Hat die Solarthermie noch eine Zukunft?
Mehr Klimaschutz, weniger Gas und Öl aus Russland: Da müsste die Solarthermie eigentlich boomen. Eine kritische Bestandsaufnahme.
Die Bundesregierung möchte vor allen Dingen aus Klimaschutzgründen, mittlerweile aber vor allem aus der Notwendigkeit, Erdgas oder auch Heizöl aus Russland einzusparen, verstärkt auf Erneuerbare Energien (EE) inklusive der Solarenergie, setzen. Doch welche Form der Solarenergie darunter zu verstehen ist, wird angesichts aktuell geplanter Regelungen deutlich, auch wenn es so ganz offen nicht ausgesprochen wird. Denn obwohl die politische Prämisse, sich so schnell wie nur möglich von fossiler Energie unabhängig zu machen, der regenerativen Wärmetechnik Solarthermie eigentlich in die Karten spielen sollte, scheint es vorneweg bei der Politik ganz andere Vorstellungen zu geben. Das wurde schon bei der Veröffentlichung des Koalitionsvertrags deutlich. Darin war zu lesen, dass ab 2025 bei neu eingebauten Heizungen nur noch Heizsysteme zum Zuge kommen sollen, die einen 65%igen EE-Anteil aufweisen können. Dies war schon ambitioniert, aber es ging für die Ampel nach den aktuellen Entwicklungen immer noch nicht schnell genug. So wurde mittlerweile beschlossen, dass diese Klausel ein Jahr früher greifen soll, Zitat Bundeswirtschaftsministerium: „Wir werden jetzt gesetzlich festschreiben, dass ab dem 1. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 % mit Erneuerbaren Energien betrieben werden soll.“
Eindeutige Präferenzen
Mit den herkömmlichen Solarthermieanwendungen der Heizungsbranche, siehe Kasten Rückblick, lässt sich die 65%-Hürde nicht überspringen. Das ist nicht eben überraschend, war die Strategie der Kesselanbieter jahrelang eine andere. Dort war es vielmehr der Plan, irgendwann einmal mit grünem Wasserstoff – oder E-Fuels – zu heizen, um weiterhin mit der Verbrennertechnologie arbeiten zu können. Parallel wurde am Umstieg auf Wärmepumpen und Brennstoffzellen gearbeitet.
Was jedoch erlaubt sein wird ist der Einbau einer Wärmepumpe, auch wenn diese die 65%-Hürde ebenso wenig überspringt. Im Rahmen der öffentlichen Konsultation für ein Konzept zur Umsetzung der 65-Prozent-EE-Vorgabe für neue Heizungen1), das die Bundesministerien für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) zusammen eingeleitet haben, ist zu lesen, dass quasi per Definition die von elektrischen Wärmepumpen bereitgestellte Wärme vollständig aus Erneuerbaren Energien stammt. Es wird dabei angenommen, dass „der Stromanteil, der aus dem öffentlichen Stromnetz bezogen wird, über die reguläre Nutzungsdauer einer Wärmepumpe 100 Prozent klimaneutral erzeugt“ wird. Noch abstruser wird es, auch bei Erfüllungsoptionen auf einer Ebene, beim „Einbau einer Hybridheizung“. Bei einer solchen Heizung dürfen maximal 35 % der verbrauchten Wärme mit fossilen Brennstoffen erzeugt werden. Das ist soweit stringent. Die restlichen 65 % müssen aus Erneuerbaren Energien stammen. Wenn dann jedoch zu lesen ist, dass „Zur Vereinfachung und unbürokratischen Umsetzung dieser Vorgabe bei einer Hybridheizung bestehend aus fossilen Gas- oder Ölkesseln in Kombination mit einer elektrischen Wärmepumpe die Einhaltung der 65-Prozent-Pflicht angenommen wird, insofern der Leistungsanteil der Wärmepumpe 30 % oder höher ist“, dann ist das leider eine unlautere Bevorzugung einer Technologie. Eine Wärmepumpe, die gerade mal 30 % der Heizleistung zur Verfügung stellt und diese dann auch nicht annähernd regenerativ erzeugt, leistet per Regierungs-Definition 65 %. Das ist vollkommen willkürlich und diskriminierend.
