Covid und Klima
Die Menschheit tendiert dazu, kurzfristige Probleme und Gefahren intensiver wahrzunehmen und höher zu bewerten als langfristige. Eine solche Prägung mag im Rahmen einer steinzeitlichen Vergangenheit als Jäger und Sammler evolutionär durchaus hilfreich gewesen sein, droht in Zeiten von Covid UND Klimakrise allerdings irreversible Fehlentwicklungen zu verursachen.
Covid dominiert derzeit gesellschaftliche als auch private Diskussionen, die Klimakrise hingegen findet in den Medien kaum noch statt. Dabei wird sie bereits mittelfristig das viel größere Problem sein, insbesondere auch bezüglich gesundheitlicher Gefährdungen vieler Millionen Menschen durch Krankheiten, Überschwemmungen, Dürren und vielem mehr. Die Covid-Epidemie hat nun gezeigt, zu welchen alle Lebensbereiche dominierenden Disziplinierungen und Anstrengungen entwickelte Gesellschaften fähig sind, wenn es existenziell zu werden droht.
Als „Kollateralnutzen“ vor allem des weltweiten Rückgangs des Transportsektors haben die Covid-induzierten Einschränkungen stark positive Umweltfolgen. So sind die globalen CO2-Emissionen 2020 gegenüber dem Vorjahr um ganze 7% gesunken, am stärksten in den USA (-12%) und der EU (-11%), eine in dieser Größenordnung bisher nie beobachtete Abnahme. Deutschland hat tatsächlich noch seine Klimaziele für 2020 erreicht. Aber trotz alledem ist die globale CO2-Konzentration auch 2020 nochmals auf einen neuen Rekordwert gestiegen. Zudem gibt es auch Rebound-Effekte: Verringerte Aerosol-Emissionen vor allem in den USA und China sorgten für deutlich sauberere Luft, die nun allerdings mehr Sonnenlicht passieren ließ und die globale Mitteltemperatur vorübergehend um ca. 0,2 K erhöhte ...
Auch wenn dies alles wohl nur temporäre Effekte sind, erleben wir bis dato unvorstellbar weitgehende Änderungen im wirtschaftlichen und privaten Leben, die von der Mehrheit der Bevölkerung auch mitgetragen werden, da deren Notwendigkeit für jeden Einzelnen wie für die Gemeinschaft akzeptiert wird. Es geht also, wenn man nur will.
Covid wird hoffentlich gegen Ende dieses Jahres in den Industrieländern weitgehend überwunden sein und Ende nächsten Jahres wohl auch weltweit. Die Klimakrise allerdings bleibt. Dabei sind die Lasten in beiden Krisen sehr ungleich verteilt. Die jüngere Generation hat bei Covid viel Verzicht geübt und Rücksicht gezeigt, obwohl sie letztendlich kaum gefährdet ist. Bei der Bekämpfung des Klimawandels ist es genau umgekehrt: Obwohl hier weniger betroffen, ist jetzt insbesondere die mittlere und ältere Generation gefragt. Diese Kohorten sind tendenziell gesellschaftlich einflussreicher und wohlhabender als die junge Generation. Durch politische Einflussnahme, klimaverträglichen Konsum (Reisen!), Investitionen in Regenerative Energien, Spenden zur Schaffung globaler Energiegerechtigkeit und weitere hilfreiche Maßnahmen können viele von uns die erhaltene Solidarität jetzt generationen- und kontinentübergreifend zurückgeben.
Prof. Dr. Klaus Vajen