Steckersolargeräte: Mythos und Wahrheit
Wie gefährlich sind sie wirklich? Vorort- und Komponentenmesseungen von gealterten Elektroinstallationen
Der Marktanteil der Steckersolargeräte (SSG) hat in Deutschland die letzten zwei Jahre stark zugenommen. Nach einer Studie der HTW Berlin beträgt der Marktumfang derzeit über 200.000 Geräte1). Häufig wird in diesem Zusammenhang verbreitet, dass diese gefährlich sind, Stromkreise überlasten und Brände auslösen können. Um dieses zu verhindern, wurde eine Produktnorm für SSG begleitet, die eine maximale Leistung von 600 W je abgesichertem Stromkreis festschreibt. Außerdem wurden die Sicherheitsanforderungen festgeschrieben. Zudem wurden kritische Belastungsfälle untersucht. Im Rahmen eines WIPANO-Verbundprojektes wurde der Entwurf dieser Produktnorm erarbeitet sowie die wissenschaftliche Begleitforschung vorgenommen2). Im Forschungsprojekt übernahm die DGS, die Belastbarkeitsreserven in bestehenden Elektroinstallationen zu bestimmen, Temperaturen bei Überströmen an gealterten Betriebsmitteln zu ermitteln und mögliche Gefährdungen zu analysieren.
Als erstes wurde die Altersstruktur von Installationen in Gebäuden in Deutschland ermittelt. 2011 führte die FH Südwestfalen eine Studie dazu durch. Die Ergebnisse wurden vom Zentralverband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) veröffentlicht. Als wesentliches Ergebnis stellte sich heraus, dass mehr als zwei Drittel der Elektroinstallation in Gebäuden schon über 40 Jahre in Betrieb sind.
Etwa 80% der älteren Gebäude bis 1950 sind saniert worden. Die übrigen Gebäude sind zum Teil stark sanierungsbedürftig. Gebäude der Jahre 1950 bis 1979 verfügen über die ältesten Elektroleitungen. Die Installation wurde zumeist teilsaniert, wobei unterputzverlegte Leitungen dabei nicht erneuert wurden. Durch den Bestandsschutz sind relativ viele historische Installationen noch in Betrieb. In den neuen Bundesländen wurden überwiegend Aluminiumleitungen verwandt, inzwischen wurde dort sehr viel saniert.
Ermittlung des Worst Case und der Belastungsschwerpunkte
Vor diesem Hintergrund wurden als kritische Fälle für den Einsatz von SSG folgende gealterte Elektroinstallationen ermittelt: Aluminiumkabel mit Isoliermaterial aus Gummi bzw. PVC, Leitungen in Wärmedämmung (Normbez.: A2), Schraubverbindungen bei Aluminiumleitungen sowie Verteilerdosen bzw. Steckdosen in Unterputzverlegung.
Um die Gefährdung durch SSG einzuschätzen, müssen diese Fälle untersucht und Belastungsschwerpunkte in einem üblichen Haushaltstromkreis herausgefunden werden. Die möglichen Ströme sind nach dem Normentwurf für SSG auf 600 Watt und 2,6 Ampere begrenzt (siehe Bild 3, Belastungspunkt 2a). Hier kann es zu keiner Überlastung kommen. Allerdings speist das SSG hinter der Absicherung des Stromkreises den Strom mit in den Verbraucherstromkreis ein. Übliche Haushaltstromkreise sind mit 10 bzw. 16 A abgesichert. Bei einem Gerätefehler bzw. einem Überstrom in der Verbrauchersteckdose 2b) summieren sich die Ströme vom SSG und vom Netz, so dass 18,6 A an der Steckdose entstehen. Wenn der Strom zu hoch wird, lösen die Überstromeinrichtungen aus. Die Überlastung bzw. der Fehlerstrom muss demnach kleiner als 25,8 A bei 16 A-Sicherungsautomaten und 28,2 A bei 16 A-Schmelzsicherungen sein. Sicherungsautomaten lösen sicher nach Norm bei dem sogenannten großen Prüfstrom 1,45 x Nennstrom In aus. Bei Schmelzsicherungen beträgt der Normwert zur sicheren Auslösung 1,6 x Nennstrom In. Durch die Addition mit dem maximal eingespeisten Strom des SSG von 2,6 A ergeben sich die genannten Werte. Somit darf ein Gerätefehler nur diesen durch die Absicherung bestimmten maximalen Strom zur Folge haben, was unwahrscheinlich - aber nicht auszuschließen ist. Dazu muss zur selben Zeit eine maximale Einstrahlung am Solarmodul und eine Temperatur von 25°C auftreten, damit der maximale Strom von 2,6 A eingespeist wird. Das Ganze sollte möglichst mindestens 1,5 Stunden anliegen, sonst reicht die Zeit für eine kritischen Erwärmung nicht aus. Neben den Steckdosen werden dann auch die Leitungen 1) zur Verbrauchersteckdose 2b) sowie die Verteilerdose 3) mit einem höheren Strom belastet.
