Das Klimaschutz-Argument greift zu kurz
Die Ökonomische Emanzipation der Erneuerbaren Energien: Die Verknappung fossiler Energien bedroht die Wirtschaft. Nur mit einem schnellen Umstieg auf Erneuerbare Energien sind unsere Wohlstandsökonomien aufrechtzuerhalten. Die Anerkennung dieser Tatsache würde den Klimaschutz emanzipieren – von einer ökologischen Motivation der Energiewende, zu deren wirkungsvollem Ergebnis.
Wer den Ausbau Erneuerbarer Energien mit Umweltschutz und Klimarettung begründet, begibt sich aufs Glatteis. Er stützt den notwendigen Umbau der Energiewirtschaft auf moralische Appelle und die Freiwilligkeit des guten Willens.
Wer darauf setzt, ignoriert die Realität: Die seit Kyoto 1997 zunehmende Klimaschutz-Werbung hat nicht zu sinkenden Kohlendioxid-Emissionen geführt, nicht einmal zu langsamer steigendem Ausstoß – sondern im Gegenteil nimmt der CO2-Ausstoß gerade beim Energieverbrauch schneller zu als vorher.
Ein nüchterner Blick auf die Versorgungslage mit Erdöl, Erdgas, Kohle und Uran eröffnet eine überzeugendere Argumentation für den energischen Umstieg: Die nicht ausreichende Verfügbarkeit konventioneller Energien und die absehbar kostengünstigere Versorgung mit Erneuerbaren wird ökologische Motive schon bald in den Hintergrund drängen. Ein offensiver Umgang mit dieser Tatsache könnte den Wandel enorm beschleunigen.
Die konventionelle Energiewirtschaft hat kein Interesse an einer realistischen Einschätzung der Ressourcensituation, denn: Wenn klar ist, dass wir unmittelbar vor der Verknappung von Öl, Gas, Kohle und Uran stehen, findet der Umstieg aus rein ökonomischen Gründen noch viel schneller statt, als dies aus Klimaschutzgründen je politisch durchsetzbar wäre. Die Erneuerbaren Energien würden dann die etablierten Geschäftsmodelle und Einnahmen der alten Energieindustrien bedrohen.
Volkswirtschaftlich – das heißt aus Sicht der Energieverbraucher – wird der Umstieg auf Erneuerbare aber insgesamt umso kostengünstiger, je ambitionierter er erfolgt. Die neuen Technologien verbilligen sich dann nämlich umso schneller, durch Massenproduktion und beschleunigten technischen Fortschritt.
Wenn Klimaschutz weiter zentrales Argument für eine Energierevolution bleibt, erscheint er weiterhin als teurer Kostenfaktor, der besonders klimaschädliche Branchen existenziell bedroht und angeblich das Wirtschaftswachstum bremst. Schließlich basiert dieses Wirtschaftswachstum bislang nahezu ausschließlich auf dem steigenden Verbrauch fossiler Energie und materieller Ressourcen.
Die bislang unterschätzte aber viel gefährlichere Bedrohung dieses Wirtschaftswachstums ist jedoch die unmittelbar bevorstehenden Verknappung fossiler Energien. Die Abkehr von diesen würde somit den nur scheinbaren Konflikt zwischen Ökonomie und Klimaschutz entschärfen. Der Umstieg auf Erneuerbare Energien ist alternativlos und benötigt keine Freiwilligkeit oder ökologische Einsicht.
Nachdem Erdöl und Uran ihre Förderhöhepunkte bereits erreicht bzw. überschritten haben, wird sich auch die zusätzliche Versorgung mit Erdgas und Kohle bald nicht weiter steigern lassen. Die fossile Energiewirtschaft befindet sich also in einer Sackgasse, deren einziger Ausweg im beschleunigten Ausbau Erneuerbarer Energien besteht. Die Erneuerbaren müssen in Zukunft nicht nur den zusätzlichen Bedarf vollständig decken, sondern auch einen immer größeren Anteil des bisher fossil gedeckten Anteils übernehmen. Aus Klimaschutzgründen sogar noch mehr, als das aufgrund der Verknappung notwendig ist.
Derartige Steigerungsraten hat es in der Vergangenheit trotz des beispiellosen Booms der Erneuerbaren noch nicht gegeben. Und allein aus ökologischen Motiven werden sich diese politisch kaum durchsetzen lassen. Wohl aber aus Gründen der Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit. Dass dies zugleich dem Klima nützt, ist eine seltene Allianz von Ökonomie und Ökologie, deren argumentative Kraft nur unterschätzt werden kann. Dennis Meadows, der Autor von „Grenzen des Wachstums“, brachte es kürzlich in einem Interview auf diesen Nenner: „Ich bin überzeugt, dass bald niemand mehr über den Klimawandel spricht. Die Energieversorgung wird zum Hauptthema werden.“
Thomas Seltmann