Ü20-Photovoltaik - Heiter weiter mit der Steuer?
Das gebannte Starren der Solaranlagenbetreiber auf den EEG-Gesetzgebungs-Krimi zum Jahreswechsel – wie weiter mit der Einspeisung und der Stromvermarktung – hat ein weiteres wichtiges Thema bei den ausgeförderten Photovoltaikanlagen völlig in den Hintergrund gedrängt: Was bedeutet das Ende der ursprünglichen EEG-Vergütung für die steuerliche Behandlung einer solchen Altanlage?
Photovoltaikanlagen waren vor zwanzig Jahren teuer, aber die Einspeisevergütung so hoch, dass sich die Anschaffung trotzdem rentieren sollte. Die meisten Anlagen wurden deshalb so angeschlossen, dass der gesamte erzeugte Strom ins Netz eingespeist, also verkauft wurde. Steuerlich führte das in der Regel zu zwei Folgen
- Erstens erzielten die Einspeiser Überschüsse über Abschreibung und Betriebskosten und betrieben somit die Anlage ertragssteuerlich mit einer Gewinnerzielungsabsicht. Für die Einkommensteuer war deshalb eine jährliche Gewinnermittlung vorzunehmen (einfache Einnahmen-Überschuss-Rechnung) und tatsächliche Gewinne waren zu versteuern.
- Zweitens konnte der Betreiber zur Umsatzsteuerpflicht optieren und dann die beim Kauf (und mit den Betriebskosten) bezahlte Mehrwertsteuer als Vorsteuer vom Finanzamt zurück erhalten. Da die Umsatzsteuerpflicht für Volleinspeiser keine Nachteile hat (der Netzbetreiber zahlt dann die Vergütung zuzüglich Umsatzsteuer), dürften die meisten dabei geblieben sein.
Mit dem Ende des Vergütungszeitraums (21 Kalenderjahre) endet für die meisten Anlagen auch die steuerliche Abschreibungsdauer (20 Jahre bzw. 20 x 12 = 240 Monate). Dies führt aus steuerlicher Sicht einerseits zu geringeren Einnahmen und andererseits zu geringeren Kosten, die steuerlich geltend gemacht werden können.
Steuerliche Fragen stellen sich neu
Die zwei spannenden Fragen lauten also:
- Liegt noch immer eine Gewinnerzielungsabsicht vor? Dies betrifft (nur) die Ertragssteuer.
- Ist es sinnvoll, bei der Umsatzsteuerpflicht zu bleiben oder sollte zur Kleinunternehmerregelung gewechselt werden, falls das möglich ist?
Die steuerlichen Überlegungen setzen voraus, dass sich der Anlagenbetreiber für eine technische Art des Weiterbetriebs seiner Photovoltaikanlage entschieden hat:
- Weiter Volleinspeisung mit der zunächst bis zum Jahr 2027 befristeten Vergütung für ausgeförderte Anlagen (Anschlussvergütung in Form des vom Netzbetreiber durchgeleiteten Börsenpreises) oder im Rahmen eines speziellen Stromtarifs mit Vergütung oder Verrechnung des eingespeisten Solarstroms mit dem Strombezug.
- Umstellung der Anlage auf Eigenverbrauch mit Überschusseinspeisung mit Anschlussvergütung oder im Rahmen eines Stromcloudtarifs
- Eigenverbrauch ohne Überschusseinspeisung (Nulleinspeiser)
- Eigenverbrauch als nicht netzgekoppelte Inselanlage (zum Beispiel zur Warmwasserbereitung über einen DC-Heizstab)
Ü20-Photovoltaik in der Ertragssteuer
Hat die Anlage bisher zu versteuernde Gewinne erzielt, wird das Finanzamt zunächst nicht an der Gewinnerzielungsabsicht zweifeln. Ohne größere Kosten für Umbauten und Reparaturen wird sich dies in den Folgejahren nicht ändern. Wer also die Anlage einfach weiter voll einspeisen lässt, wird vermutlich weiterhin so behandelt wie bisher – jedenfalls bis zum Ende der Anschlussvergütung im Jahr 2027.
Wird auf Eigenversorgung mit Überschusseinspeisung umgestellt, fallen dafür Kosten an, die einmalig Verluste erzeugen können. Der künftig privat verbrauchte Solarstrom ist dann steuerlich genauso als Privatentnahme zu behandeln wie bei einer neuen Anlage. Bemessungsgrundlage sind allerdings nur die niedrigen tatsächlichen Herstellkosten oder der ebenfalls niedrige Marktpreis, also die Anschlussvergütung für ausgeförderte Anlagen laut EEG. (Die Herstellkosten errechnen sich aus den im Steuerjahr angefallenen Kosten geteilt durch die erzeugten Kilowattstunden.)
Kalkuliert der Anlagenbetreiber jedoch mit einem längerfristigen Weiterbetrieb und berücksichtigt die dabei üblicherweise zu erwartenden Betriebskosten und Reparaturen, kann es sich um Liebhaberei handeln. Je nachdem, welchen Zustand der jetzt sinnvolle Anlagencheck ergibt, können Solarmodule bis zu 40 Jahre Lebensdauer erreichen und dabei weiterhin hohe Erträge erzielen. Oft genügt es, Schatten werfenden Bewuchs durch Bäume oder Büsche zu beseitigen oder einzelne defekte Solarmodule auszutauschen, um die Leistungsfähigkeit der Photovoltaikanlage zu erhalten. Auch ein Tausch des Wechselrichters in einem Turnus von jeweils zehn bis zwanzig Jahren ist realistisch.