Zur Untersuchung von diesen Belastungsschwerpunkten in Worst Cases wurden drei Installationen aus den 1960er bzw. 1970er Jahren untersucht: Ein Haus bei Pasewalk mit Aluminiumleitungen, eine Wohnung in München mit Kupferleitungen und ein Haus in Hohen Neuendorf mit Bakelitkomponenten und Aluminiumleitungen mit Gummiisolierung in Aufputzverlegung. Die Installation des Hauses in Neuendorf musste dazu im Labor aufgebaut werden. Zudem wurden noch weitere gealterte Steckdosen, Verteilerdosen mit angeschlossenen Aluminium- und Kupferleitungen im Labor systematisch vermessen. Insgesamt wurden sechs Versuchsreihen mit insgesamt 109 Messungen durchgeführt. Die Versuchsobjekte werden mehrfach mit unterschiedlichen Stromstärken bis zum großen Prüfstrom zuzüglich 2,6 A vom SSG vermessen. Dabei wurde die Temperatur mit einem PT100-Sensor und einer Thermographiekamera ermittelt.
Untersuchung der Installationsleitungen
Die Messung der Erwärmung der Installationsleitungen erfolgte mit den Stromstärken 8 A, 16 A und mit dem gemäß Maximalbelastungsstrom von 20,68 A gemäß DIN VDE 0298-4. Es wird nach Verlegearten unterschieden: A2: Verlegung in Wärmedämmung, B2: Verlegung im geschlossenen Elektro-Installationskanal, C: Verlegung auf einer Wand und E: Verlegung frei in Luft. Die Betriebstemperatur der Installationsleitungen beträgt 60 bzw. 70°C. Um die Gefährdung einzuschätzen, müssen die Materialkennwerte der verwendeten Isolierstoffe herangezogen werden. Die Entflammungstemperatur von PVC-Isolation beträgt 390°C und die minimale Zersetzungstemperatur beginnt bei 200°C. Als zulässige Temperaturdifferenz wurde bei den Leitungen deshalb 70 Kelvin unterstellt.
Fast alle Leitungen wiesen genügend Stromreserve für SSG auf. Nur Leitungen in Verlegeart mit Kupfer NYM 3 x 1,5 mm2 und Aluminium NIAYYfl-J 3 x 2,5 mm2 in Wärmedämmungen zeigen eine höhere Temperaturdifferenz und damit eine geringere Stromreserve. Da der zul.ssige Strom Iz der Leitungen nach DIN geringer als 16 A ist, muss dann der jeweilige Stromkreis mit einem 13 A bzw. 10 A -Sicherungswert auch ohne SSG abgesichert sein. Bei einer entsprechenden Absicherung nach Norm ist dann eine ausreichende Reserve für das SSG vorhanden.
Untersuchung der Steckdosen
Die Messungen der Steckdosen und Schraubverbindungen erfolgten an Aufputz- und Unterputzinstallationen in Laborversuchen und Elektroinstallationen vor Ort. Für neue Bauteile gelten nach deren Produktnorm die folgenden Prüfkriterien: Bei einem Bemessungsstrom von 16 A beträgt der Prüfstrom 22 A. Dieser liegt eine Stunde an und dabei darf die Temperaturerhöhung maximal 45 K betragen. Als zulässige Temperaturdifferenz für die gealterten Steckdosen und Schraubverbindungen wurden auf Basis der Materialwerte nach Tabelle 1 eine Differenz von 75 K unterstellt. Als kritische Temperaturdifferenz wurden maximal 105 K angesetzt.