Angesichts dessen wird deutlich, auch wenn es so nicht offen ausgesprochen wird: Der Strom und somit auch die Photovoltaik steht im Fokus. Denn obwohl die politische Prämisse, sich so schnell wie nur möglich von fossiler Energie unabhängig zu machen, der regenerativen Wärmetechnik Solarthermie eigentlich in die Karten spielen sollte, scheint es von vornherein bei der Politik ganz andere Vorstellungen zu geben.
Langjährige Ignoranz
Sicherlich lag auch jahrelang ein Webfehler bei den Förderrichtlinien vor. Um förderfähig zu sein, musste hierzulande zwar schon länger das Label „EE-Ready“ erfüllt werden, was jedoch oftmals nur ein Versprechen in die Zukunft war, eine Zukunft, in der primär kein fossiler Ausstieg geplant war, sondern vor allem den Erhalt von Marktpositionen vorsah. „Bereit für Erneuerbare“ sollte genügen. So wurden, wider besserem Klimaschutzes zum Trotz, weiterhin fossile Heizkessel gefördert.
Wird aber fossile Energie zum Tabu, bleibt von so mancher Zukunftsvision nicht mehr viel, zumindest nicht für den deutschen Markt. Folglich waren, vor allem von Seiten der Kesselhersteller, aber nicht nur dort, Aufschreie zu vernehmen. Das Ganze ginge zu schnell und die 65%-Hürde sei für klassische Solarwärme schlichtweg zu hoch, so der Tenor. Hörte man in die Heizungsbranche hinein, waren dort Äußerungen zu vernehmen, dass wenn es zu einer solchen Regelung komme, die Solarthermie in vielen Unternehmen tot sei. Da rächt sich heute wohl die jahrelange Ignoranz der Politik, wie auch des Handwerks und der Industrie. So wurden beispielsweise Sonnenhäuser gern als exotisch betrachtet, der fossile Heizkessel aber keineswegs in Frage gestellt und der Fachkräftemangel nicht nachhaltig bekämpft. Ganz abgesehen davon, dass im Handwerk mit Bädern einfach mehr Geld verdient werden konnte und die Heizung keinen besonderen Stellenwert bekam.
Zurück zur 65%-Regelung: Diese ist bei Ein- und Zweifamilienhäusern, die neu gebaut oder modernisiert werden, mit Solarthermie durchaus machbar, bei Mehrfamilienhäusern lässt sich diese Anforderung jedoch nur schwer erfüllen. Speziell bei der Sanierung kommt man aufgrund der dort vorherrschenden Wärmeverteilung auch mit Wärmepumpen nicht weit. Abgesehen davon, dass diese dann zu einer nicht unerheblichen Geräuschentwicklung führen würden. Auch wären innerstädtisch lediglich die wenig effizienten Luft-Wasser-Systeme möglich, da in der Regel nicht genügend Fläche vorhanden ist, um die erforderliche Anzahl von Bohrungen für die Erdsonden der effizienteren Sole-Wasser-Wärmepumpen zu setzen. Auch benötigen die dort meist noch installierten Heizkörper eine hohe Vorlauftemperatur. Das würde den Strombedarf der Wärmepumpen in die Höhe treiben. Auch sollte man bedenken, dass ein blindes Beharren auf der 65%-Regelung bei alten Heizkörpern zu einer sehr schlechten Leistungszahl, vor allem im Winter, führen würde.
Was regelt der Markt?
Es ist scheinbar sinnvoller, seine Wärme mit Solarstrom zu machen, so die immer häufiger zu vernehmende Meinung. Jedoch ist eine Aussage, nur weil sie oft genug wiederholt wird, noch lange nicht richtiger. Was hier reinspielt, ist der Wunsch nach einer einfachen Lösung. Da wird schnell behauptet, dass Solarthermie die Wärme gar nicht liefern würde, wenn sie benötigt wird. Dass das bei Photovoltaik ebenso wenig der Fall ist, geschenkt! Sicherlich sind durchaus Rechenexempel möglich, mit der eine kWh Wärme günstiger mit Solarstrom zu erzeugen ist, aber was sagt das über den volkswirtschaftlichen Nutzen aus? Der Markt ist hier kein guter Ratgeber, da er sich nicht um das Gemeinwohl schert.
