„CO2-FREI“ BIS 2045 ?
Eine zu einem großen Teil nachhaltige Wirtschaft, Industrie und Produktion sogar bis 2025 sind erreichbar, vor allem wenn das Bauwesen mitziehen kann. Der Primärenergieaufwand und die Treibhauseffekte (Global Warming Potential / GWP) durch die Errichtung insbesondere von Gebäuden sind im Mittel dreißig mal so groß wie die, die durch den Betrieb der Gebäude jährlich entstehen. Die energetischen Einsparmöglichkeiten und damit das Vermeiden von Treibhauseffekten sind also in gigantischem Maße größer als bei Einsparungen im Gebäudebetrieb.
Im in seiner Bedeutung völlig überschätzten Neubaubereich sind ohnehin kaum noch größere und umfassend wirksame Einsparungen möglich, da dessen Beitrag mit jährlich nicht viel mehr als 2% zum Energieverbrauch anzusetzen ist: Nach wie vor fallen 90% des gesamten Energieverbrauchs des Gebäudebereichs im Gebäudebestand an. Eigentlich sollte deshalb, wenn irgend vermeidbar, gar nicht mehr neu gebaut werden, sondern der Gebäudebestand nachhaltig modernisiert werden.
Modernisierungen, die eine Verringerung des Energie- und Wärmebedarfs ‚priorisieren’ (Corona macht helle!) werden durchgängig - ebenso wie Neubauten - mit primärenergetisch stark belasteten und schadstoffhaltigen Materialien wie Holzwerkstoffen, Polyurethanen, Polystyrolen, Polyvinylchloriden (Fensterbau!) und anderen erdölerzeugten Kunststoffen, Mineralwollen, Foamglas, mit enormem Energieaufwand gebrannten ‚Hochleistungsziegeln’, Gasbetonsteinen, hochbewehrtem Stahlbeton, aufwendigen (z.B. 3fach-)Verglasungen und energetisch besonders aufwendigen Metallen wie Edelstahl und Aluminium ausgeführt. Hinzu kommt die Erschöpfung der Ressourcen von Sand, Wasser, Kalk, Tonen, Zement, Kupfer, seltenen Erden. Da sich diese Stoffe überwiegend in Verfügung der vorausblickenden Chinesen befinden, verringert das die Verfügbarkeit und treibt die Preise hoch.
Durch die vorherrschende Verwendung insbesondere dieser Materialien werden die Treibhausgasemissionen, um es noch einmal zu betonen, dutzendfach höher als die durch sie erreichbaren Einsparungen im Gebäudebetrieb, sodass die Ökobilanzen der Baumaßnahmen auch auf Dauer negativ bleiben. Dies kann insgesamt und nachhaltig nur durch den Einsatz hocheffizienter Gebäudetechnik auf der Basis regenerativer, vor allem solarbasierter Energietechnik verringert werden.
Im Gegensatz zu dem - in jeder Hinsicht mit Mühe hinterherhinkenden - Gebäudebereich wird in der Energiewirtschaft, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft inzwischen teilweise ökobilanziert. Nur dies kann die tatsächlich erreichten Energie –und Treibhausgaseinsparungen darstellen.
Das Bauwesen ist und bleibt - mit 50% aller Ressourcen- und Materialverbräuche, 50% des Abfallaufkommens und 33% der CO2-Ausstöße weltweit - sowie 50% des Endenergieverbrauchs in Deutschland der größte Treibhausgas-Verursacher: noch vor der Automobilindustrie, für deren CO2-Aufkommen ebenfalls Deutschland – und Japan zusammen für 80% allein verantwortlich sind.
Dies wird auch absehbar so bleiben, etwa in Anbetracht der wachsenden Dominanz im Bereich der wesentlich schwereren SUVs und Elektrofahrzeuge, auch durch ihre mit in der Ökobilanz katastrophalen großen Batterien. Hinzu kommt ein hierdurch wachsender Strombedarf in der Größenordnung von 30%, der auf absehbare Zeit zu großen Teilen mit fossilen Energien erzeugt werden wird, ebenso wie der durch die Digitalisierung erforderliche zusätzliche Bedarf in der gleichen Größenordnung.
Kann man sich, zusammenfassend betrachtet, eigentlich noch mehr vormachen?
Die pauschale Ablehnung des Berichts der vom Bundestag im August 2020 berufenen Expertenrats für Klimafragen spricht für sich. Bei der Prüfung und Bewertung der Emissionsdaten für das Jahr 2020 kam dieser zu der Einschätzung, dass im vergangen Jahr die Emissionsziele zum ersten Mal „bis auf den Gebäudesektor“ eingehalten worden seien. Dass das nur „Dank der Pandemie“ passiert ist, macht die Unfähigkeit der Politik deutlich, die nicht in der Lage ist, die dringenden Fragen der Erhaltung der Lebensbedingungen auf unserem Planeten zu bewältigen.
Immanuel Kant hat in der ‚Kritik der reinen Vernunft’ 1781 formuliert: „Der Mangel an Urteilskraft ist eigentlich das, was man Dummheit nennt, und einem solchen Gebrechen ist gar nicht abzuhelfen“.
Oder geht es (zufälligerweise ?) nur um die Angst vor sinkenden Gewinnen und die Priorisierung der Wirtschaft vor den Lebensbedingungen und Lebensverhältnissen?
Hinrich Reyelts