gestalterisch als solaraktive Fläche in die nördliche Flügelwand integriert. Ihre vertikale Anordnung nimmt Bezug zum Faltenwurf der außen liegenden Vorhänge. Gleichzeitig verringert diese Anordnung den solaren Ertrag (und die Überschüsse und Temperaturbelastungen) im Sommer bei höheren Erträgen im Winter.
Die solare Wärme wird sowohl zur Warmwasserbereitung als auch zur Heizung über die Bodenheizfläche genutzt. Dazu sind Fußbodenheizung und Kollektorfeld ohne Wärmetauscher miteinander verbunden. Die Bodenheizung arbeitet als Trockenbausystem mit einer Abdeckung aus Faserbeton und einem Holzdielenboden. Haushaltsgeräte wie Wasch- und Spülmaschine werden mit warmem Wasser versorgt. Das thermische Solarsystem in Summe senkt den elektrischen Energiebedarf des Gebäudes und Spitzenlasten im hauseigenen Stromnetz. Prinzipiell sind im Wettbewerb keine thermischen Solarsysteme vorgeschrieben, so dass auch Häuser mit rein photovoltaischer Versorgung vertreten sein werden.
Zur Erweiterung der 1?kW Kühlleistung über die hydraulisch umgeschaltete Wärmepumpe wurde das Lüftungskompaktgerät um eine Verdunstungskühlung erweitert. Dazu wird aus einem 100 Liter Speichergefäß Wasser in der Abluft verdüst. Die damit verbundene Temperaturabsenkung wird über den Wärmetauscher anteilig auf die Zuluft übertragen. Zur Erhöhung der Verdunstungsleistung erhält der Wärmetauscher eine spezielle Nanobeschichtung. Kompressions- und Verdunstungskühlung arbeiten gemeinsam im Tagbetrieb bei einem Luftvolumenstrom von etwa 160 m3/h. In der Nacht wird das Gebäude durch freie Auftriebslüftung über automatisch angesteuerte Klappen in unterschiedlicher Höhe des Gebäudes (passive Kühlung über Nachtlüftung) abgekühlt.
Zur zusätzlichen Stabilisierung der Raumtemperatur wurden Hohlkammerplatten mit Phasenwechselmaterial auf der Basis von Salzhydraten als Latentwärmespeicher in den inneren Wandaufbau integriert. Diese werden unmittelbar von der kühlen Zuluft überströmt, um hohe Wärmeübergänge zu erreichen. Die Reaktivierung erfolgt durch freie Nachtlüftung.
Datenaufzeichnung bzw. Steuerungsfunktion werden über einen EIB an den zentralen home server (System Gira) angekoppelt.
CO-AUTOREN:
- Martina Wagner (Team Rosenheim) martina.wagner(at)stud.fh-rosenheim.de
- Dipl.-Ing. Sebastian Fiedler (Team Stuttgart) sebastian.fiedler(at)hft-stuttgart.de
- Bettina Titz (Team Wuppertal) bettinatitz(at)googlemail.com
Matthias Schwärzle