Gerne wird verdrängt, dass wir bereits heute einen rasant steigenden Bedarf an Strom haben. Und dass die Anteile der Regenerativen am Strommix aktuell noch steigen, lässt den Blick auf die Realitäten manchmal ein wenig vernebeln. Denn die Transformation bei der Wärme stagniert nach wie vor. Positive Entwicklungen, wie etwa die an Fahrt gewinnende Verkehrswende sollten ebenso zu denken geben. Wir bewegen uns rasant auf ein Flaschenhalsproblem zu. Gerade die jahreszeitlichen Unterschiede sind nicht wegzudiskutieren, das hat erst kürzlich der Journalist Detlef Koenemann, ein langjähriger Begleiter und Kenner der Energiewende, geschrieben. Denn es fehlen Stromspeicher, die den gewaltigen Überschuss aufnehmen und für Wochen und Monate bereithalten könnten. Koenemann beklagt hier auch nicht nur eine Passivität der Bundesregierung und der Energiekonzerne, sondern auch das „Schweigen der Solar- und Windenergiebranche, die bisher keine Neigung zeigt, sich mit diesem Thema ernsthaft zu beschäftigen.“ Sie, so analysiert Koenemann, „fordert unverdrossen den massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien, obwohl eigentlich jeder weiß, dass dadurch der Überfluss noch größer wird. Noch mehr Strom muss zu Schleuderpreisen exportiert werden. Und noch mehr Windparks und Solarparks müssen abgeschaltet werden, um die Netze nicht zu überlasten.“
Sollte also die E-Mobilität weiter so wachsen, E-Bikes und E-Scooter mal außen vor, dann stellt sich zunehmend die Frage, ob eine kWh verheizt werden oder auf die Straße gelangen soll. Werden etwa auf Dächern von Mehrfamilienhäusern einfach nur große Photovoltaikanlagen für Mieterstrom installiert, wird dieser vor allem Hausgeräte versorgen und nichts zur Wärmewende beitragen. Mal ganz abgesehen vom Überschussstrom, der dann vielleicht in die Heizpatrone des Trinkwarmwasserspeichers fließt. Die Alternativen Biomasse und Solarthermie sind da kaum noch im Gespräch. Zurück zum Markt: Nur weil es von Seiten der Installation einfacher ist, Module anstatt Kollektoren auf das Dach zu legen, muss das nicht die grundlegend bessere Möglichkeit darstellen, auch wenn das natürlich bequemer und vordergründig wirtschaftlicher ist. Ein großer Fehler ist es, zu glauben, dass wir uns für eine Technologie entscheiden müssen.
Der Solarthermie eine ungenügende Speicherfähigkeit zu unterstellen ist schon deshalb unfair, da es für die kursierenden elektrischen Energiemengen der Zukunft so etwas aktuell auch nicht gibt. Die Transformation bei der Wärme ist die größte abzuarbeitende Energiebaustelle.
Rück- und Ausblick
Es muss jedoch auch konstatiert werden, dass die Bundesregierung die Wärme durchaus auf dem Schirm hat. Nachdem jahrzehntelang beim Ausbau der Erneuerbaren dank Fokussierung auf die Stromseite die Wärmewende vernachlässigt wurde, wächst jetzt ganz offensichtlich eine kleine Pflanze heran. Mit der Förderung für effiziente Wärmenetze oder dem Ziel, Städte und Gemeinden zu einer kommunalen Wärmeplanung zu verpflichten, könnte es auf dieser großen Baustelle endlich voran gehen.
Das eine, siehe Koalitionsvertrag, „flächendeckende kommunale Wärmeplanung” zumindest mittelfristig nicht ohne einen großen Anteil nichtelektrischer Komponenten auskommt, sollte niemanden überraschen. Dass die Planung einer Nah- oder Fernwärme viel Zeit und auch eine Privilegierung für Flächen im Außenbereich benötigt, ebenso wenig. Daher sollte klar sein, dass es nicht so schnell gehen wird, wie eigentlich nötig. Denn auch hier wurden Jahrzehnte verschenkt. Ein wichtiger Hinweis noch zu Nahwärmenetzen: Diese sind schon deshalb zukunftsfest, weil sie technologieoffen ausgeführt werden. Je nach Gegebenheit und möglichen Entwicklungen können sie mit der unterschiedlichsten Wärmezufuhr betrieben werden. Unter anderem auch mit der „Großen Solarthermie“. Auch ist es möglich, diese Wärmeträger bei Bedarf zu ändern und zu kombinieren.