Alle Steckdosen wiesen starke Gebrauchsspuren auf. Als Stecker für die Stromzufuhr wurden gebrauchte Schuko-Stecker HY005-F, die teilweise zerkratzt und oxidiert waren, verwendet. Somit wurde hier auch der Worst Case unterstellt.
Die Prüfung ergab, dass zwei Steckdosen das Normkriterium 45°C für neue Steckdosen bestehen. Alle Steckdosen bleiben unter einer Temperaturdifferenz von 75 K (Bild 6). Es werden somit keine kritischen Materialgrenzwerte erreicht. Eine Bakelitsteckdose weist die größte Temperaturerhöhung (75 K) auf. Diese ist jedoch im Betrieb mit 10 A abgesichert.
An Steckdosen am Belastungsschwerpunkt 2a) besteht keine Gefährdung, da nur 2,6 A bei SSG mit 600 W fließen. Die größte Belastung bei den Versuchen war der maximale Prüfstrom von 25,8 A. An Verbrauchersteckdosen 2b) können bei Gerätefehler Überströme in dieser Höhe bei gleichzeitiger maximaler Solarstromeinspeisung entstehen. Die Temperaturdifferenzen, die sich dann einstellen, betragen bis zu 75 K. Es kommt zu keiner Schädigung der gealterten Steckdosen, da kritische Materialgrenzwerte nicht erreicht werden. Eine Brandgefährdung besteht damit selbst bei diesen bis zu 70 Jahre alten Steckdosen nicht.
Untersuchung der Verteilerdosen und Schraubverbindungen
Die Vermessung der Schraubverbindungen in den Verteilerdosen erfolgte mit den Stromstärken 8 A, 16 A und 25,8 A.
Im Vergleich zu Steckdosen bestehen weitaus mehr Verteilerdosen die Normkriterien für neue Installationen. Allerdings weist eine Dose auch den höheren Maximalwert für die Temperaturdifferenz auf. Die drei Schraubverbindungen mit ∆T > 75 K sind Extremfälle (Bild 7). Durch den Ausbau wurden die Aluminium-Installationsleitungen gelockert und sind beweglich unter den Schraubverbindungen. Das ist ein typisches Verhalten bei Kontaktstellen mit Aluminiumleitungen. Um die Untersuchung nicht zu beeinflussen, wurden die Schraubverbindungen nicht nachgezogen. Diese Verteilerdosen wären in bestehenden, intakten Elektroinstallationen so nicht anzutreffen. Die noch eingebauten Verteilerdosen wiesen geringere Temperaturdifferenzen kleiner 40 K auf. Somit hielten diese trotz ihres Alters von über 50 Jahren die Normwerte ein. Die Schraubverbindung in Pasewalk wies eine Temperaturerhöhung von 23,3 K auf. Sie stellt damit eine perfekte Schraubverbindung dar, obwohl sie eine Aluminiuminstallation aus den 1970er Jahren ist.
Die in Hohen Neuendorf ausgebaute Verteilerdose zeigte bei der Labormessung den Maximalwert von 108,3 K bei einem Strom von 25,8 A. Die Ursache dafür war, dass durch den Ausbau die Aluminiumleitungen nur noch sehr locker unter den Schrauben verbunden waren. Die Schrauben waren zudem stark korrodiert, so dass der Übergangswiderstand stark erhöht war. Leider konnte die Verteilerdose nicht vor dem Ausbau vermessen werden.
Bei der Realmessung in der Wohnung in München mit Elektroinstallation aus 1960iger Jahren und Kupferleitungen ergaben sich nach 1,5 Stunden Bestromung mit dem Prüfstrom von 25,8 A bei der Verteilerdose unter Putz eine Stagnationstemperatur 60,3°C und damit eine maximale Temperaturdifferenz von 39,2 K. Somit liegt die gemessene Temperaturdifferenz unter der nach Norm für neue Elektroinstallation von 45 K.
Der Vergleich von Labormessungen und Realmessungen am Objekt Pasewalk wiesen die Labormessungen der Verteilerdose höhere Temperaturen auf, vor allem, weil durch den Abbau die Schraubverbindungen der Aluminiumleitungen gelockert wurden. Im Vergleich des Temperaturverlaufs zwischen Real- und Labormessung ergibt sich eine um etwa 20 K höhere Temperaturdifferenz. Die zusätzlich vorgenommenen Thermographien bestätigen diesen Wert.