Denkbar ist auch die Variante, dass die Photovoltaikanlage nur zur Eigenversorgung genutzt wird und kein Strom ins Netz eingespeist oder anderweitig verkauft wird. Bei privatem Eigenverbrauch handelt es sich dann um eine Aufgabe der unternehmerischen Tätigkeit. Da die Abschreibungsdauer der Photovoltaikanlage (20 Jahre) abgelaufen ist, hat sie einen Buchwert von Null.
Ü20-Photovoltaik in der Umsatzsteuer
Die meisten Anlagenbetreiber dürften bisher zur Umsatzsteuerpflicht optiert haben. Dies kann auch nach dem Ende der EEG-Vergütung beibehalten werden, sofern weiterhin Strom gegen Vergütung ins Netz eingespeist oder anderweitig verkauft wird.
Das gleiche gilt, wenn ein Leistungsaustausch stattfindet, zum Beispiel im Rahmen eines Stromcloud-Tarifs, wobei eingespeister Strom (Leistung) mit späterem Strombezug (Gegenleistung) verrechnet wird, was eine Einnahme darstellen kann. Von anfallenden Umbaukosten, Reparaturen oder Wartung kann dann wie bisher die Vorsteuer gezogen (vom Finanzamt erstattet) werden.
Wird die Anlage allerdings auf Eigenverbrauch mit Überschusseinspeisung umgestellt, ist der Eigenverbrauch als unentgeltliche Wertabgabe zu versteuern, soweit bei der Anschaffung die Vorsteuer gezogen wurde. Bemessungsgrundlage ist hier wie bei neuen Anlagen der Strombezugspreis (netto derzeit ca. 24 Cent/kWh). Deshalb dürfte in den meisten Fällen ein Wechsel zur Kleinunternehmerregelung sinnvoll sein. Diese „Abwahl“ der Umsatzsteuerpflicht ist möglich für Steuerpflichtige, die im Jahr nicht mehr als 22.000 Euro umsatzsteuerpflichtige Einnahmen erzielen.
Tipp: Wechseln Sie erst nach dem Jahr, in dem Sie die Kosten für die Umrüstung der Photovoltaikanlage bezahlt und die darin enthaltene Vorsteuer gezogen haben.
Wird die Anlage so umgebaut, dass nur noch ausschließlich privater Eigenverbrauch stattfindet, liegt im Sinn der Umsatzsteuer keine unternehmerische Tätigkeit mehr vor. Das gilt sowohl bei der Nulleinspeisung wie auch bei der Inselanlage und bei Verzicht auf eine Einspeisevergütung.
Photovoltaik ganz ohne Finanzamt?
Auch ein Wechsel zu Photovoltaik ohne Finanzamt ist denkbar. Dazu muss in die Kleinunternehmerregelung gewechselt werden und dem Finanzamt gegenüber eine ertragssteuerliche Liebhaberei plausibel gemacht werden.
Checkliste für Ü20-Photovoltaikanlagen
- Grundlage aller Entscheidungen ist ein technischer Anlagencheck auf Sicherheit, Funktion und Leistungsfähigkeit
- Prüfen Sie die Möglichkeiten und den Kostenaufwand, die Anlage auf Eigenverbrauch umzurüsten.
- Prüfen Sie die Möglichkeiten, den Strom weiterhin gegen Vergütung ins Netz einzuspeisen (Anschlussvergütung des EEG für Altanlagen, befristet bis 2027). Informieren Sie sich, ob ihr Netzbetreiber, der lokale Energieversorger oder ein überregionaler Anbieter für Ihre Anlage einen lohnenden Ü20-Stromtarif anbietet, um die Anlage weiter zu betreiben, und rechnen Sie genau nach, welche Kosten und Vorteile damit verbunden sind.
- Denken Sie auch an Meldepflichten beim Netzbetreiber und im Marktstammdatenregister bei Umrüstung, Stilllegung, Weiterbetrieb, Betreiberwechsel der Anlage.
- Wenn Sie gar nichts tun und die Anlage in der Volleinspeisung belassen, erhalten Sie automatisch die Anschlussvergütung des EEG 2021 (zunächst befristet bis 2027). Sie können auch danach noch jederzeit auf Eigenversorgung umrüsten oder andere Optionen wahrnehmen.
- Falls Sie noch eine (teure) Photovoltaikanlagen-Versicherung haben, empfiehlt es sich diese jetzt zu kündigen, denn die nur noch geringe Ü20-Einspeisevergütung rechtfertigt keine teure Versicherungsprämie für die abgeschriebene Anlage.
- Prüfen Sie, ob das Beibehalten der Umsatzsteuerpflicht sinnvoll ist. Insbesondere beim Eigenverbrauch wird eine unentgeltliche Wertabgabe fällig und die Bemessungsgrundlage ist hoch.
- Prüfen Sie, ob (weiterhin) eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt oder Liebhaberei.
Thomas Seltmann