Dennoch droht der Solarthermie, einer der besten regenerativen Energien, das Aus im Gebäudebereich. Das, obwohl die solare Wärme über jede Menge Innovationen verfügt. Da gibt es etwa den Wärmepumpenkollektor, den Sorptions- oder auch den Eisspeicher, um ein paar Beispiele zu nennen. Solarthermie und ihr Werkzeugkasten kann sehr viel dazu beitragen, dass wir, nicht nur Deutschland, deutlich mehr Energieautonomie erreichen können. Daher sind eine regenerative Technologieoffenheit und das Besinnen auf das heute schon Machbare, sowie ein breit aufgestelltes Denken in der Politik notwendig. Die Solarthermie verfügt über ein vergleichsweise einfach erschließbares Potenzial von Raum-, Fern- und Prozesswärme. Das Potential hat eine Größenordnung von über 100 TWh jährlicher Nutzwärme für Deutschland. Speziell in den Städten wird es nicht möglich sein, durchgehend auf Wärmepumpen zu setzen. In Kombination mit Solarthermie, etwa mit der Solarstrom-Solarwärmeanwendung PVT als Wärmequelle kombiniert mit einer Wärmespeicherung ist es für die Wärmepumpe schon einfacher, denn im Sommer kann sie dann abgeschaltet werden. Würde im Winter tagsüber genügend solare Wärme gespeichert werden, könnte neben der direkten Nutzung auch die Wärmepumpe in den Nachtstunden unterstützt werden. Leider wird auch von Seiten der Kollektoranbieter die Kombination von Solarthermie und Wärmepumpe nur wenig propagiert.
Auch von Seiten der Bauindustrie sind kritische Töne hinsichtlich einer Fokussierung auf eine rein elektrische Wärmeerzeugung zu hören. So hat beispielsweise Ullrich Hintzen, der Vorstand der Chemnitzer FASA AG, in einem Interview mit dem Jahrbuch Solarthermie2) eine Rückbesinnung auf die Solarthermie angemahnt. Angesichts einer Zunahme des Bedarfs an elektrischer Energie sollte, so Hintzen, erkannt werden, dass sich Strom als hochwertige Energie auf die angestammten Bereiche konzentrieren sollte und nicht auf die Produktion von Wärme. Betrachte man den Energieverbrauch in Wohngebäuden in Deutschland, wo etwa 15 Prozent für elektrische Energie benötigt werden und weitere 85 Prozent für Wärme und Warmwasserbereitung, dann müsse Solarthermie nicht nur verstärkt eingesetzt werden, sondern auch eine Priorität bekommen.
Hinzten spricht sich aber nicht generell gegen Photovoltaik aus, auch die Kombination von Wärmepumpe und Photovoltaik sei für ihn denkbar. „Aber die Frage ist immer, was ist effizienter“, betont der Firmenchef und verweist auf den hohen Wirkungsgrad von Solarkollektoren, die einfache und umweltfreundliche Wärmespeicherung in Solarwasserspeichern sowie die Unabhängigkeit von externen Netzen3).
Berlin - Wir haben ein Wärmeproblem!
Die fehlende erneuerbare Wärme ist, neben den zu geringen Modernisierungsraten der Gebäude und der nur langsam in Gang kommenden Verkehrswende, die größte abzuarbeitende Energiebaustelle. Die Krux an der Geschichte: Die ungeklärte Frage, woher der regenerative Strom für die Wärmepumpen und den grünen Wasserstoff kommen sollen, wird oft unterschätzt. Beim Strom, dass zeigen diverse Untersuchungen4), stößt man durchaus an Grenzen. Denn der Einsatz von Wärmepumpen setzt die Verfügbarkeit von Strom aus regenerativen Energien voraus, dieser wird jedoch nicht in unendlichen Mengen zur Verfügung stehen. Für einen massiven Ausbau von Wärmepumpen ist zu konstatieren, dass dieser Strom nicht vorhanden ist, es müsste vielmehr eine Verringerung des Strombedarfs angestrebt werden. Das gleiche gilt für grünen Wasserstoff. Und bezieht man diesen dazu noch aus fragwürdigen Regionen, ist auch politisch wenig gewonnen. Mal ganz abgesehen, dass es bei einer fehlenden Technologieoffenheit wieder zu Abhängigkeiten kommen würde. Auch aus Gründen der mangelnden Resilienz und der Sachlage, dass Wasserstoff für Niedertemperaturwärmeversorgung keine Lösung ist, ist ein breiter Technologiemix der wesentlich bessere Ansatz.