Fazit
Unter der Voraussetzung, dass ein SSG maximal eine AC-Leistung von 600 W und damit einen maximal zulässigen Einspeisestrom von 2,6 A je Stromkreis aufweist, besteht keine Brandgefährdung auch für gealterte Elektroinstallationen. Ein erhöhter Strom kann nur entstehen, wenn an einer Verbrauchsteckdose ein Gerätefehler bzw. Überstrom von kleiner als 25,8 A bei einem 16 A-Sicherungsautomat und von 28,2 A bei einer 16 A-Schraubsicherung fließt. Gleichzeitig muss im gleichen Stromkreis das SSG bei optimaler Sonneneinstrahlung den maximalen Strom von 2,6 A erzeugen.
Die Untersuchung in verschiedenen Einbausituationen ergab, dass in den Verlegearten B2, C und E der Schutz der Leitungen bei Überstrom gewährleistet ist. Bei der Verlegung entsprechend Verlegeart A2 sind die Belastbarkeitsreserven zu gering zur Kompensation des Überstroms. Allerdings muss der entsprechende Stromkreis nach Norm die Leitung auch ohne SSG mit 13 bzw. 10 A abgesichert werden, so dass dann wieder eine ausreichende Reserve vorhanden ist. Die Belastung durch das SSG wird von allen Steckdosen vertragen. Bei Belastung durch Gerätefehler bzw. Überstrom an Verbrauchersteckdosen bei gleichzeitiger maximale Solarstromeinspeisung erwärmte sich keine Steckdose um mehr als 75 K und somit besteht keine Brandgefährdung. Bei den untersuchten Verteilerdosen variieren die Temperaturen deutlich. Allerdings wiesen nur die ausgebauten Verteilerdosen und Schraubverbindungen mit Aluminiumleitungen Temperaturdifferenzen über 75 K auf. Diese sind jedoch vor allem dem Abbau, Transport und der Präparation für die Messungen geschuldet und bei intakten Installationen so nicht vorzufinden. So wiesen die über 50 Jahre alten Verteilerdosen Temperaturdifferenzen unter dem Normwert für neue Steckdosen bzw. Schraubverbindungen von ∆T = 45 K auf.
Ganz allgemein und unabhängig vom Einsatz von SSG sollten Elektroinstallationen, die ihre Lebensdauer von 40 Jahren überschritten haben, auf Beschädigungen überprüft und bedarfsweise saniert werden. SSG bis 600 W können selbst bei 60 Jahre alter Elektroinstallation keine kritischen Zustände (Brand etc.) auslösen.
Der Normarbeitskreis AK DKE 373.0.4 hat deshalb einen Entwurf einer Gerätesicherheitsnorm für SSG bis 600 W mit Schukostecker erarbeitet und zur Abstimmung eingebracht. Durch die massiven Einsprüche des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GdV), des Forums Netztechnik/Netzbetrieb (FNN) sowie des Zentralverbandes der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) kam es zu einer Patt-Situation bei der Abstimmung. Daraufhin empfahl das DKE-Komitee, den Passus mit dem Schukostecker in den unverbindlichen Anhang des Normentwurfs zu verschieben. Im September soll der Normenentwurf veröffentlicht werden, dann hat die Öffentlichkeit die Möglichkeit, ihre Einsprüche einzubringen. Wie die endgültige Norm aussehen wird und ob der Schukostecker an SSG normativ wieder aufgenommen wird, bleibt abzuwarten.
Fußnoten
1) solar.htw-berlin.de/studien/marktstudie-steckersolar-2022/
2) Untersuchungen und Messungen entstanden unter Mitarbeit von M. Sc. Peppino Dörner. Das Projekt SteckerSolar wird durch das BMWK im Rahmen des Förderprogramms „WIPANO“ (Wissens- und Technologietransfer durch Patente und Normen) gefördert. Die Verbundpartner in diesem sind neben dem Landesverband Berlin Brandenburg der DGS, die Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (DKE), das Fraunhofer ISE, indielux, SolarInvert und SIZ: www.dke.de/de/arbeitsfelder/energy/steckersolar
Ralf Haselhuhn