Agenda Solarthermie 2022
In einer konzertierten Aktion5) hatten Industrieunternehmen, Fachverbände sowie Energieexpert:innen die Regierungskoalition dazu aufgefordert, einen beschleunigten Ausbau der Solarthermie ganz oben auf die politische Agenda zu setzen. Sie formulierten etwa, dass sie Solarthermie als technisch ausgereifte, hoch wirksame, flächeneffiziente und in der Bevölkerung breit akzeptierte Klimaschutztechnologie das Risiko einer Ökostrom-Lücke umginge, Heizkosten stabil halte und sozialverträglich sei. Sie verringere Importabhängigkeiten bei Erdgas, Wasserstoff und Strom, und sei es Schlüsseltechnologie und Grundlast der Wärmewende unverzichtbar. Ganz wichtig: Die Solarthermie muss auch beim Thema Solarpflicht und der anstehenden Reform des Gebäudeenergiegesetzes als gleichberechtigte Schwestertechnologie zur Photovoltaik berücksichtigt werden. Die Initiative wies darauf hin, dass ein nicht technologieoffener Ansatz, bei dem Wärmepumpen die Hauptlast der Wärmewende tragen sollen, durch die begrenzte Verfügbarkeit von Strom aus Erneuerbaren Energien an Grenzen der Umsetzbarkeit stoßen werde. Schließlich würde die Wärmebereitstellung durch Solarthermie unter minimalem Einsatz elektrischer Hilfsenergie wesentlich zur Verringerung der CO2-Emissionen im Wärmesektor beitragen. Solarthermie sei eben keine überholte, sondern vielmehr eine Hocheffizienztechnologie. Im Zusammenspiel von modernen Kollektorkonstruktionen, regelbaren Pumpen, Wärmespeichern und innovativer Digitalisierung biete sie viel mehr als nur Warmwasserbereitung. Bei vielen Gebäuden, die nicht über die baulichen Voraussetzungen für den Einsatz von Wärmepumpen verfügen, wäre sie schnell einsetzbar und könnte dort viele Heizungsanlagen im Gebäudebestand entlasten. Nicht zuletzt stelle sie mit dem Verhältnis von 100 Einheiten erzeugter Nutzwärme beim Einsatz von nur einer Einheit Strom die effizienteste Technologie der Wärmewende dar. Die Installation einer Solarthermieanlage verringere sofort den Brennstoffverbrauch eines fossil oder mit Biomasse befeuerten Heizkessels. In der Zukunftsperspektive würden die Wärmespeicher und die niedertemperaturoptimierte Wärmenutzung solarthermischer Anlagen den Übergang auf CO2-freie Wärmeerzeuger erleichtern. Dieses Nachrüstungs- und damit Optimierungspotenzial gelte es auszuschöpfen und gezielt anzureizen, um die Wärmewende schnell und nachhaltig voranzubringen.
Solarwärme kann in effizienten Gebäuden als Hauptwärmeerzeuger den Großteil des Heiz- und Warmwasserbedarfs decken. In der begrüßenswerten Kombination mit Wärmepumpen senkt sie den Heizstromverbrauch und damit die Betriebskosten um 30 bis 50 %. Die Einsatzgebiete der Solarthermie sind vielfältig und ohne zusätzlichen Infrastrukturaufbau wie Stromnetze und Reservekraftwerke sofort umsetzbar, für die Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung in Wohngebäuden, für industrielle Prozesswärme und in der Fernwärme. Die praktisch CO2-frei erzeugte Solarwärme bietet wegen ihrer dezentralen Erzeugung und Wärmespeichermöglichkeiten in fast allen Wochen des Jahres eine sichere Wärme-Grundversorgung und ist damit ein Resilienzanker in energiepolitischen Krisensituationen.
Positive Entwicklungen
Bei Solarthermie gibt es seit geraumer Zeit wieder einen positiven Trend. So liegen die BAFA- Antragszahlen Anfang 2022 erneut höher als im Vorjahr. Nach jahrelangem Rückgang am Markt scheint die Kurve anhaltend nach oben zu gehen. Dabei betreffen diese Zahlen noch nicht mal den großen Markt der Nah- und Fernwärme, sowie die Prozesswärme. Hier wird sich sicherlich noch einiges tun in den nächsten Jahren. Jedoch sind dort keine schnellen Wachstumsschübe zu erwarten, da sowohl die Genehmigungsprozesse als auch die Entscheidungswege wesentlich komplexer sind, als im Ein- und Mehrfamilienhaus. Aber auch die kommunale Wärmeplanung ist ein wichtiger Hebel, da die angestrebte Klimaneutralität bis 2045 enorme Fortschritte im Wärmebereich erfordert.
So unterstützt die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) die Umstellung der Fernwärme auf CO2-Neutralität. Sie fördert den Neubau von Wärmenetzen mit hohen Anteilen Erneuerbarer Energien sowie die Dekarbonisierung von bestehenden Netzen. Die BEW ist seit dem 15. September 2022 in Kraft. Mit ihr können etwa Kommunen Zuschüsse erhalten, wenn diese ein Nahwärmenetz mit hohen Anteilen an Erneuerbaren Energien im Neubaugebiet errichten, oder auch gefördert werden, wenn diese bestehenden Fernwärmenetze auf Erneuerbare Energien und Abwärme umrüsten. Hier ist Solarthermie durchaus ein wichtiger Baustein; gleichberechtigt mit strombetriebenen Wärmepumpen können sie in Wärmenetze einspeisen.
Fazit
Warum wird dann eigentlich gejammert? Es sind zum einen die weiterhin bestehenden Hemmnisse, wie die komplexen Entscheidungswege und Genehmigungsprozesse, aber vor allem die jüngsten politischen Weichenstellungen, die die Solarthermiebranche sorgenvoll in die Zukunft blicken lassen. Es ist die geringschätzige Betrachtung, welche die Solarwärme zunehmend erfährt.
Rückblick
Sprach man in den 90’ern über „Solarenergie“, so war in der Regel eine solarthermische Anlage gemeint. Neben den Kollektoren gab es natürlich auch „Solarplatten“, aber das war lange eine unerschwingliche Technologie. Die Anlagen, meist für die Gewinnung von Trinkwarmwasser ausgelegt, fanden sich überwiegend auf Einfamilienhäusern. Die Produkte stammten aus mittelständischer Produktion. Innovationen gab es auch damals schon, jedoch war es eine große Ausnahme, dass die Solarwärme die Hauptlast am Wärmebedarf des Gebäudes geschultert hatte. Während es dank des EEG bei der Photovoltaik zu großen Kostenreduktionen und Weiterentwicklungen kam, musste die solare Wärme immer mehr in der zweiten Reihe Platz nehmen. Gleichzeitig führten viele Unternehmensübernahmen zu Konzentrationen, bis schließlich der Markt überwiegend in der Hand von Heizungskesselherstellern war. Während sich der Boom bei der Photovoltaik weiter fortsetzte, wurde die Solarthermie im Portfolio der Konzerne immer mehr zu einer Add-on-Technologie. So wurde es auf Seiten der Industrie hierzulande weitgehend versäumt, neben den gängigen Kollektoren auch Flächenkollektoren zu entwickeln, Ausnahmen bestätigen die Regel. Solarthermie wurde zur Alibitechnologie im Sinne von Briefmarkenarchitektur; sie unterstützte – wenn überhaupt – die konventionelle Heizung. Gebäude, bei denen eine konventionelle Heizung eine Solaranlage stützt, das war dort nie angedacht. Die Visionen einstiger Solarpioniere gerieten immer mehr in Vergessenheit. Solarthermie war schon fast zu einer antiquierten Technologie degradiert worden.
Matthias Hüttmann